Nicht nur Bares ist Wahres - mit der Umsetzung der Gutscheinrichtlinie soll eine einheitliche Besteuerung von Gutscheinen im europäischen Binnenmarkt erreicht werden

Als Asa Griggs Candler, seinerzeit Besitzer von Coca-Cola, im Jahre 1887 kleine Zettel für ein kostenloses Glas Cola verteilen ließ, ahnte er sicher noch nicht, welche Ausmaße seine Idee weltweit annehmen wird. Aktuell jedenfalls sind Gutscheine Regelungsgegenstand der Gutscheinrichtlinie (EU) 2016/1065, die zum 01.01.2019 hierzulande in nationales Recht umgesetzt wurde und somit Auswirkungen auf das Umsatzsteuerecht hat.

Köln, 07.01.2019 - Nachdem eine einheitliche steuerliche Bewertung von im europäischen Binnenmarkt gehandelten Gutscheinen in den letzten Jahren nicht möglich war, soll die Gutscheinrichtlinie (EU) 2016/1065 eben dafür sorgen. Problemfelder waren zum einen Fragen der Definition – was genau ist ein Gutschein im steuerrechtlichen Sinne? – wie insbesondere auch der Zeitpunkt der Besteuerung. Die in den verschiedenen Staaten unterschiedlich praktizierten Handhabungen werden mit Umsetzung der Richtlinie vereinheitlich und sorgen so für die entsprechende Rechtssicherheit.

In Deutschland wird die Richtlinie durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften umgesetzt. Genauer: In § 3 Abs. 13 – 15 UStG - dort sind nun Definitionen zum Gutschein und der jeweilige Anwendungsbereich zu finden – sowie in § 10 Abs. 1 UStG, der die steuerliche Bemessungsgrundlage regelt.

Die Richtlinie 2016/1065 ändert die bereits bestehende Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwSt SystRL), sodass hinsichtlich der Definitionen auf diese Richtlinie zurückzugreifen war.

I. Definition von Gutscheinen

Artikel 30a MwSt SysRL definiert „Gutschein“, Einzweck-Gutschein“ und „Mehrwert-Gutschein“. Die Definitionen finden sich ebenfalls in § 3 Abs. 13 – 15 UStG wieder.

Ein Gutschein im Sinne dieser Richtlinie, Art. 30a Nr. 1, ist „ein Instrument, bei dem die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen, und bei dem die zu liefernden Gegenstände oder zu erbringenden Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind."

Gemäß den Erwägungsgründen der Gutschein-Richtlinie sind Preissnachlassgutscheine/Coupons, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen, Briefmarken und Zahlungsinstrumente von dieser Anwendung nicht umfasst.

Sofern ein Gutschein vorliegt, ist für die steuerrechtliche Betrachtungsweise weiterhin erheblich, ob ein Einzweck-Gutschein oder ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt.

Nach Artikel 30a Nr. 2 MwSt SysRL handelt es sich um einen Einzweck-Gutschein, wenn zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheines folgende Parameter bereits feststehen:

  • Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistung
  • für die Gegenstände oder Dienstleistung geschuldete Mehrwertsteuer

Stehen die Parameter fest, handelt es sich um einen Einzweck-Gutschein- dies gilt völlig unabhängig davon, ob mit dem Gutschein nur ein bestimmtes Produkt oder aber die komplette Produktpalette erworben werden kann, sofern alle Produkte gleich besteuert werden. Fehlt es an einem oder beiden Parameter, liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor. Die richtige Einordnung ist elementar, kommt es künftig bei der Besteuerung von Gutscheinen auf genau diese Klassifizierung an.

II. Zeitpunkt der Besteuerung

Am häufigsten diskutiert wurde in den letzten Jahren der Zeitpunkt der Besteuerung von Gutscheinen. Denkbar sind zwei Zeitpunkte:

  • Besteuerung im Zeitpunkt des Verkaufs des Gutscheines
  • Besteuerung zum Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheines

Bei dieser Frage wird die Notwendigkeit der neuen Richtlinie besonders deutlich: bisher haben die Finanzbehörden der EU-Mitgliedsstaaten sowohl die erste als auch die zweite Möglichkeit praktiziert, was logisch zur Doppel- oder auch Nichtbesteuerung führen konnte.

Nach der Gutschein-Richtlinie kommt es für den Zeitpunkt der Besteuerung nunmehr auf die Art der Gutscheine an.

  1. Bei dem Einzweck-Gutschein gilt gemäß Art. 30 b Abs. 2 MwSt SysRL bereits die Ausgabe des Gutscheines als Erbringung der Dienstleistung oder Übergabe der Gegenstände, zu der der Gutschein berechtigt. Die Steuer wird also mit Ausgabe und jeder Übertragung durch einen Steuerpflichtigen fällig – völlig unabhängig davon, wann der Gutschein tatsächlich eingelöst wird.

    Dies gilt – wie gesagt - völlig unabhängig davon, ob der Gutschein für ein bestimmtes Produkt oder aber für die gesamte Produktpalette eingelöst werden kann, wenn die Produkte alle gleichermaßen besteuert werden.

