Volle Fahrt gegen die Wirtschaft: Abstimmung über E-Privacy-Entwurf

In einer spektakulär knappen Entscheidung stimmten die Europaparlamentarier jüngst über den Berichtsentwurf zur E-Privacy-Verordnung ab. Auch wenn viele Stimmen diesen als ausgeglichenen Ansatz bewerten, ist klar: Auf die Wirtschaft kommen schwere Zeiten zu, sollten sich die Abgeordneten in den kommenden Verhandlungen mit dem Rat der EU durchsetzen.

Brüssel, 03.11.2017 – Im Januar diesen Jahres stellte die Europäische Kommission ihren Vorschlag über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/58/EG - im Folgenden E-Privacy-Verordnung – vor. Von dem Vorschlag erfasst und für den Handel in diesem Zusammenhang wichtig sind und bleiben die Nutzung von Daten, die durch die Verwendung von sogenannten Cookies gewonnen werden. Cookies sind winzige Programme, die bei dem Besuch einer Internetseite auf dem Rechner des Nutzers installiert werden. Beim nächsten Webseiten-Besuch senden diese Informationen des Nutzers an den Webseitenbetreiber. Nur so lässt sich ein effektives und passgenaues Marketing darstellen – mittlerweile eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kundenansprache und –Bindung.

DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich für faire Regeln im Bereich der Kundenansprache einNach der bestehenden Rechtslage müssen Besucher von Internetseiten zumindest über die Existenz der Verwendung von Cookies informiert werden. Eine wirkliche Wahl, ob die Cookies verwendet werden oder nicht, hat der Besucher von Internetseiten nicht.

Neben vielen anderen Gründen war dies der Anlass der Europäischen Kommission, in Sachen Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten nachzulegen. Neben der bereits verabschiedeten Datenschutzgrundverordnung soll durch die E-Privacy-Verordnung auch ein umfassender Schutz der elektronischen Kommunikation – darunter fallen eben auch durch Cookies gewonnene Daten – gewährleistet werden.

Einschränkungen bei der Verwendung von Cookies

Nach dem nunmehr veröffentlichten Kommissionsvorschlag über eine E-Privacy-Verordnung soll die Verwendung von Cookies auf Internetseiten nur noch möglich sein, wenn:

  • die Verwendung von Cookies für den alleinigen Zweck der Durchführung eines elektronischen Kommunikationsvorgangs nötig ist,
  • der Endnutzer seine Einwilligung gegeben hat,
  • die Verwendung für die Bereitstellung eines vom Endnutzer gewünschten Dienstes nötig ist oder
  • die Verwendung für die Messung des Webpublikums nötig ist – sofern der Betreiber des vom Endnutzer gewünschten Dienstes der Informationsgesellschaft diese Messung durchführt.

Im Klartext bedeuten diese Vorschriften – sollten sie schlussendlich Gesetz werden – dass vor jeder Verwendung von Cookies durch den Internetseiten-Betreiber nach der Einwilligung des Nutzers gefragt werden muss – ob dieser die Einwilligung dann gibt, bleibt mehr als fraglich. Insgesamt steht die Gefahr, dass die gesamte Kommunikation mit den Verbrauchern im Bereich des E-Commerce grundlegende Veränderungen erfahren könnte.

Betrachtet man die Regelungen oberflächlich, könnte man argumentieren, dass die Verwendung von Cookies immer „für die Messung des Werbepublikums“ im Sinne des letzten eben aufgeführten Rechtfertigungsgrunds sein könnte. Doch ein Blick ins Detail offenbart eine große Überraschung. Denn nur Cookie-Dienste, die der Betreiber des vom Endnutzer gewünschten Dienstes verwendet, sollen unter diese Ausnahme fallen. Gerade im kooperierenden mittelständischen Einzelhandel dürften die meisten Verbundgruppen Cookies zwar verwenden, dabei jedoch auf Dritt-Dienstleister zurückgreifen – eine Ausnahme im eben genannten Sinne bliebe ihnen deshalb verwehrt.

