Staatsministerin Özoğuz: "Deutschkenntnisse sind der Schlüssel"

Die Beauftragte der Bundesregierung für Integration, Migration und Flüchtlinge, Aydan Özoğuz zu Sprachkursen, Integrationsmaßnahmen und Zugang zum Arbeitsmarkt.

SynergienNews: Unternehmen können mittels Praktika und Ausbildungsplätzen die Integration fördern – doch oftmals ist dies aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse eine enorme Herausforderung. Wie soll dieses Handicap in Zukunft überwunden werden? Wie sehen die Pläne der Politik hierzu im Detail aus?

Aydan Özoğuz, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und IntegrationAydan Özoğuz: Natürlich sind Kenntnisse der deutschen Sprache unverzichtbar für eine gelingende Integration in Ausbildung und Arbeit. Deshalb haben wir gemeinsam mit den Sozialpartnern gehandelt, um einen nachhaltigen Erwerb alltags-, ausbildungs- und berufsbezogener Sprachkenntnisse zu ermöglichen.

Mit dem seit August 2016 geltenden Integrationsgesetz ist ein Paradigmenwechsel zugunsten schneller und nachhaltiger Integrationsmaßnahmen verbunden. Wir setzen auf Integrationskurse, die nicht nur sprachliche Grundlagen für die Alltagsintegration legen, sondern ebenso Kenntnisse über die grundlegenden Spielregeln der Gesellschaft vermitteln.

Ich habe mich lange für die Öffnung der Integrationskurse auch für Asylbewerber mit Bleibeperspektive eingesetzt, da sind wir einen großen Schritt vorangekommen, auch wenn erst einmal nur Bewerber mit syrischer, eritreischer, irakischer, iranischer und somalischer Staatsangehörigkeit bei freien Kurskapazitäten mitmachen können. Ich setze mich weiter dafür ein, dass Nachfrage und Angebot noch besser in Einklang gebracht werden – das ist trotz enormer zusätzlicher finanzieller Anstrengungen des Bundes noch nicht der Fall.

Gut ist, dass 2017 die Mittel für die Integrationskurse noch einmal erhöht werden, geplant sind hier 610 Millionen Euro im Haushaltsansatz. Ebenso fördert der Bund die berufsbezogenen Sprachkurse. Neben den Sprachkursen haben wir auch bewährte Instrumente wie die Berufsvorbereitung, ausbildungsbegleitende Hilfen, die Einstiegsqualifizierung und die assistierte Ausbildung für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive geöffnet und mit ausbildungsvorbereitenden und -begleitenden Sprachförderungen versehen.

SN: Wenn Unternehmen in die Ausbildung junger Menschen investieren, wollen sie anschließend die gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Eine knapp bemessene Aufenthaltserlaubnis erleichtert Unternehmen keineswegs die Entscheidung für Flüchtlinge. Die „3 + 2“ – Regelung“ ist ein Anfang. Können weitergehende Erleichterungen erwartet werden?

Özoğuz: Die Unternehmen und Arbeitgeberverbände waren für mich in den letzten Monaten gute Mitstreiter für mehr Integration am Arbeitsmarkt, auch bei der Regelung „3+2“. Es ist richtig, dass junge Menschen, deren Asylantrag formal abgelehnt ist, denen aber eine Duldung erteilt wurde, der Weg in eine Ausbildung eröffnet wird. Und dass die jungen Menschen und die Ausbildungsbetriebe gleichermaßen die Sicherheit haben, dass die Ausbildung abgeschlossen werden kann und danach auch der Einstieg in den Job möglich ist.

"Der Mittelstand spielt für mich als 'Ausbilder der Nation' eine Schlüsselrolle."Staatsministerin Aydan Özoğuz

Ich denke, dass es jetzt erst einmal darauf ankommt, im Zusammenspiel von Ausländerbehörden, Kammern und Unternehmen denjenigen Chancen zu eröffnen, die für diesen Weg geeignet erscheinen.

SN: In der deutschen Wirtschaft herrscht Fachkräftemangel. Unter den Flüchtlingen sind durchaus gut ausgebildete Arbeitssuchende. Oft jedoch sind die formalen Abschlüsse nicht vorhanden, um ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wie will die Politik diese Hürden zu überwinden helfen?

