Nationaler Normenkontrollrat veröffentlicht Jahresbericht 2022 – Bundesregierung muss Bürokratieabbau endlich vorantreiben

Der Nationale Normenkontrollrat hat am 13. Dezember seinen diesjährigen Jahresbericht vorgelegt und stellt der Bundesregierung darin ein schlechtes Zeugnis aus: Der finanzielle Erfüllungsaufwand im Zuge neuer Gesetze hat sich deutlich erhöht, echte Entlastungen fehlen. Auch DER MITTELSTANDSVERBUND ermahnt die Bundesregierung deshalb dringend, endlich mehr Einsatz beim Bürokratieabbau zu zeigen.

Berlin, 14.12.2022 – Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) prüft seit dem Jahr 2006 die Bürokratiekosten, die aus neuer Gesetzgebung entstehen, und berät die Bundesregierung hinsichtlich besserer Rechtsetzung. Nun hat der NKR erstmals in der neuen Legislaturperiode und in neuer personeller Zusammensetzung seinen jährlichen Bericht vorgelegt. Am 13. Dezember 2022 übergab der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel den Jahresbericht 2022 an Bundesjustizminister Marco Buschmann. Die Zuständigkeit für den NKR war infolge des Regierungswechsels vom Bundeskanzleramt auf das Bundesministerium der Justiz (BMJ) übergegangen. An dieser Entscheidung der Ampel-Koalition hatte sich teilweise Kritik entzündet, da die geänderte Zuständigkeit als Zeichen einer geringeren Priorisierung der Arbeit des NKR gewertet wurde. Der NKR weist diese Lesart im Jahresbericht zurück und begreift die Anbindung an die fachliche Arbeit des BMJ stattdessen als Chance. Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES wird es abseits organisatorischer Zuständigkeiten vor allem darauf ankommen, ob die Bundesregierung die Empfehlungen und Bewertungen des NKR berücksichtigt und die Bürokratielasten tatsächlich verringert.

Finanzieller Erfüllungsaufwand ist deutlich gestiegen

Der Jahresbericht 2022 enthält ernüchternde Zahlen zum finanziellen Erfüllungsaufwand, der sich infolge der Gesetzgebung im Berichtszeitraum 2021/2022 ergibt: Der laufende Erfüllungsaufwand ist dabei für BürgerInnen, Wirtschaft und Verwaltung insgesamt auf rund 17,4 Mrd. Euro gestiegen. Dies bedeutet eine Zunahme zum vorherigen Zeitraum von rund 6,7 Mrd. Euro. Der NKR weist zwar darauf hin, dass sich fast 90 % dieser Zunahme auf die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zurückführen lassen. Doch auch bei Nichtberücksichtigung der Mindestlohnanhebung ist der Erfüllungsaufwand spürbar gestiegen. Gerade für die Wirtschaft zeigt sich eine sehr hohe Zunahme der Bürokratiekosten: Hier gab es einen Anstieg in Höhe von 6,4 Mrd. Euro auf nun 10,6 Mrd. Euro. Hierbei rächt sich insbesondere, dass mehreren Vorhaben mit belastender Wirkung im Berichtszeitraum kein Bürokratieentlastungsgesetz gegenüberstand – weder Ende der vergangenen Legislaturperiode noch im laufenden Jahr unter der amtierenden Bundesregierung.

Kaum Fortschritt bei der Digitalisierung der Verwaltung

Der NKR betont seit langem die Wichtigkeit einer umfassenden Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen, da hier ein entscheidender Hebel für den Abbau unnötiger Bürokratie liegt. Gemäß dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz (OZG) sollten bis Ende 2022 eigentlich alle relevanten Verwaltungsdienstleistungen flächendeckend digital nutzbar sein. Dieses Ziel wurde nicht einmal ansatzweise erreicht: Kurz vor Ende der Umsetzungsfrist wurden lediglich 33 von 575 Dienstleistungen flächendeckend digitalisiert. Der NKR macht als Hauptgrund für den mangelhaften Fortschritt die komplexen Koordinierungsstrukturen zwischen Bund, Ländern und Kommunen aus. Umso wichtiger sei nun ein Nachfolgegesetz für das OZG, bei dem aus den Versäumnissen der letzten Jahre gelernt werde. Für begrüßenswert hält der NKR demgegenüber den von der Bundesregierung beschlossenen Digitalcheck für neue Gesetze. Dieser soll freilich erst ab Januar 2023 greifen, sodass bisher keinerlei Erfahrungen vorliegen.

Krisengesetzgebung verhindert gründliche Prüfung

Darüber hinaus kritisiert der NKR nachdrücklich, dass die Bundesregierung bei Gesetzesentwürfen oftmals ihre eigene Geschäftsordnung missachtet und viel zu kurze Fristen für die Prüfung durch den NKR gewährt. Dies gilt ebenfalls für die Verbändebeteiligung, die vielfach ebenfalls zur reinen Formsache wird. Begründet werden die kurzen Fristen in den vergangenen Jahren in der Regel mit besonderer Dringlichkeit im Rahmen der Krisenbewältigung. Der NKR hat allerdings ermittelt, dass von den 65 Regelungsvorhaben mit sehr kurzer Frist von maximal drei Arbeitstagen lediglich ein Drittel einen Krisenbezug aufwies. Somit erscheint die Begründung der Bundesregierung in vielen Fällen vorgeschoben. Die unzureichende Prüfung und Beteiligung wirkt sich dabei nachteilig auf die Qualität der Gesetzesentwürfe aus.

Bekenntnis zum Bürokratieabbau muss vordringlich bleiben

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt den diesjährigen Jahresbericht des NKR ausdrücklich. Zwar können die Befunde nicht überraschen – DER MITTELSTANDSVERBUND hat z.B. die unzureichenden Fristen bei der Verbändebeteiligung und den insgesamt steigenden Bürokratieaufwand schon oft kritisiert. Dennoch müssen die Befunde umso nachdenklicher stimmen: Es gelingt der Bundesregierung zunehmend weniger, den Bürokratieaufwand gerade für die Wirtschaft wirksam zu begrenzen. Hierunter leiden insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Es ist zudem sehr bedauerlich, dass bisher – trotz der Ankündigung vor einem Jahr – kein Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV vorgelegt wurde, das ein Stück weit Abhilfe schaffen könnte. Hier müssen die zuständigen Bundesministerien endlich konkreter werden. Zudem sollten sie die Anregungen des NKR für eine bessere, digitalisierte Rechtsetzung ernst nehmen. Die bisherige Erfahrung zeigt leider, dass die Impulse des NKR oft genug unberücksichtigt blieben.

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