Koalitionsvertrag-Check: Steuerpolitik

In wenigen Politikfeldern gingen die Wahlprogramme der Parteien so stark auseinander wie in der Steuerpolitik. Dies hat sich merklich auf die Koalitionsverhandlungen der Ampel-Parteien ausgewirkt und sorgt in vielen Punkten für ein Festhalten am Status Quo bei der Unternehmensbesteuerung. Auf Grundlage des vorliegenden Koalitionsvertrags wird es keine Steuererhöhungen geben. Echte steuerliche Entlastungen dürften gleichwohl ebenfalls begrenzt bleiben.

Berlin, 25.11.2021 – In unserer mehrteiligen Beitragsreihe zum gemeinsamen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung bewerten wir die verschiedenen Vorhaben von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nach den Themenschwerpunkten, die besondere Relevanz für die mittelständischen Unternehmen haben. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zur politischen Agenda der neuen Ampel-Koalition sowie deren Auswirkungen auf den kooperierenden Mittelstand bieten.

Mehr Digitalisierung und Abbau von Bürokratie in der Steuerverwaltung

Deutscher Bundestag, BerlinDie neue Bundesregierung möchte generell die Steuerbürokratie spürbar verringern und durch die stärkere Nutzung digitaler Verfahren den Steuerpflichtigen die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten erleichtern, z.B. durch mehr vorausgefüllte Steuererklärungen. Insgesamt soll die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens konsequent vorangetrieben werden – mit dem Ziel, dass sämtliche steuerliche Regelungen grundsätzlich auch digital umsetzbar sind und die gesamte Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung digital erfolgen kann. Diese Zielsetzung ist ausdrücklich zu begrüßen, findet aber vorerst ihre Grenzen an dem allgemein mangelnden Fortschritt bei der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung möchten die Ampel-Parteien die Steuerprüfung über verbesserte Schnittstellen, Standardisierung sowie den Einsatz neuer Technologien modernisieren und beschleunigen. Das Verfahren für Steuerprüfungen ist grundsätzlich modernisierungsbedürftig. Entsprechende Anpassungen sollten aber unbedingt die Belange der – insbesondere mittelständischen – Unternehmen berücksichtigen.

Moderate, aber kleinteilige Entlastungen möglich

Die Ampel-Koalition möchte eine befristete Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter einführen, die es den Steuerpflichtigen in den Jahren 2022 und 2023 ermöglicht, einen Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten der im jeweiligen Jahr angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in besonderer Weise diesen Zwecken dienen, vom steuerlichen Gewinn abzuziehen. Diese explizit als „Superabschreibung“ bezeichnete Investitionsprämie wäre damit aber auf ganz bestimmte Zwecke begrenzt, von deren konkreter Definition auch ihr Entlastungspotenzial für die Unternehmen abhängt. Da sie zudem nur für zwei Jahre gelten soll und Investitionen in klimafreundliche Wirtschaftsgüter bereits durch andere Maßnahmen subventioniert werden, ist noch fraglich, ob der Effekt der „Superabschreibung“ ihrem erklärten Anspruch gerecht werden wird.

Darüber hinaus soll die unlängst erweiterte steuerliche Verlustverrechnung zeitlich bis Ende 2023 verlängert und der Verlustvortrag bzw. Verlustrücktrag auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausweitet werden. Mit dieser kleinen Maßnahme könnte die Verlustverrechnung für Unternehmen mit wirtschaftlichen Verlusten noch einmal deutlich wirksamer werden. Zudem wäre diese Anpassung mit Blick auf die länger als ursprünglich angenommen andauernde Corona-Krise sehr angemessen. Deswegen hatte sich DER MITTELSTANDSVERBUND in der Vergangenheit mehrfach für eine weitere Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung ausgesprochen, die nun erfreulicherweise erfolgen soll.

Mit dem Ziel einer verbesserten Eigenkapitalausstattung der Unternehmen möchten die Ampel-Parteien zudem das gerade erst eingeführte Optionsmodell zur Körperschaftsbesteuerung und die bestehende Thesaurierungsbegünstigung evaluieren und prüfen, inwiefern praxistaugliche Anpassungen erforderlich sind. Hier bestünden Spielräume zu Anpassungen und Entlastungen im Sinne der Unternehmen, da die bisherigen Regelungen relativ restriktiv und bürokratisch ausfallen. Zur genaueren Beurteilung sind aber konkrete Gesetzesinitiativen abzuwarten.