Özoğuz: Der deutsche Arbeitsmarkt ist robust und ja – in einzelnen Branchen und Regionen herrscht Mangel. Flüchtlinge können in diesem Kontext auch einen Beitrag für die Sicherung des Fachkräftenachwuchses in Deutschland leisten. Gerade auch weil Mehrsprachigkeit in einigen Betrieben ohnehin auf dem Vormarsch ist. Das heißt aber nicht, dass wir damit den Fachkräftemangel lösen.

Ein wichtiger Punkt bleibt die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Wir haben in Deutschland sehr klare Ausbildungsstrukturen und Abschlüsse, die es im internationalen Vergleich nicht unbedingt gibt. Das heißt aber nicht, dass Menschen, die zu uns kommen, nicht ähnliche oder gleiche Qualifikationen besitzen. Ich setze mich dafür ein, dass wir bei den Anerkennungsverfahren noch mehr Möglichkeiten zur Anpassung ausländischer Berufsqualifikation nutzen.

Der Mittelstand spielt für mich als „Ausbilder der Nation“ eine Schlüsselrolle. Die Politik unterstützt kleinere und mittlere Unternehmen durch gezielte Informationsangebote und Beratungsleistungen zur betrieblichen Integration von Flüchtlingen. Konkret hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum Beispiel in seinem Programm „Passgenaue Besetzung“ mit über 150 Willkommenslotsen rund 1.500 Flüchtlinge an kleine und mittlere Unternehmen vermittelt: Das fängt bei 809 Praktika an, geht über 235 Einstiegsqualifizierungen, 246 Aufnahmen einer Ausbildung bis hin zu 137 Arbeitsplätzen bei Mittelständlern.

SN: Zeitarbeit ist ein bewährter Weg in Beschäftigung. Gibt es Aussicht, dass die Frist von 15 Monaten nach der Flüchtlinge und Asylbewerber als Zeitarbeiter angestellt werden dürfen, gesenkt oder gar gekippt wird?

Özoğuz: Zunächst einmal ist es wichtig zu sehen, dass die Politik in kürzester Zeit unnötige Hürden für Asylbewerber und Geduldete im Bereich der Leih- bzw. Zeitarbeit entfernt hat. In den Zeiten des Mindestlohns waren auch hier die letzten Argumente abhandengekommen. Integrationspolitisch ist entlohnte Beschäftigung ohnehin immer besser als Nichtstun aufgrund von Beschäftigungsverboten.

"Wir werden meines Erachtens zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit um ein wirkliches Einwanderungsgesetz nicht herum kommen."Staatsministerin Aydan Özoğuz

Der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber und Geduldete ist nun grundsätzlich bereits nach drei Monaten ermöglicht, in vielen Agenturbezirken auch ohne Vorrangprüfung. Damit entfällt auch das Leiharbeitsverbot vor Ablauf der üblichen 15-Monatsfrist. Die bisherige Frist von vier Jahren beim Verbot der Zeitarbeit wurde massiv gekürzt auf 15 Monate. Bevor wir jetzt über weitere Schritte diskutieren, sollten diese Möglichkeiten erst einmal flächendeckend bekannt sein und ihre Wirkung entfalten. Dann kann man weitere Schritte prüfen.

SN: Das Zuwanderungsgesetz stammt aus dem Jahre 2005, lange bevor sich Millionen Menschen auf den Weg nach Europa gemacht haben. Die demographischen Entwicklungen in Deutschland verlangen nach einem Einwanderungsgesetz. Was bremst die Politik eigentlich noch?

Özoğuz: Bei dem Gesetz von 2005 handelt es sich im Kern nicht um ein Einwanderungs- sondern um das Aufenthaltsgesetz. Der Zweck lag übrigens in der Begrenzung und Steuerung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland! Auch wenn sich dieses Gesetz über die Jahre durch Umsetzungen von EU-Richtlinien erheblich verändert hat und der Aufenthalt in Deutschland für Fachkräfte im Arbeitsmarkt weitgehend geöffnet wurde, sind die Ergebnisse in Bezug auf die Fachkräftesicherung überschaubar. Das liegt sicherlich auch in der ursprünglichen Begrenzungsphilosophie.

Wir werden meines Erachtens zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit um ein wirkliches Einwanderungsgesetz nicht herum kommen – auch wenn sich das einige noch nicht vorstellen können. Denn wir konkurrieren als stärkste Wirtschaft in der EU mit traditionellen Einwanderungs- und Industrieländern wie den USA, Kanada und Australien um die besten Fachkräfte. Deshalb sollten wir unsere Gesetze und Regeln zur Einwanderung in ein transparentes, für alle nachvollziehbares und verständliches Einwanderungsgesetz überführen.

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