Auch die Kommission gibt in diesem Zusammenhang zu: „Für Anbieter gezielter Online-Werbung könnte es jedoch schwieriger werden, die Einwilligung zu erlangen, wenn ein großer Teil der Nutzer Einstellungen wählt, bei denen Cookies von Dritten abgewiesen werden.“

Als wäre dies nicht genug, schlägt die Kommission vor, dass neue Endgeräte wie PCs, Notebooks und Handys in ihren Voreinstellungen die Verwendung von Cookies ausschließen sollen. Diese würden also automatisch ohne jedwede Anfrage durch den Betreiber von Internetseiten blockiert. Diese Vorschrift soll wiederum nur für Cookie-Dritt-Dienstleister gelten.

Ungleiche Ausgangsvoraussetzungen für Marktteilnehmer

Diese Ausgangslage nahm DER MITTELSTANDSVERBUND zum Anlass, den Vorschlag aufgrund der Schaffung ungleicher Ausgangsvoraussetzungen für die Marktteilnehmer zu kritisieren. Denn es sind oftmals die Betreiber großer Internet-Marktplätze, die von den äußerst scharfen Regelungen nicht betroffen wären. Im Sinne eines „Level Playing Fields“ forderte DER MITTELSTANDSVERBUND daher die Anpassung des Kommissionsvorschlags.

Der im Europäischen Parlament mit dem Dossier befasste Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten (LIBE) nahm diese Kritik hingegen nicht in den nunmehr diskutierten Berichtsentwurf auf. Am 23. Oktober 2017 stimmte der LIBE-Ausschuss über seinen Bericht zum Kommissionsvorhaben ab, ohne auf die Bedenken der Wirtschaft einzugehen.

Mehr noch: Die Gewinnung von personenbezogenen Daten für die Messung des Werbepublikums soll nach Ansicht der Europaparlamentarier nur noch gerechtfertigt sein, wenn dies aus technischen Gründen notwendig ist. Die Unterscheidung zwischen Cookie-Dritt-Dienstleistern und webseiteneigenen Cookies wurde hingegen gestrichen – eine Verwendung von Cookies auf Veranlassung des Webseitenbetreibers soll ausreichend sein.

Statt eines ausgeglichenen Vorschlags verschärften die Abgeordneten mithin den sowieso strikten Kommissionsvorschlag. Und dies mit einer äußerst knappen Mehrheit: 31 zu 24 bei einer Enthaltung lautete das Endergebnis. DER MITTELSTANDSVERBUND machte neben vielen anderen Wirtschaftsverbänden auf diese Tatsache aufmerksam. Auf Grundlage der Einwendungen der Wirtschaft wurde das Dossier daher auf die Tagesordnung des EP-Plenums gesetzt, um eine stärkeres Mandat für die Verhandlungen mit dem Rat der EU zu erhalten. Am 26. Oktober nahm das Plenum den Vorschlag mit 318 zu 280 Stimmen und 20 Enthaltungen an. Die kritischen Stimmen im Europäischen Parlament konnten sich daher im Plenum nicht durchsetzen.

Im weiteren Verlauf der Verhandlungen liegen nunmehr alle Hoffnungen bei den Mitgliedstaaten: Der Rat der EU hat noch keinen Standpunkt festgelegt. Erste Gespräche mit den Mitgliedstaaten diesbezüglich haben bereits stattgefunden, aber die Lage bleibt weiterhin unübersichtlich. Ob daher – wie von der Ratspräsidentschaft geplant – eine gemeinsame Linie der Mitgliedstaaten bis Ende des Jahres festgelegt werden kann, bleibt daher offen.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich weiterhin für einfache Regeln im Bereich der Kundenansprache aussprechen. Wie die Informationsveranstaltungen zur Implementierung der Datenschutzgrundverordnung zeigten, werden viele neue Belastungen auf den kooperierenden mittelständischen Handel zukommen. Ob daher neue Belastungen durch die E-Privacy-Verordnung aufgebaut werden sollten und ob diese schlussendlich zur Förderung der digitalen Wirtschaft beitragen werden, bleibt mehr als fraglich.

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