MITTELSTANDSVERBUND begrüßt Pläne der EU-Kommission für Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne

Die EU-Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Mindestbesteuerung insbesondere großer multinationaler Konzerne vorgelegt. Ziel ist es, der Steuervermeidung dieser Unternehmen einen Riegel vorzuschieben. Zu dem Vorschlag wurde eine Konsultation eröffnet, an der sich DER MITTELSTANDSVERBUND über seinen europäischen Dachverband beteiligt hat.

Brüssel/Berlin, 14.02.2022 – Am 22. Dezember 2021 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates veröffentlicht, mit der eine effektive Mindestbesteuerung multinationaler Konzerne bzw. großer Unternehmen in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll. Dieser Vorschlag stellt einen entscheidenden Schritt zur Umsetzung der im vergangenen Jahr im Rahmen der OECD/G20 getroffenen Vereinbarung über eine globale Steuerreform dar. Mit dem Vorschlag würde grundsätzlich ein effektiver Steuersatz von mindestens 15 % bei der Unternehmensbesteuerung in allen EU-Mitgliedstaaten festgelegt werden. Ergänzend dazu soll perspektivisch ein zweiter Vorschlag über die Neuzuweisung von Besteuerungsrechten an den Gewinnen der größten multinationalen Unternehmen vorgelegt werden. Die zwischenzeitig verfolgten Pläne für eine EU-weite Digitalsteuer sollen in diesem Zusammenhang fallen gelassen werden. An einer derzeit laufenden Konsultation der Interessenträger zu diesem Vorschlag hat sich DER MITTELSTANDSVERBUND über seinen europäischen Dachverband Independent Retail Europe beteiligt.

Steuervermeidung multinationaler Konzerne soll wirksam bekämpft werden

Hintergrund des Kommissionsvorschlags ist eine Problemlage, die bereits seit mehreren Jahren im Fokus der politischen Diskussion steht: Insbesondere große Konzerne, die internationale Online-Plattformen betreiben und hierüber auch in Europa beträchtliche Einnahmen generieren, stehen – durchaus zu Recht – in dem Ruf, ihre Gewinne nicht in angemessenem Umfang zu versteuern. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Besteuerung in vielen Fällen nur am Ort des Unternehmenssitzes erfolgt – nicht aber am Ort der Wertschöpfung. Oftmals ergibt sich dabei gerade aus europäischer Perspektive eine unbefriedigende Situation, bei der die Gewinne multinationaler Konzerne kaum in Europa – oder nur in solchen Mitgliedstaaten mit besonders niedrigen Steuersätzen – versteuert werden. Diese Entwicklung hat nicht nur für die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten Nachteile, sondern sorgt auch für eine Verzerrung des Wettbewerbs zulasten europäischer Unternehmen, die vollumfänglich der Besteuerung unterliegen und sich dieser auch nicht durch entsprechende Gestaltungen entziehen wollen. Hier soll der vorliegende Vorschlag Abhilfe schaffen und eine Mindestbesteuerung in den EU-Mitgliedstaaten sicherstellen.

Ein Mindeststeuersatz für alle großen Unternehmen

Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates orientiert sich an der OECD/G20-Vereinbarung des Jahres 2021 und hat zum Ziel, die darin enthaltene zweite Säule eines Mindeststeuersatzes von 15 % in der EU zu implementieren. Gleichzeitig weicht der Vorschlag hinsichtlich des Geltungsbereichs hiervon ab, indem – zur Vermeidung einer Diskriminierung von international tätigen Unternehmen – auch große nationale Unternehmen von der Mindestbesteuerung erfasst werden sollen. Konkret umfasst der Vorschlag folgende Elemente:

