Niedrigzins: Was Unternehmer jetzt wissen müssen

Zinsen für Unternehmenskredite sind zuletzt stark gefallen. Das könnte zur Ausweitung der Diskrepanz zwischen Soll- und Habenzinsen führen. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.

Berlin, 26.10.2016 – Im Grunde sind es paradiesische Zustände: Durch die gefallenen Zinsen sind die Finanzierungskosten für Unternehmen seit mehreren Jahren auf historischen Tief. Und auch der Ausblick scheint soweit rosig: Auf absehbare Zeit deutet sich keine maßgebliche Änderung der Geldpolitik an. Alles in bester Ordnung, könnte man meinen. Doch ein genauer Blick zeigt: Fallende Zinsen für Unternehmen könnten bald an ihre Grenzen stoßen.

Floor-Klauseln benachteiligen Kreditnehmer

DER MITTELSTANDSVERBUND fordert Sensibilität der BankenHintergrund sind sogenannte Floor-Klauseln in Kreditverträgen. Diese befinden sich häufig bei Neuabschlüssen in gängigen Krediten mit variabler Verzinsung. Dabei handelt es sich um einen Kredit mit einem Zins, der automatisch z.B. alle drei Monate angepasst wird. Der Zins für den Kreditnehmer setzt sich dabei aus einem z.B. von der EZB ermittelten, laufzeitgerechten Referenzzins (sog. EURIBOR) und einer individuellen Kreditmarge zusammen.

In jüngerer Vergangenheit sind diese Referenzzinsen teilweise negativ. Das bedeutet, dass im Extremfall Banken sogar Zinsen an ihre Kreditnehmer zahlen müssten. Dem wird nun in den Kreditverträgen häufig ein provisorischer Riegel vorgeschoben. Bei Neuabschlüssen wird oftmals festgelegt, dass der Kreditnehmer bei einem negativen Referenzzins anstatt des negativen Zinses einen Satz von 0,00 Prozent zzgl. der Kreditmarge an die Bank zahlt.

Auf der Anlageseite sind derartige Floor-Klauseln bisher nicht gängige Praxis. In Einzelfällen berichteten Medien bereits, dass Banken für bestimmte Kundengruppen Negativzinsen eingeführt haben. DER MITTELSTANDSVERBUND betrachtet diese Asymmetrie mit Sorge. Noch müssen Unternehmen auf Einlagen flächendeckend keine Strafzinsen zahlen. Bisher also so weit so gut.

Sollten aber die Zinsen auf Kredite nicht stagnieren, während Einlagezinsen weiter fallen, käme es zu einer Ausweitung der sog. Zinsspanne zwischen Soll- und Habenzins. Damit können erhebliche Belastungen im Zinsergebnis der Wirtschaftsunternehmen einhergehen.

Wettbewerb intelligent nutzen

Besonders diffizil wäre es, wenn diese Ausweitung bestehen bliebe, nachdem sich die Zinsen wieder zurück in ein solides, positives Umfeld bewegt hätten. Diese Mehrbelastung würde vor allem den Mittelstand hart treffen. Daher ist von Seiten der Banken hier Sensibilität gefragt. Im Sinne guter Kundenbeziehungen sollten die Banken die gegenwärtige, außergewöhnliche Zinssituation nicht für ungerechtfertigte Margenausweitungen ausnutzen. Es lohnt sich, sowohl bei Finanzierungsanfragen als auch beim Asset Management regelmäßig verschiedene Angebote einzuholen.

Gestiegene Kosten sind zweifellos ein Ärgernis. Doch Unternehmen sollten bei Ihren Finanzierungsüberlegungen nicht ausschließlich auf das Preisschild achten. Viel wichtiger ist es, einen Partner zu haben, der auch in Krisenzeiten zum Unternehmen steht. Wie sieht die Kreditstrategie der Bank aus? Wie verhält sich das Institut, wenn die Geschäftslage abflaut? Gibt es hierzu bereits Erfahrungswerte aus der Vergangenheit? Zeigen die verantwortlichen Berater eine persönliche Verlässlichkeit in Verhandlungen? Richtig ist, dass sich durch einen Bankwechsel vor allem in guten Zeiten einige Zinsen sparen lassen. Doch Vorsicht ist geboten, wenn eine erratische Geschäftspolitik der Bank die zukünftige Finanzierung gefährden könnte.

Stets das Risikomanagement im Blick behalten

Andererseits müssen Unternehmen auch im Risikomanagement ihre Hausaufgaben machen. Wer sich variabel finanziert, hat zwar eine größere Flexibilität bei der Kreditrückzahlung. Andererseits besteht ein Zinsänderungsrisiko, dass häufig durch Zinssicherungsgeschäfte (z.B. sog. Zinsswaps u.a.) abgesichert werden kann. Wenn ein Kreditgeschäft verlängert oder modifiziert wird, ist es wichtig auch die Zinssicherung „passgerecht“ einzujustieren.

Auch bei einer Verlängerung von Zinssicherungen sollte vorher noch mal ein Blick in die bestehenden Kreditverträge geworfen werden. Im Zweifel sollten Unternehmen ihren Bankberater auf die bestehenden Verträge hinweisen. Das gilt insbesondere, wenn der Kredit und die dazugehörige Zinssicherung bei unterschiedlichen Häusern abgeschlossen worden sind.

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