Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Handel: Regelungen zum One-Stop-Shop in Kraft getreten

Die Umsatzbesteuerung von Waren im grenzüberschreitenden Handel war stets komplex. Zum 1. Juli sind nun umfassende Änderungen wirksam geworden, die vor allem für den Online-Handel innerhalb der EU relevant sind. Für die Unternehmen könnte es damit teilweise einfacher werden.

Berlin, 27.07.2021 – Am 1. Juli 2021 sind die Bestimmungen der zweiten Stufe des sogenannten „Mehrwertsteuer-Digitalpakets“ in der EU in Kraft getreten. Die entsprechende EU-Richtlinie wurde im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 – neben zahlreichen anderen steuerrechtlichen Anpassungen – in deutsches Recht umgesetzt. Ein halbes Jahr später sind die umfassenden Änderungen, die große Relevanz für den grenzüberschreitenden Online-Handel in der EU haben, nun wirksam geworden. Damit müssen sich Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, auf neue umsatzsteuerliche Regelungen einstellen. Diese haben das Ziel, die entsprechenden Bestimmungen EU-weit zu vereinheitlichen und die große Komplexität der grenzüberschreitenden Umsatzbesteuerung zu verringern. Auch wenn letzteres nur teilweise gelungen ist, wird durch die neuen Regelungen für Unternehmen einiges einfacher. 

Die neuen Regelungen betreffen insbesondere die Besteuerung der Lieferung von Waren im B2C-Handel – also an definierte Endverbraucher, die keine Unternehmen sind – zwischen verschiedenen EU-Staaten. In diesem Kontext wird u.a. die Möglichkeit für deutsche Unternehmen eingeführt, die in einem anderen EU-Staat steuerpflichtigen Umsätze mit den definierten Endverbrauchern im EU-Ausland und die daraus resultierende ausländische Umsatzsteuer zentral in Deutschland über eine Schnittstelle zu deklarieren sowie zu entrichten (One-Stop-Shop). Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick:

Neue Umsatzschwelle beim grenzüberschreitenden Handel

Grundsätzlich gilt weiterhin, dass Leistungen in dem Staat, in dem der Verbrauch stattfindet, zu besteuern sind (Bestimmungslandprinzip). Bisher konnte das Unternehmen die Umsätze allerdings der nationalen Umsatzsteuer unterwerfen und in der nationalen Steuererklärung deklarieren, sofern bestimmte Lieferschwellen in einem anderen EU-Staat nicht überschritten wurden. Somit fand die Besteuerung in diesen Fällen in dem Staat statt, in dem das Unternehmen seinen Sitz hatte, ohne dass eine Registrierung in einem anderen EU-Staat nötig war.

Die bisherigen Lieferschwellen für den Versandhandel (neu: „innergemeinschaftlicher Fernverkauf“) sind zum 1. Juli entfallen. Für Umsätze aus Fernverkäufen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen bzw. elektronischen Dienstleistungen gilt dann nur noch eine einheitliche geringe Umsatzschwelle. Soweit der Händler im laufenden oder im vorangegangenen Kalenderjahr Umsätze an definierte Endverbraucher im EU-Ausland oberhalb der Umsatzschwelle von 10.000 Euro netto pro Jahr tätigt, sind die Umsätze im jeweiligen EU-Ausland zu besteuern, in dem der Verbrauch stattfindet. Unverändert gilt das Recht auf eine Option zur freiwilligen Besteuerung im EU-Ausland, auch wenn die Umsatzschwelle nicht überschritten wird.

One-Stop-Shop als neues Meldeverfahren

Zum 1. Juli 2021 wurde der bereits existierende sogenannte „Mini-One-Stop-Shop“ (MOSS) zum „One-Stop-Shop“ (OSS) erweitert. Dessen Prinzip ist eine zentrale Deklaration der ausländischen Umsatzsteuer von im EU-Ausland gegenüber den definierten Enderbrauchern erbrachten Leistungen über ein nationales Portal und die zentrale Entrichtung der geschuldeten Umsatzsteuer im eigenen EU-Staat. Unternehmen, die im grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Versandhandel („Fernverkauf”) tätig sind, können von den Vorteilen des One-Stop-Shop-Verfahrens als neuem Erfassungs- und Meldeverfahren profitieren. Das One-Stop-Shop-Verfahren ist bereits seit 1. April 2021 möglich. Die Antragstellung für die Teilnahme am Verfahren erfolgt in Deutschland beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Das BZSt stellt auf seiner Homepage auch weitere Informationen bereit.

Im Bereich der Fernverkäufe aus Drittländern bzw. Drittgebieten entfällt darüber hinaus die derzeitige Umsatzsteuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinsendungen bis 22 Euro. Stattdessen gilt ein neues System der Besteuerung von Warensendungen bis 150 Euro (netto), wofür das eigenständige sogenannte „Import-One-Stop-Shop“-Verfahren (IOSS) Anwendung finden kann. Hintergrund des neuen Verfahrens ist, dass seit dem 1. Juli 2021 alle Einfuhren nach Deutschland unabhängig von ihrem Sachwert grundsätzlich der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen. Es ist dabei zwingend eine Zollanmeldung abzugeben. Die Einfuhr kann steuerfrei gestellt werden, wenn diese Fernverkaufsumsätze vom Unternehmen im Rahmen des IOSS gemeldet werden.

Klarheit trotz Komplexität

Die neuen Regelungen sind aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES grundsätzlich zu begrüßen. Zwar wird dadurch die Komplexität der Umsatzbesteuerung grenzüberschreitender Warenlieferungen insgesamt nur geringfügig verringert. Dennoch bringen die neuen Verfahren mehr Klarheit und vereinheitlichen die abweichenden bisherigen Regelungen. Davon können auch die mittelständischen Unternehmen im grenzüberschreitenden Handel profitieren. Dabei ist zu beachten, dass die neuen Regelungen vor allem bei den Unternehmen zu Anpassungen der Geschäftsabläufe führen werden, die bisher auf Basis der alten Versandhandelsregelung mit ihren Lieferschwellen steuerbare Lieferungen in anderen Mitgliedstaaten ausgeführt haben. Hier sind es gerade die kleineren Unternehmen, die bisher aufgrund der recht hohen Lieferschwellen ihre Umsätze nur in Deutschland der Besteuerung unterworfen haben. Diese sollten sich nun – sofern noch nicht geschehen – mit den neuen Regelungen und insbesondere dem One-Stop-Shop-Verfahren auseinandersetzen.

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