  • Einführung eines effektiven Mindeststeuersatzes von 15 % für a) Unternehmen, die zu einem multinationalen Konzern gehören, sowie b) für große nationale Unternehmen, deren jährliche Gesamterträge mehr als 750 Mio. € betragen und die entweder eine Muttergesellschaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben.
  • Ein Land, das diesen Mindeststeuersatz nicht anwendet, wird als „Niedersteuerland“ angesehen und unterliegt gemäß der Richtlinie bestimmten Vorschriften für die Anwendung einer „Top-up-Steuer“ (siehe unten).
  • Der Mindeststeuersatz wird pro Steuergebiet festgestellt, indem die von einem Unternehmen in dem Gebiet gezahlten Steuern durch ihre Einkünfte geteilt werden.
  • Wenn der effektive Mindeststeuersatz für die Unternehmen in einem bestimmten Steuergebiet unter dem Mindestsatz von 15 % liegt, gelten die Säule-2-Regeln. Die Muttergesellschaft des Konzerns wird nachbesteuert, damit der effektive Satz von 15 % erreicht wird. Dies wird als „Income Inclusion Rule“(IRR; Hinzurechnungsbesteuerung) bezeichnet. Die IRR ist auf Ebene der Muttergesellschaft dort anzuwenden, wo diese als steuerlich ansässig anzusehen ist.
  • Zum Schutz der nationalen Steuerhoheit können dieEU-Mitgliedstaaten jeweils entscheiden, die Top-up-Steuer national auf Geschäftseinheiten anzuwenden, die in ihrem Gebiet niedergelassen sind. Dann wird die Top-up-Steuer dem Niedrigsteuerland zugeordnet und auch dort erhoben und keine zusätzliche Steuer auf Ebene der obersten Muttergesellschaft des Konzerns erhoben. Wenn sich ein EU-Mitgliedstaat für diese Option entscheidet, ist die Höhe der von der obersten Muttergesellschaft zu zahlenden Top-up-Steuer, um die Höhe der von den Geschäftseinheiten zu zahlenden Top-up-Steuer zu reduzieren.
  • Die Richtlinie sieht auch eine Unterbesteuerungsregel (UTPR; Undertaxed Payment Rule) vor. Demnach ist die UTPR anzuwenden, wenn die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz in einem Land außerhalb der EU hat, dass die IRR nicht umgesetzt hat. Außerdem sieht die Richtlinie vor, dass die UTPR auch anzuwenden ist, wenn die oberste Muttergesellschaft ihren Sitz in einem Nicht-EU-Land hat, das die IRR umgesetzt hat, doch niedrig besteuert ist. Auf Basis der UTPR wird die Top-up-Steuer entsprechend dem Steuergebiet der obersten Muttergesellschaft allen Geschäftseinheiten zugeordnet, die die UTPR implementiert haben, einschließlich der Geschäftseinheiten mit Sitz in einem Mitgliedstaat.

Mindestbesteuerung allein schafft keine Wettbewerbsgerechtigkeit

Der inhaltliche Ansatz, den die Kommission mit ihrem Vorschlag verfolgt, ist aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES im Grundsatz ausdrücklich zu begrüßen. Denn die Steuervermeidung multinationaler Konzerne stellt – gerade mit Blick auf den E-Commerce – eine ernsthafte Wettbewerbsverzerrung zulasten europäischer, in den Mitgliedstaaten ansässiger Unternehmen dar. Große internationale Plattformen im Online-Handel können hierdurch ihre dominierende Position noch weiter ausbauen. Ein effektiver von den Mitgliedstaaten wirksam durchgesetzter Mindeststeuersatz könnte somitfür mehr Gerechtigkeit sorgen. Aus deutscher Perspektive sind zudem keine negativen Auswirkungen für die Besteuerung in Deutschland ansässiger mittelständischer Unternehmen zu erwarten, da die in Deutschland geltenden Steuersätze bei der Körperschafts- und Einkommensbesteuerung ohnehin höher liegen.

Allerdings sollte der Vorschlag im Zuge der gleichzeitigen Berücksichtigung großer nationaler Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen das eigentliche Ziel nicht aus dem Blick verlieren: Denn es ist offensichtlich, dass vor allem multinationale Konzerne und ihre Tochtergesellschaften in den vergangenen Jahren in besonderem Maße Steuervermeidung betrieben haben. Um tatsächliche Wettbewerbsgerechtigkeit gegenüber den mittelständischen Unternehmen zu erreichen, wird die Mindestbesteuerung allerdings nicht ausreichen. Denn in den meisten EU-Mitgliedstaaten liegen die Unternehmenssteuersätze schon jetzt bei deutlich über 15 %, sodass sich dort nicht viel ändern dürfte. Daher darf die EU-Kommission über den Vorschlag hinaus nicht nachlassen, auch durch weitere politische Initiativen gegen ungerechtfertigte Vorteile multinationaler Konzerne und für ein echtes Level Playing Field einzutreten. Dazu zählt neben einer effektiven Bekämpfung von Steuervermeidung insbesondere eine Weiterentwicklung des europäischen Wettbewerbsrechts, ein besserer Zugang zu Daten für mittelständische Unternehmen sowie die Sicherstellung der Einhaltung angemessener Arbeits- und Sozialstandards durch außereuropäische Unternehmen.

DER MITTELSTANDSVERBUND hat diese Hinweise zur Bewertung des grundsätzlich zielführenden Vorschlags an Independent Retail Europe übermittelt. Es ist zu hoffen, dass die Kommission sie im Rahmen der Konsultation berücksichtigt. Nach Abschluss der Konsultation und Anhörung des Europäischen Parlaments wird der Rat der Europäischen Union zeitnah über den Vorschlag entscheiden. Die EU-Mitgliedstaaten wären dann verpflichtet, die Vorschriften der Richtlinie bis zum 31. Dezember 2022 in nationales Recht umzusetzen. Bereits mit Beginn des Jahres 2023 – mit Ausnahme der Unterbesteuerungsregel – würde die Mindestbesteuerung dann in Kraft treten.

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