    Dies soll auch dann so gehandhabt werden, wenn derjenige, der den Gutschein in eigenem Namen ausgibt und jener, der die eigentliche Leistung erbringt, unterschiedliche Unternehmer sind. In dieser „Kommissionskonstellation“ entstehen zwei Steuervorfälle. Zunächst vom Leistungserbringer an den gutscheinausgebenden Unternehmer und sodann von diesen an den Endverbraucher, wobei der erste Steuervorfall auf eine Sekunde vor den zweiten fingiert werden soll.
  2. Bei dem Mehrzweck-Gutscheinen soll nun der Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheines entscheidend sein. Nach Art. 30b Abs. 2 MwSt SysRL lösen alle vorangegangenen Übertragungen des Mehrzweck-Gutscheines keine steuerbaren Vorgänge aus.

Diese Unterscheidungen dürften besonders in der Verbundgruppenszene von erheblichem Interesse sein.

Verkauft das Anschlusshaus A, welches Verbundgruppe der V-Elektronik angehört, einen Gutschein für ein USB-Radio, das auch nur im Anschlusshaus A abgeholt werden kann, liegt nach der oben genannten Definition ein Einzweck-Gutschein vor. Die Umsatzsteuer wird bei dem Verkauf des Gutscheines fällig.

Nicht ganz so einfach ist der Fall gelegen, dass die Verbundgruppenzentrale Gutscheine an Ihre Anschlusshäuser ausgibt, welche in sämtlichen Anschlusshäusern eingelöst werden können. Beispiel: Die Verbundgruppe V-Elektronik vergibt Gutscheine für USB-Radios an ihre Anschlusshäuser zum Verkauf an die Endkunden. Den Gutschein, den ein Endkunde bei dem Anschlusshaus A kauft, soll er auch im Anschlusshaus B einlösen können. Hier treffen sich zwei der oben beschriebenen Ausnahmen. Zum einen kann eine Kommissionskonstellation vorliegen, zum anderen eine Absatzförderung durch die Verbundgruppenzentrale.

Dass bei Ausgabe noch nicht bekannt ist, welches Anschlusshaus das USB-Radio letztlich tatsächlich ausgibt - der Ort der Lieferung bzw. Leistungserbringung steht noch nicht fest -, legt nahe, dass es sich um einen Mehrzweck-Gutschein handelt. Die Kommissionskonstellation scheidet daher aus.

Im Ergebnis bedeutet dies also, dass Umsatzsteuer für die Dienstleistung bzw. die Ware, zu der der Mehrzweck-Gutschein berechtigt, zum Zeitpunkt der Einlösung in einem Anschlusshaus fällig wird.

III. Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz

Dass die Verbundgruppenzentrale die Gutscheinsysteme organisiert und ggf. im Wege der Zentralregulierung abrechnet, führt nicht zu einer Erlaubnispflicht im Sinne des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG).

Denn § 2 Abs. 1 Nr. 10 a) ZAG regelt eine Ausnahme für solche Dienste, die auf Zahlungsinstrumenten beruhen, die für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen in den Geschäftsräumen des Emittenten oder innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern im Rahmen einer Geschäftsvereinbarung mit einem professionellen Emittenten eingesetzt werden.

Die Gesellschafterbeschlüsse bzw. die entsprechenden schuldrechtlichen Verträge in Verbundgruppen erfüllen das Kriterium der Geschäftsvereinbarung. Denn Grundlage des Systems sind Beschlüsse in den Gesellschafterversammlungen der Verbundgruppe oder entsprechende schuldrechtliche Verträge zwischen Verbundgruppenzentralen und Mitgliedern. In diesen werden die Einzelheiten des jeweiligen Gutscheinsystems – Maximalwerte, Warenumfang, Marketing, Abrechnung, Akzeptanz etc. vereinbart. Gesellschafter der Verbundgruppe sind regelmäßig die Mitglieder, die die Gutscheine im Anschluss auch an die Kunden ausgeben und annehmen. Da an dem Gutscheinsystem nur Mitglieder der Verbundgruppe teilnehmen können, ist auch die Tatbestandsvoraussetzung des begrenzten Netzes erfüllt.

Eine Definition zur Begrifflichkeit des „professionellen Emittenten“ findet sich in der ZAG nicht. Der Regierungsentwurf zu dem Gesetz stellt jedoch eine Erläuterung zur Verfügung. Demnach ist „professioneller Emittent derjenige, der als Dritter die kaufmännischen Voraussetzungen für die Aufgabe erfüllt, d.h. der für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Zahlung sorgt und die häufig vorab gezahlten Geldbeträge sorgfältig verwaltet“ (Regierungsentwurf, 134).

Diese Definition dürfte auf zentralregulierende Verbundgruppen-Zentralen ohne weiteres zutreffen. Doch auch die Verbundgruppen-Zentralen, die keine Zentralregulierung durchführen, werden bei Errichtung eines Gutscheinsystems über die kaufmännische und buchhalterische Kompetenz verfügen, für eine ordnungsgemäße Abwicklung Sorge zu tragen.

