Haushaltspläne: Kernfragen des Mittelstands bleiben offen

Die Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2017 nehmen Fahrt auf. Dabei geht die Diskussion an den Kernproblemen vorbei. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert eine gerechte Lastenverteilung.

Berlin, 14.09.2016 – Wolfgang Schäuble hält im Bund an der Schwarzen Null fest. Auch 2017 soll der Bundeshaushalt nach den Plänen des Bundesfinanzministers einen kräftigen Überschuss vorweisen. Das beflügelt auch die Diskussion über neue Ausgabenwünsche oder Steuerentlastungen. DER MITTELSTANDSVERBUND mahnt jedoch vor voreiligen Forderungen. Denn die gute Kassenlage kann sich schnell ändern. Viel wichtiger ist es, für einen nachhaltigen und fairen Lastenausgleich zu sorgen.

Deutscher Bundestag, BerlinZu Recht wies der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in der Debatte zum Etat seines Ministeriums darauf hin, das ein signifikanter Teil des Haushaltsüberschusses auf gefallene Rohölpreise und die weiterhin ungewöhnlich niedrigen Zinsen zurückzuführen sei. Sollte sich das in den nächsten Jahren ändern, seien die Milliardenüberschüsse nicht mehr sicher, so Gabriel im Bundestag.

Was ist also bei Steuersenkungen zu beachten? Natürlich würde der lokale Mittelstand Steuerentlastungen begrüßen. Doch wichtig ist, dass für die Unternehmen eine Planbarkeit gewährleistet ist. „Nur mit einer ökonomisch nachhaltigen Finanzpolitik haben Unternehmen einen verlässlichen Rahmen für unternehmerische Entscheidungen“, erklärt Paul Maeser, der beim Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes für Finanzpolitik zuständig ist.

DER MITTELSTANDSVERBUND hatte zuletzt mehrfach konstruktive Vorschläge gemacht, um diese Finanzpolitik zu gewährleisten. „Entscheidend ist, dass die Lasten gerecht zwischen den Unternehmen verteilt werden“, fordert Maeser. Und da hat der Mittelstand noch immer das Nachsehen.

Anpassung des steuerlichen Rechnungszinses bei Betriebsrenten

Seit längerem fordert der Spitzenverband eine Anpassung bei der Berechnung der Betriebsrenten. Das Problem: Durch den im Einkommensteuergesetz festgelegten Rechnungszins von sechs Prozent fallen – verglichen mit den handelsrechtlichen Regelungen – relativ geringe Rückstellungen für Pensionen in der Steuerbilanz an. Damit zahlen Unternehmen bereits heute die Steuern von morgen. „Sie werden damit heute über Gebühr belastet“, so Maeser. Werden die Pensionen dann ausgezahlt, würden die Steuerrückstellungen aufgelöst und ggf. mit zusätzlichem Personalaufwand ergänzt. „Im Ergebnis zahlen Unternehmen also heute mehr Steuern, während den Staatshaushalten in der Zukunft Steueraufkommen fehlen wird“, erklärt der Finanzexperte.

Jetzt muss die Chance genutzt werden, um den steuerlichen Rechnungszins an die handelsrechtlichen Bestimmungen anzugleichen. Das wäre gerechter gegenüber den steuerzahlenden Unternehmen und den zukünftigen Generationen, die für den Ausfall an Unternehmenssteuern später einmal aufkommen müssen. Eine vollständige Anpassung an den handelsrechtlichen Zins würde den Staat nach einer Expertenschätzung mit einmalig ca. 20 Milliarden Euro belasten. Laufende Einnahmeverluste gäbe es dagegen nicht. Außerdem würde der Gesetzgeber die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Rechnungszins und den Marktzinsen abbauen. Eine momentan bestehende Ungleichheit, die sich nach Expertenmeinung seit geraumer Zeit zu einem verfassungsrechtlichen Problem entwickelt.

EEG-Umlage muss gerechter verteilt werden

Außerdem kann die Abgabenlast für Unternehmen weiter verbessert werden. Hierzu lohnt es sich, einen Blick in die Energiepolitik zu werfen. Eine zentrale Ungerechtigkeit im bestehenden Abgabensystem liegt in der Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Umlage). Vereinfacht gesagt wird von Stromkonsumenten ein Zuschlag erhoben, um damit den Ausbau von Erneuerbare-Energien-Anlage zu fördern.

