Wahlprogramm-Check: Steuerpolitik

In kaum einem anderen Politikfeld unterschieden sich die Pläne der Parteien so stark wie in der Steuerpolitik. Dies lässt kontroverse Debatten für den Wahlkampf sowie anschließende Koalitionsverhandlungen erwarten. Dabei hängt gerade von der Steuerpolitik für die mittelständischen Unternehmen sehr viel ab.

In unserer mehrwöchigen Beitragsreihe zur Bundestagswahl 2021 vergleichen und bewerten wir die Wahlprogramme der Parteien nach Themenschwerpunkten mit besonderer Relevanz für die mittelständischen Unternehmen. Dabei betrachten wir lediglich die Parteien, die nach gegenwärtigem Ermessen eine realistische Chance haben, an der kommenden Bundesregierung beteiligt zu sein. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zu den verschiedenen Wahlprogrammen und den dahinterstehenden Vorhaben der Parteien bieten.

Berlin, 30.07.2021 – Steuerpolitische Fragen dürften für den Wahlkampf und anschließende Koalitionsverhandlungen eine zentrale Bedeutung haben. Denn in kaum einem anderen Politikfeld unterschieden sich die Vorstellungen der Parteien so deutlich wie in der Steuerpolitik. Dies liegt nicht zuletzt an verschiedenen kostenintensiven Vorhaben der Parteien in anderen Bereichen und einem zunehmend strapazierten Bundeshaushalt. Gleichzeitig erwarten die von der Coronakrise betroffenen Unternehmen finanzielle Entlastungen und haben daher ein besonderes Interesse an steuerlichen Reformen. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die jeweiligen Pläne der Parteien.

CDU/CSU

Die Unionsparteien sprechen sich in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm
grundsätzlich gegen neue finanzielle Belastungen der Unternehmen aus. Dadurch soll die Wirtschaft wieder inSchwung kommen und neuer Wohlstand geschaffen werden. Steuererhöhungen lehnen CDU und CSU vor diesem Hintergrund ab. Dies gelte auch für die Einführung neuer Substanzsteuern wie der Vermögensteuer sowie eine Erhöhung der Erbschaftsteuer.

Konkret stellen CDU und CSU eine schrittweise vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags in Aussicht. Darüber hinaus sollen kleine und mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer entlastet werden. Die Wirkung der kalten Progression soll auch zukünftig ausgeglichen werden, indem der Einkommensteuertarif regelmäßig an die Preisentwicklung angepasst wird.

Die Parteien hinterfragen die im internationalen Vergleich sehr hohe Steuerbelastung deutscher Unternehmen, die zukünftig wettbewerbsfähiger werden müsse. Im Rahmen einer Reform wollen sie daher die Steuerlast für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25 Prozent deckeln. Dabei solle Rechtsformneutralität herstellt werden – unabhängig davon, ob es sich um Einzelunternehmer, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften handelt. Zudem sollen die Thesaurierungsbegünstigung und die Anrechnung der Gewerbesteuer verbessert sowie die Niedrigbesteuerungsgrenze im Außensteuerrecht reduziert werden. Auch soll es eine weitere Verbesserung bei der steuerlichen Verlustverrechnung geben: Dazu wolle man die Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag und beim Verlustvortrag deutlich erhöhen.

Schließlich möchten CDU und CSU auch die Abschreibungsregeln für Unternehmen verbessern. Dazu wollen sie die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wiedereinführen und die Abschreibungsregeln für „digitale Zukunftstechnologien“ – z.B. Investitionen in Serveranlagen oder KI – verbessern.

Auf internationaler Ebene sollen gemeinsame Initiativen gegen Steuervermeidung und schädlichen Steuerwettbewerb vorangetrieben werden. Dabei wollen sich CDU und CSU auf OECD-Ebene für eine faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft einsetzen: Große digitale Konzerne sollen ihre Steuern auch dort zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen. Zudem brauche es eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, damit Unternehmen in Europa möglichst nach gleichen Regeln besteuert werden. Dabei müssten die Besonderheiten der deutschen Unternehmenslandschaft und -besteuerung jedoch berücksichtigt werden. Darüber hinaus setzen sich die Unionsparteien explizit für eine europäische Finanztransaktionsteuer mit breiter Bemessungsgrundlage ein, die aber Kleinanleger und die private Altersvorsorge nicht belasten dürfe.