Entsprechend liegt bei der Implementierung eines Gutscheinsystems innerhalb einer Verbundgruppe der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a) ZAG vor, sodass keine Erlaubnispflicht besteht.

IV. Bemessungsgrundlage

Weiterhin in der Diskussion stand die Bemessungsrundlage der Umsatzsteuer. Bezüglich des Einzweck-Gutscheines ist auf § 10 Abs. 1 UstG zurückzugreifen, nachdem sich die Umsatzsteuer nach dem Entgelt richtet – also nach dem, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Da Identität zwischen dem ausgebenden und dem einlösenden Unternehmen besteht, ist die Höhe bekannt.

Wiederum liegt der Fall bei den Mehrzweckgutscheinen nicht so einfach.

Gibt die Verbundgruppen-Zentrale V-Elektronik Gutscheine für ein USB-Radio an ihre Anschlusshäuser aus, darf damit gleichwohl keine Preisbindung stattfinden.

Nach der Richtlinie kommt es bei den Mehrzweckgutscheinen – systemimmanent – darauf an, was der Endkunde für den Gutschein zahlt, fällt auch dann die Steuer erst an.

Verkauft nun das Anschlusshaus A den Gutschein zu einem Preis von 39,00 € (denn er verkauft die entsprechenden USB-Radios auch für 39,00 €) und löst der Kunde den Gutschein im Anschlusshaus B ein – welches das Radio aber für 34,95 € verkauft, muss in zwei Fallgestaltungen unterschieden werden.

Ist dem Anschlusshaus B bekannt, zu welchem Preis der Kunde den Gutschein erhalten hat, ist in richtiger Anwendung der MwSt SystRL (Art. 73a Halbsatz 1) und § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG die für den Gutschein gezahlte Gegenleistung bei der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, hier also 39,95 €.

Problematisch ist aber, was Bemessungsgrundlage sein soll, wenn dem Anschlusshaus B nicht bekannt ist, welchen Preis der Kunde für den Gutschein gezahlt hat. Die MwSt SystRL sagt dazu in Art. 73a, dass die Bemessungsgrundlage in Ermangelung von Information über den gezahlten Betrag „dem auf dem Mehrzweck-Gutschein selbst oder in den damit zusammenhängenden Unterlagen angegebenen Geldwert abzüglich des Betrags der auf die gelieferten Gegenstände oder die erbrachten Dienstleistungen erhobenen Mehrwertsteuer“ entspricht.

Dies hilft zum einen für den Fall weiter, dass ein Betrag auf dem Gutschein aufgedruckt ist – wie dies zum Beispiel bei Geschenkgutscheinen von Parfümerien und Drogerien sehr häufig anzutreffen ist. Dann wäre bei Unkenntnis des tatsächlich durch den Kunden gezahlten Betrages der Betrag als Grundlage zu nehmen, der auf dem Gutschein aufgedruckt ist. Gibt also das Anschlusshaus C (welches zur Parfüm-Verbundgruppe P gehört) einen 100,00 € Geschenkgutschein für 95,00 € an den Kunden K aus und löst der durch den K beschenkte Z diesen im Anschlusshaus D ein, werden Z und D nicht wissen, was K gezahlt hat. Entsprechend sind die aufgedruckten 100,00 € als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

Weiterhin hilft Artikel 73a dann weiter, wenn der durch den Kunden gezahlte Betrag den mit dem Gutschein zusammenhängenden Unterlagen zu entnehmen ist. Dies dürfte in aller Regel ein angehefteter Kassenbon sein. In dem Fall wäre dem Anschlusshaus D die durch den Kunden erbrachte Gegenleistung aber nicht mehr unbekannt. Letztlich entspricht es aber nicht der gängigen Praxis, dass Kassenbons an Geschenkgutscheine geheftet werden.

Ist also auf dem Gutschein kein Betrag aufgedruckt und liegen auch keine sonstigen Unterlagen bei, verbleibt letztlich nur noch die Möglichkeit, die Bemessungsgrundlage nach den jeweiligen Umständen im Einzelfall zu ermitteln. Dies kann sowohl der Betrag sein, für den z.B. das USB Radio im jeweiligen Anschlusshaus zum Zeitpunkt der Einlösung angeboten wird, wie auch die Zugrundelegung von unverbindlichen Preisempfehlungen. Über die Entwicklung im Rahmen der Rechtsprechung und/oder Stellungnahmen der Finanzbehörden dazu werden wir Sie auf dem Laufenden halten.

Im Ergebnis führt die neue Richtlinie hierzulande nicht zu gravierenden Änderungen. Dennoch ist eine sorgfältige Überprüfung des unternehmenseigenen Gutscheinangebotes geboten. Bezüglich der Nichteinlösung von Gutscheinen schweigt die Richtlinie. Dies erscheint problematisch: wird der Einzweck-Gutschein in jedem Fall besteuert – ob eingelöst oder nicht – der Unternehmer mithin steuerlich belastet, trifft den Verkäufer des Mehrzweckgutscheines diese Last nicht. Auch dazu wird DER MITTELSTANDSVERBUND die weitere Entwicklung im Blick behalten und Sie über Änderungen informieren.

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