Hiervon sind allerdings sog. stromintensive Unternehmen einzelner Branchen ganz oder teilweise befreit, damit sie im internationalen Wettbewerb bestehen können. Eine Befreiung kann bei einem Verbrauch von mindestens ein GWh pro Jahr gewährt werden.

Doch der mit den Ausnahmen verbundene Einnahmeausfall des Staates wird allen anderen Energieverbrauchern aufgebürdet. Wenn der Industriestandort Deutschland erhalten werden soll, profitieren weite Teile der Gesellschaft davon. Daher sollte die finanzielle Unterstützung auch durch die Allgemeinheit getragen werden, und nicht einer bestimmten Gruppe auferlegt werden. Der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstands plädiert daher für einen Ausgleich über das allgemeine Steueraufkommen.

Noch dazu weist das Bundeswirtschaftsministerium im Grünbuch „Energieeffizienz“ auf die Notwendigkeit zur Energieeinsparung hin. Unter dem Stichwort „Efficiency First“ sollen Investitionen in Effizienztechnologien gestärkt werden. „Wenn die Bundesregierung es hier ernst meint, erscheint das derzeitige System der Schwellenwerte wie aus der Zeit gefallen“, so Maeser. Steigert ein Unternehmen seine Energieeffizienz und fällt daraufhin unter einen Schwellenwert, wird es dafür durch die EEG-Umlage mit zusätzlichen Kosten „bestraft“. Folglich ist der Anreiz in mittleren Unternehmen für Effizienzinvestitionen gering. Denn hier steigt das Risiko, künftig in die EEG-Umlage mit einbezogen zu werden. Auf diesen Aspekt ist weder der Bundeswirtschaftsminister in der Haushaltsdebatte noch sein Ministerium im Grünbuch eingegangen.

Kampf gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen

Sofern die Politik Steuersenkungen beabsichtigen sollte, bliebe die Frage der Gegenfinanzierung. Was böte sich da mehr an, als zunächst diejenigen zu belasten, die derzeit wenig bis keine Steuern auf ihre Gewinne in Deutschland zahlen? Die OECD hat hierzu umfangreiche Vorschläge vorgelegt, die EU und Bund nun umsetzen müssen. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt die beabsichtigten Maßnahmen.

„Wichtig dabei ist, dass die Umsetzungsmaßnahmen dort keinen zusätzlichen administrativen Aufwand verursachen, wo das Risiko von Gewinnverlagerungen ins Ausland schon heute sehr niedrig ist – nämlich beim lokalen Mittelstand“, rät der Finanzexperte des Spitzenverbandes. Denn neue Berichtspflichten können auch den Mittelstand treffen. Zum Beispiel moniert DER MITTELSTANDSVERBUND, dass der hierzu vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Verpflichtung des sog. Country-by-County Reportings ab einem Konzernumsatz von 750 Mio. Euro für alle Konzerne mit ausländischer Betriebsstätte vorsieht. Auf den Aspekt, dass diese Schwelle z.B. in Handelsunternehmen relativ schnell erreicht sei, weist der Spitzenverband schon länger hin.

Auch bei der Steuerfestsetzung gilt: Wenn alle Steuerzahler einen fairen Anteil zum Gemeinwesen beitragen, könnte der Gesetzgeber letztlich die Last für alle gleichermaßen reduzieren. Deswegen plädiert DER MITTELSTANDSVERBUND dafür, die bereits eingebrachten Gesetzentwürfe für Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und –verlagerungen zügig zu verabschieden und mit der Umsetzung rasch zu beginnen.

Finanziert die Bundesregierung Steuersenkungen durch zusätzliche Einnahmen von Konzernen, die sich momentan noch mit Steuervermeidungsstrategien einen Vorteil verschaffen, würde sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie würde sowohl für fairere Wettbewerbsbedingungen sorgen, als auch mit niedrigeren Steuerlasten für alle, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland entschieden ausbauen. Hierfür setzt sich der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes weiterhin ein – auch über das Haushaltsjahr 2017 hinaus.

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