Vorerst keine Anpassung des Einkommen- und Körperschaftsteuertarifs

Eine deutliche Leerstelle findet sich im Koalitionsvertrag in Bezug auf strukturelle Anpassungen bei der Einkommen-, Körperschaft- sowie Gewerbesteuer. Auch wenn sich große Teile der Wirtschaft – darunter selbstverständlich auch DER MITTELSTANDSVERBUND – vor der Bundestagswahl für strukturelle steuerliche Entlastungen zugunsten der Unternehmen ausgesprochen hatten, haben diese – von den oben genannten sehr begrenzten Maßnahmen abgesehen – keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Dies ist mit Blick auf die angespannte Haushaltslage sowie die inhaltlichen Differenzen zwischen den Ampel-Parteien zwar nachvollziehbar. Dennoch ist es vor dem Hintergrund, dass gerade die mittelständischen Unternehmen in Deutschland einer verhältnismäßig hohen Steuerbelastung unterliegen und durch die Corona-Krise zusätzlich geschwächt sind, bedauerlich.

Allerdings erscheint es gut denkbar, dass die neue Bundesregierung insbesondere den Einkommensteuertarif einer strukturellen Anpassung unterziehen würde, sofern das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil das Fortbestehen des Solidaritätszuschlags für einen Teil der Steuerpflichtigen für nicht verfassungskonform erklärt. Da in diesem Fall substanzielle Mindereinnahmen kompensiert werden müssten, könnte dies aber auf eine Anhebung des Spitzensteuersatzes hinauslaufen. Diese Entwicklungen sind gleichwohl abzuwarten und dann eingehend zu prüfen.

Mehr Einsatz gegen Steuervermeidung und Umsatzsteuerbetrug

Ein erklärtes Ziel der neuen Bundesregierung ist ein noch entschiedenerer Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug auf globaler Ebene. So soll die bereits eingeführte Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen auch auf nationale Steuergestaltungen von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro ausweitet werden. Zudem werde man sich weiter aktiv für die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung einsetzen. Diese Zielsetzung ist gerade mit Blick auf die Lage des Bundeshaushalts verständlich und wäre potenziell geeignet, die Steuereinnahmen in einem begrenzten Ausmaß zu erhöhen.

In diesem Zusammenhang will die Ampel-Koalition explizit auch den Kampf gegen Umsatzsteuerbetrug in Zusammenarbeit mit anderen Ländern intensivieren. Dazu möchte man schnellstmöglich und bundesweit einheitlich ein elektronisches Meldesystem einführen, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird. So soll die Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems erheblich verringert werden. Auf EU-Ebene wird ein endgültiges Mehrwertsteuersystem angestrebt (z. B. Reverse-Charge). An dieser Stelle verfolgt die neue Bundesregierung ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Nicht nur die Einführung eines bundesweiten elektronischen Meldesystems für Rechnungen und die darin enthaltene Umsatzsteuer stellt ein komplexes Projekt dar, sondern auch die Einigung auf ein EU-weites endgültiges Mehrwertsteuersystem dürfte nicht einfach werden. Im grenzüberschreitenden Handel in der EU bestehen in der Tat Schwierigkeiten für Unternehmen sowie Privatkunden, die sinnvollerweise angegangen werden müssen. Gleichzeitig muss bei allen neuen Anläufen in dieser Richtung die Praktikabilität gerade für kleine und mittlere Unternehmen gewahrt bleiben. Dies gilt auch für ein weiteres im Koalitionsvertrag enthaltenes Vorhaben der Koalition: So möchte man gemeinsam mit den Ländern die Einfuhrumsatzsteuer weiterentwickeln, um im europäischen Wettbewerb gleiche Bedingungen zu erreichen.

