14. Hauptgutachten der Monopolkommission: Going Digital

Im zweiten Teil unserer Analyse gehen wir auf die digitalen Aspekte des Hauptgutachtens der Monopolkommission ein. Schwerpunkt bildet dabei die Umsetzung des europäischen Rechtsakts zu digitalen Märkten. Was für den kooperierenden Mittelstand dabei von Interesse ist, soll im Folgenden dargestellt werden.

Brüssel, 27.09.2022 – Die Entwicklungen auf den digitalen Märkten stehen bereits seit einiger Zeit unter der Beobachtung der Monopolkommission, einem politischen Beratungsgremium der Bundesregierung. Alle zwei Jahre veröffentlichen die politischen Berater ein Hauptgutachten, welches die wettbewerbsrechtlichen Entwicklungen in Deutschland wiedergeben und politische Handlungsempfehlungen daraus ableiten.

Einen nicht unwesentlichen Teil nehmen dabei die Entwicklungen auf den digitalen Märkten ein. Im aktuellen 14. Hauptgutachten greift die Monopolkommission zudem die politische Einigung zum Gesetz über digitale Märkte auf und spricht Empfehlungen hinsichtlich einer möglichen Ergänzung aus.

Gesetz über Digitale Märkte

Im Frühjahr diesen Jahres einigten sich die europäischen Gesetzgeber über die Ausgestaltung des Gesetzes über Digitale Märkte. Im Fokus stand und steht dabei weiterhin die Tatsache, dass einige wenige große Plattformen den digitalen Markt insgesamt maßgeblich beeinflussen. Wettbewerbsrechtliche Instrumente – wie beispielsweise das durch die 10. Novelle des Deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingeführte Verfahren für Unternehmen von marktübergreifender Bedeutung – sind zwar hilfreich, um den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu beseitigen, oftmals bestehen jedoch beweisrechtliche Schwierigkeiten im Weg, um effizient auf bestimmte Verhaltensweisen großer Plattformen reagieren zu können.

Aus diesem Grund schlug die Europäische Kommission bereits im Jahre 2020 vor, ein vom Wettbewerbsrecht losgelöstes Instrument zur Beschränkung der Marktmacht großer digitaler Plattformen zu schaffen. Der Name: Gesetz über Digitale Märkte (Digital Markets Acts oder kurz: DMA).

Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens hat sich an diesem Ansatz wenig geändert; Große Online-Plattformen müssen sich daher zukünftig an eine Reihe von Verhaltensregeln und Verboten orientieren, um hohe Bußgelder zu vermeiden. Insbesondere wurden folgende Verhaltensregeln aufgestellt:

  • Die Verpflichtung, Verkäufern Zugang zu ihren Marketing- oder Werbeleistungsdaten auf der Plattform zu gewähren (besonders nützlich für KMU-Einzelhändler, die den Amazon-Marktplatz nutzen);
  • Die Verpflichtung, die Europäische Kommission über ihre Übernahmen und Fusionen zu informieren;
  • Das Verbot der Eigenwerbung für eigene Produkte oder Dienstleistungen;
  • Die Wiederverwendung von privaten Daten, die während eines Plattformdienstes gesammelt wurden, für die Zwecke eines anderen Dienstes;
  • Das Verbot einiger unfairer Bedingungen für gewerbliche Nutzer.

Was fehlt noch?

Nach Ansicht der Monopolkommission ist die Einführung des Gesetzes über Digitale Märkte ein wichtiger Schritt, um das Gleichgewicht in diesem Bereich wiederherzustellen. Ergänzungen müssten jedoch vorgenommen werden, um das Instrument wirklich effizient auszugestalten. „Um die Durchsetzung des DMA noch effektiver zu machen, empfiehlt die Monopolkommission dem deutschen Gesetzgeber, ergänzende Regelungen für private Unterlassungs- und Schadenersatzklagen einzuführen. Beispielsweise sollte die Schadensfeststellung für Nutzerinnen und Nutzer dadurch erleichtert werden, dass eine Schadensvermutung sowie Regelungen für eine Schadensschätzung und für die Verzinsung von Schadensersatzansprüchen durch Gesetz vorgesehen werden.“ Meint auch Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M., Vorsitzender der Monopolkommission.