SPD

Die SPD betrachtet Steuerpolitik in erster Linie vor dem Hintergrund einer ausreichenden Finanzierung der öffentlichen Haushalte. Daher dominieren im Programm Vorhaben, die auf eine Erhöhung der Steuereinnahmen abzielen. Gegen Steuervermeidung möchte die SPD konsequent vorgehen. So soll neben der Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen eine nationale Anzeigepflicht eingeführt werden. Zudem sollen die Umgehung der Grunderwerbsteuer im Rahmen von Share Deals sowie ein Umsatzsteuerbetrug bei Karussellgeschäften auf europäischer Ebene beendet werden. Steuervermeidung soll zudem mit einem öffentlichen Reporting großer, international agierender Unternehmen eingedämmt werden.

Zur Generierung weiterer Steuermehreinnahmen möchte die SPD die Vermögensteuer wieder in Kraft setzen: Dabei soll ein einheitlicher Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen gelten – aber mit hohen persönlichen Freibeträgen sowie der Maßgabe, dass die Grundlage von Betrieben verschont wird. Zudem soll die Erbschaftsteuer reformiert werden, indem im Zuge einer effektiven Mindestbesteuerung die vermeintliche „Überprivilegierung großer Betriebsvermögen“ abgeschafft werde. Auch sollen eine Finanztransaktionssteuer eingeführt und die Verhandlungen zur Einführung einer globalen Mindestbesteuerung sowie fairen Besteuerung von Digitalunternehmen zum Abschluss gebracht bzw. umgesetzt werden. Der Solidaritätszuschlag soll für die verbliebenen Steuerzahler beibehalten werden. 

Auf der anderen Seite will die SPD die Besteuerung von Einkommen „gerechter“ gestalten. Im Rahmen einer Einkommensteuerreform sollen kleine und mittlere Einkommen besser- stellt und dafür im Gegenzug die oberen fünf Prozent der Steuerzahler stärker für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben herangezogen werden. Dies würde nicht zuletzt auch viele Unternehmen betreffen.

FDP

Die FDP legt in ihrem Wahlprogramm einen Schwerpunkt auf die Steuerpolitik: Sowohl Bürger als auch Unternehmen sollen steuerlich deutlich entlastet werden, um dadurch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Beim Einkommensteuertarif soll der sogenannte „Mittelstandsbauch“ vollständig abgeschafft und damit ein leistungsgerechterer linearer „Chancentarif“ gestaltet werden. Die Abschaffung will die FDP in drei Schritten von 2022 bis 2024 erreichen. Der Chancentarif soll auch eine Rechtsverschiebung des Spitzensteuersatzes beinhalten, sodass dieser erst ab einem jährlichen Einkommen von 90.000 Euro greifen und damit der Steuertarif für alle Steuerzahler gestreckt würde. Zudem soll es eine regelmäßige Anpassung des Tarifs einschließlich Freibeträgen und Freigrenzen an die Gehalts- und Preisentwicklung geben.

Den Solidaritätszuschlag möchte die FDP auch für die verbliebenen Steuerzahler vollständig abschaffen und dadurch insbesondere die mittelständischen Unternehmen entlasten. Neue Substanzbesteuerung lehnt die FDP grundsätzlich ab: Es soll weder eine einmalige Vermögensabgabe noch eine Wiederbelebung der Vermögensteuer geben. Auch eine weitere Verschärfung der Erbschaftsteuer wird abgelehnt.

Die steuerliche Belastung von Unternehmen will die FDP auf den OECD-Durchschnitt von rund 25 Prozent senken. Im Zuge einer angestrebten Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa soll auch der deutsche Sonderweg der Gewerbesteuer beendet werden – wobei die Kommunen für den Ausfall der Gewerbesteuereinnahmen im Gegenzug höhere Anteile an anderen Steuereinnahmen erhalten sollen. Darüber hinaus möchte die FDP die Abschreibungsbedingungen verbessern. Hierzu sollen die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter verstetigt und für digitale Güter einheitliche und verkürzte Abschreibungsfristen von höchstens drei Jahren festgesetzt werden. Die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter soll erhöht werden.

Zur besseren Bewältigung von Wirtschaftskrisen will die FDP erreichen, dass eine kurzfristige Liquiditätshilfe direkt vom Finanzamt ausgezahlt werden kann. Statt Steuervorauszahlungen von den Konten der Unternehmen abzubuchen, würden die Finanzämter eine negative Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Soforthilfe überweisen. Zudem soll die steuerliche Verlustverrechnung deutlich erweitert werden.

Auf globaler Ebene spricht sich die FDP für eine faire Besteuerung aller Unternehmen aus – gerade mit Blick auf große digitale Unternehmen – und unterstützt eine globale Mindestbesteuerung. Mit dem Ziel eines transparenten Steuerwettbewerbs in der EU fordert die FDP eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und spricht sich gegen Tax Deals aus, bei denen große Unternehmen die Höhe ihrer Besteuerung mit den Behörden eines Mitgliedstaats individuell aushandeln. Steuerhinterziehung und unlauteres Steuerdumping sollen zudem mit wirksamen, verhältnismäßigen und weltweit abgestimmten Mitteln bekämpft werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen betten ihre steuerpolitischen Vorstellungen in das übergeordnete Vorhaben einer sozial-ökologischen Transformation der Marktwirtschaft ein und möchten insbesondere klimafreundliche Investitionen fördern. Dafür sollen die finanziellen Spielräume der Unternehmen erweitert werden: Investitionen sollen zeitlich befristet degressiv mit mindestens 25 Prozent abgeschrieben werden können. Die steuerliche Förderung von Forschung soll künftig gezielter an KMU und Start-ups fließen. Insgesamt möchten die Grünen das Steuersystem schrittweise so umbauen, dass Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch stärker besteuert werden und dafür z.B. Steuern und Abgaben auf Arbeit verringert werden, oder die Einnahmen etwa als „Energiegeld“ zurückgegeben werden. Hierzu bleiben die Pläne im Programm recht vage.

Mit Blick auf die öffentlichen Haushalte sollen alle Veränderungen im Steuerrecht mindestens aufkommensneutral sein. Gleichwohl planen die Grünen umfangreiche Anpassungen im Einkommensteuerrecht: Der Grundfreibetrag der Einkommensteuer soll erhöht werden, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Im Gegenzug wollen die Grünen den Spitzensteuersatz anheben. Ab einem Einkommen von 100.000 Euro für Alleinstehende und 200.000 Euro für Paare würde eine neue Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt. Ab einem Einkommen von 250.000 bzw. 500.000 Euro würde eine weitere Stufe mit einem Spitzensteuersatz von 48 Prozent folgen.

Zusätzlich sollen hohe Managergehälter oberhalb von 500.000 Euro nicht mehr zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen werden. Kapitalerträge sollen unter Beibehaltung des Sparerfreibetrages mit dem individuellen Steuersatz veranlagt werden. Finanzinstitute würden dabei weiterhin Kapitalertragsteuer als Vorauszahlung auf die persönliche Einkommensteuer einbehalten. Für auf Unternehmensebene bereits versteuerte Einkommen wie Dividenden gelte dann wieder generell das Teileinkünfteverfahren, das die Kapitalerträge auf Anlegerebene teilweise steuerlich freistellt. Zur Verringerung der Vermögensungleichheit soll es Anpassungen bei der Erbschaft- oder der Vermögensteuer geben, wobei die Grünen die Vermögensteuer als Instrument bevorzugen. Die Vermögensteuer sollte dann für Vermögen oberhalb von zwei Millionen Euro pro Person gelten und jährlich 1 Prozent betragen. Es sollen jedoch Begünstigungen für Betriebsvermögen eingeführt werden. „Ungerechtfertigte“ Ausnahmen bei der Umsatzsteuer sollen abgebaut werden. Zur Bekämpfung von Steuervermeidung soll die EU-weite Anzeigepflicht um eine Pflicht für rein nationale Steuergestaltungen ergänzt werden.

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