Nachhaltigere steuerliche Förderung von Fahrzeugen

Die Ampel-Parteien planen, die steuerliche Förderung von Kraftfahrzeugen – darunter nicht zuletzt Dienstwagen – stärker auf tatsächlich nachhaltige Antriebe auszurichten. Größere Änderungen deuten sich hier bei den sogenannten Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen an. Genauso wie die Innovationsprämie zur Unterstützung der Anschaffung elektrischer PKW ab 1. Januar 2023 nur für Kraftfahrzeuge ausgegeben werden soll, die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben – der nur über einen elektrischen Fahranteil und eine elektrische Mindestreichweite definiert wird –, so soll auch bei der Dienstwagenbesteuerung ein vergleichbarer Ansatz verfolgt werden: Die bestehende Besserstellung von Plug-In-Hybridfahrzeugen soll dabei für neu zugelassene Fahrzeuge stärker auf die rein elektrische Fahrleistung ausgerichtet werden. Hybridfahrzeuge sollen zukünftig nur noch privilegiert werden, wenn das Fahrzeug zu mehr als 50 Prozent im rein elektrischen Fahrantrieb betrieben wird. Wird das Fahrzeug nicht überwiegend im elektrischen Fahrbetrieb genutzt oder der rein elektrische Fahranteil nicht nachgewiesen, entfällt der Vorteil und die Nutzung des Dienstwagens wird regelbesteuert. Dies ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Ausrichtung des Koalitionsvertrags auf nachhaltige Investitionen folgerichtig. Die Unternehmen sollten diesen Ansatz daher mit Blick auf ihre zukünftige Dienstwagenflotte berücksichtigen, damit steuerliche Vorteile weiterhin genutzt werden können.

Darüber hinaus soll aber mit der Umsetzung der EU-Energiesteuerrichtlinie, die u. a. die steuerliche Angleichung von Dieselkraftstoff und Benzin vorsieht, auch die derzeitige steuerliche Behandlung von Dieselfahrzeugen in der Kfz-Steuerüberprüft werden. Hier sind die Details der Umsetzung abzuwarten, auch wenn ohnehin die Anschaffung nicht-elektrisch betriebener Dienstwagen in vielen Fällen zunehmend weniger lohnend erscheint.

Weitere sinnvolle Einzelmaßnahmen

Im Koalitionsvertrag finden sich auch einige interessante Einzelmaßnahmen, die durchaus positiv zu bewerten sind. So möchte die Ampel-Koalition die bestehenden steuerrechtlichen Hürden für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen durch eine rechtssichere, bürokratiearme und einfache Regelung beseitigen, um so die Vernichtung dieser Waren zu verhindern. Die angesprochenen steuerrechtlichen Hürden sind schon lange Gegenstand der steuerrechtlichen Diskussion, da Sachspenden grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen, was die unentgeltliche Abgabe von Waren oftmals finanziell wenig attraktiv macht. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn hier tatsächlich eine umfassende Lösung gefunden werden könnte, die zudem mit dem EU-Recht vereinbar ist. Denn die grundsätzliche Spendenbereitschaft ist gerade bei den Unternehmen des kooperierenden Mittelstands aufgrund ihrer lokalen Verwurzelung sehr ausgeprägt.

Auch will die neue Bundesregierung den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglichen, um den Erwerb selbst genutzten Wohneigentums zu erleichtern. Zur Gegenfinanzierung sollen „steuerliche Schlupflöcher“ beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals) geschlossen werden. Nicht nur mit Blick auf potenzielle Immobilienkäufer, sondern auch mit Blick auf die baunahen Dienstleistungen wäre eine Absenkung der Grunderwerbsteuer sinnvoll, damit mehr Menschen ihren Wunsch nach selbstgenutztem Wohneigentum verwirklichen können. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Länder bereits jetzt die Möglichkeit haben, den Grunderwerbsteuersatz selbst festzulegen. Eine weitere Flexibilisierung würde damit nicht zwingend zu einer strukturellen Senkung in der Breite führen, da den Ländern hierdurch auch Steuereinnahmen entgehen würden.

Schließlich möchten die Ampel-Parteien die Mitarbeiterkapitalbeteiligung finanziell attraktiver gestalten, u. a. durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung stellt ein sinnvolles Instrument dar, das den Vermögensaufbau sowie die private Altersvorsorge der Beschäftigten adäquat ergänzen kann. Auch im Sinne der Beschäftigten mittelständischer Unternehmen sowie der Unternehmen selbst sind daher weitere steuerliche Anreize in dieser Richtung begrüßenswert.

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