Die Monopolkommission scheint zu befürchten, dass die gutgemeinten Regeln des Gesetzes über Digitale Märkte drohen, im Sand zu verlaufen, wenn neben den klaren Verhaltensregeln keine verfahrensrechtlichen Ergänzungen geschaffen werden. Mit Blick auf die verfochtenen Geschäftskonstruktionen großer Plattformen und deren nicht immer eindeutig bennenbarer Einfluss auf andere Märkte scheint diese Sorge durchaus berechtigt.

Was wurde bereits getan?

Der deutsche Gesetzgeber hat bereits auf die Anforderungen des Gesetzes über Digitale Märkte reagiert: Am 26. September 2022 legte das BMWK den Referentenentwurf für die 11. GWB-Novelle vor. Neben anderen Regelungen befassen sich einige Abschnitte auch mit der Umsetzung des DMA. Die vorgeschlagenen Regelungen greifen dabei die Ansätze der Monopolkommission nur in Teilen auf.

So werden bestehende Regelungen im GWB hinsichtlich der Beweiserleichterung auch für privatrechtliche Verfahren im Rahmen von DMA-Verstößen für anwendbar erklärt. Grundsätzlich bedeutet dies zunächst, dass Privatpersonen gegen Plattformen direkt auf Schadensersatz vor einem ordentlichen Gericht klagen können, wenn sie sich in ihren Rechten aus dem DMA verletzt sehen. Soweit eine Kartellierung aufseiten der Plattform bestand, wird zudem der bei der Privatperson entstandene Schaden vermutet.

Was auf den ersten Blick zunächst recht solide klingt, dürfte jedoch in der Praxis kaum Anwendung finden: Große Plattformen werden selten mit anderen Unternehmen in einer marktmissbräuchlichen Art und Weise zusammenarbeiten. Eine Kartellierung und damit eine Erleichterung der Schadensvermutung sind daher in den meisten Fällen nicht anwendbar. Letztendlich muss ein Verbraucher oder ein Unternehmen, welches eine Plattform nutzt, in den meisten Fällen selbst beweisen, dass durch die verbotene Verhaltensweise der Plattform tatsächlich ein Schaden entstanden ist.

Sicherlich: Die Forderungen der Monopolkommission bewegen sich auf einem sehr schmalen Grat. „Die Regelungen des DMA bewegen sich in den meisten Fällen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des europäischen, aber auch deutschen Wettbewerbsrechts. Beweiserleichterungen oder gar die Umkehr der Beweislast OHNE eine Kartellierung wären daher nur in Ausnahmefällen ein statthaftes Instrument. Ansonsten geriete ein gesamter Markt unter Generalverdacht.“ Meint auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND.

Fazit

Nach der Verabschiedung des DMA ist die Diskussion um die Ausgestaltung der digitalen Märkte noch längst nicht vorbei. Das Bundeskartellamt nähert sich der Materie eher vorsichtig, da noch längst nicht alle Zusammenhänge abschließend geklärt sind. DER MITTELSTANDSVERBUND plädiert zudem für eine stärkere Einbeziehung der Interessen mittelständischer Unternehmen, die in der Diskussion insgesamt eher ausgeblendet werden.

Ausblick

Nachdem wir uns nunmehr mit den digitalen Aspekten des Hauptgutachtens befasst haben, werden wir näher auf das Thema „Nachhaltigkeit und Wettbewerb“ eingehen. Gerade Verbundgruppen kämpfen derzeit mit der Umsetzung nicht-finanzieller Berichtspflichten sowie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Inwieweit in diesem Zusammenhang Handlungslinien von den einzelnen Akteuren in den verschiedenen Branchen gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden können, steht derzeit auf äußerst dünnen Grundlagen. Die Einschätzung der Monopolkommission hierzu lesen Sie daher in unserer nächsten Ausgabe.

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht