Wahlprogramm-Check: Europa

Was sagen die Spitzenparteien eigentlich zum Thema Europa? DER MITTELSTANDSVERBUND hat die für mittelständische Kooperationen wichtigsten Punkte der Wahlprogramme zusammengestellt.

In unserer mehrwöchigen Beitragsreihe zur Bundestagswahl 2021 vergleichen und bewerten wir die Wahlprogramme der Parteien nach Themenschwerpunkten mit besonderer Relevanz für die mittelständischen Unternehmen. Dabei betrachten wir lediglich die Parteien, die nach gegenwärtigem Ermessen eine realistische Chance haben, an der kommenden Bundesregierung beteiligt zu sein. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zu den verschiedenen Wahlprogrammen und den dahinterstehenden Vorhaben der Parteien bieten.

Brüssel, 16.09.2021 - Nachhaltigkeit, Wettbewerbspolitik, Lieferketten und Datenschutz – das alles sind Themen, die aktuell derzeit auf dem Brüsseler Parkett verhandelt und diskutiert werden. Auch die großen Parteien haben sich dieser Materien in ihren Wahlprogrammen angenommen.

CDU/CSU

Nach dem Dafürhalten der Christdemokraten soll Europa zu einem klimaneutralen Kontinent werden. Hierzu soll ein neuer Posten des EU-Klimaaußenbeauftragten zur Stärkung und Bündelung der EU-Klimaaußenpolitik geschaffen werden, der Europa als globalen Akteur im Einsatz für den Klimaschutz positioniert. Auch soll der europäische Emissionshandel auf den Verkehr- und Wärmesektor ausgeweitet werden.

Eine sich fortsetzende Schuldenunion soll es nach Auffassung der CDU/CSU nicht geben. Die im Rahmen der Corona-Sofortprogramme lancierte Schuldenaufnahme durch die EU soll ein einmaliges Projekt bleiben. Somit soll der Grundsatz weiter bestehen: Jeder haftet für seine eigenen Schulden.

Im Bereich der Nachhaltigkeit sollen die Belange von KMU stärker berücksichtigt werden. So soll das geplante EU-Lieferkettengesetz nicht über das hinausgehen, was Deutschland durch seinen entsprechenden Gesetzesakt bereits dieses Jahr lanciert hat. Im Bereich der Industriepolitik soll ein Mix aus gezielter Technologieförderung und einer Veränderung des EU-Beihilfenrechts eine Stärkung des Industriestandorts Europa bewirken. Ziel sollte dabei eine Unabhängigkeit von globalen Lieferketten sein.

Im Digitalen Bereich soll eine europäische Digitale Marktwirtschaft unter einheitlichem Datenschutzrecht geschaffen werden. Teil dieser Initiative soll auch eine entsprechende „Standgebühr“, sprich eine Besteuerung der in Europa tätigen digitalen Unternehmen sein.

SPD

Für die Sozialdemokraten ist der Aufbau einer europäischen klimafreundlichen Mobilität wichtig. Bis 2030 sollen dafür mindestens 75 Prozent des Schienennetzes elektrifiziert werden.

Im Bereich digitales benötigt Europa endlich eine selbstbestimmte Entwicklung und Herstellung der notwendigen Komponenten und Bauteile, damit nicht ausschließlich US- und chinesische Hersteller über den Erfolg und die Netzwerksicherheit digitaler Infrastrukturen in Europa entscheiden. Weiterhin soll eine echte Steuergerechtigkeit in der Plattformökonomie geschaffen werden.

Zudem bedürfe es auch nach Ansicht der Sozialdemokraten einer Anpassung des Beihilfen- und Wettbewerbsrechts, damit Europa im internationalen technologischen Wettbewerb bestehen und seine Souveränität behaupten kann.

Im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit soll Europa bis spätestens 2050 zum ersten nachhaltigen und treibhausgasneutralen Kontinent werden und eine Vorreiterrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels einnehmen.

Wie zu erwarten, ist das soziale Europa eines der Kernthemen der Sozialdemokraten. So soll neben dem Aufbau europäischer Standards im Gesundheitssystem auch ein Rechtsrahmen für europäische Mindestlöhne geschaffen und gestärkt werden. Gleiches gilt für die soziale Absicherung. Weiterhin sollen die Rechte von Arbeitnehmer*innen weiter ausgebaut werden, insbesondere durch die Stärkung europäischer Betriebsräte, durch Mitspracherechte in Organisation und Entscheidungen großer Unternehmen sowie das Recht auf Kollektivmaßnahmen und Tarifverhandlungen.

Bündnis 90 / Die Grünen

Auch die Grünen steigen mit großen Forderungen hinsichtlich Arbeitnehmerrechten in die „Europäische Diskussion ein“: Danach soll zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften, eine europäische Sozialversicherungsnummer, höhere Mindeststandards für Unterkünfte von entsandten Beschäftigten sowie die Abschaffung der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung realisiert werden.

Zudem werben die Grünen für die Einführung eines europäischen Mindest-Steuersatzes zur Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit gegenüber mittelständischen Unternehmen. 

FDP

Die Liberalen fangen in ihrem Wahlprogramm mit Blick auf Europa gleich mit einem „Hammer“ an: Im Zuge der angestrebten Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa soll der deutsche Sonderweg der Gewerbesteuer beendet werden. Dafür müsse die Finanzierung der Kommunen auf eine neue Grundlage gestellt werden – etwa durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer.

Für mittelständische Unternehmen sollten in Europa bessere Wettbewerbsbedingungen in der Digitalwirtschaft geschaffen werden. Hierzu sollte auch die Marktmacht einzelner großer Marktteilnehmer begrenzt bzw. wirksam kontrolliert werden können.

Die Freien Demokraten erkennen das verpflichtende Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 als wichtig an. Dieses Ziel könne durch ein striktes und jährlich sinkendes CO2-Limit in einem umfassenden Emissionshandelssystem zuverlässig erreichet werden. Es sollte jedoch regelmäßig auf Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Sachstandsberichten des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change) evaluiert werden.

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