BMWK legt Referentenentwurf für 11. GWB-Novelle vor

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat einen Gesetzesentwurf zur gezielten Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorgelegt und wird diesen in Kürze in die Ressortabstimmung geben. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.

Berlin, 26.09.2022 – Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat einen Gesetzesentwurf zur gezielten Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorgelegt und wird diesen in Kürze in die Ressortabstimmung geben. Damit setzt das BMWK seine Ankündigung von Juni dieses Jahres um. Ziel der Novelle ist es, den Wettbewerb im Sinne der Verbraucher zu stärken. Dort, wo die Marktstruktur dem Wettbewerb entgegensteht, etwa weil es nur wenige Anbieter im Markt gibt und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher zu beobachten sind, sollen die Eingriffsinstrumente des Kartellrechts gestärkt werden.

Dazu Bundesminister Habeck: „Wettbewerb ist unser schlagkräftigstes Instrument zur Senkung der Preise und zur Förderung von Innovation, gerade im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld. Angesichts der aktuell ohnehin steigenden Preise und enormen Gewinne einzelner Unternehmen ist es nicht hinnehmbar, dass es in einigen Bereichen immer noch verkrustete und durch Machtstrukturen geprägte Märkte zum Schaden der Verbraucherinnen und Verbraucher gibt. Es reicht nicht, dass alle immer nur intensiveren Wettbewerb fordern, sondern wir müssen das Wettbewerbsprinzip auf den Märkten auch aktiv durchsetzen. Daher stärken wir mit der Novelle die Befugnisse des Kartellamts, damit Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Qualität zu besseren Preisen erhalten.“

Der Gesetzentwurf novelliert das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zum elften Mal und weitet die Befugnisse des Bundeskartellamtes zum Schutz der Verbraucher aus. Das sog. Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz sieht erstens ein neues Eingriffsinstrument vor, mit dem das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektoruntersuchung Störungen des Wettbewerbs schnell und effektiv abstellen kann. Zweitens soll die Abschöpfung von Vorteilen aus Kartellrechtsverstößen für die Behörde deutlich erleichtert werden. Damit soll es eine bessere Handhabe zum Schutz geben, wenn es bei Märkten mit vergleichsweise wenigen Anbietern im Markt immer wieder parallele Preisentwicklungen gibt, ohne dass aber ein Kartell nachweisbar ist. Dieses Phänomen ist an den Zapfsäulen regelmäßig zu beobachten und hier muss ein schnelleres und schärferes Eingreifen des Kartellamts möglich sein.

Im Einzelnen:

  1. Maßnahmen im Anschluss an eine Sektoruntersuchung

Das deutsche Kartellrecht kennt bereits das Instrument einer Sektoruntersuchung. Derzeit kann das Bundeskartellamt untersuchen, ob der Wettbewerb in einem Sektor eingeschränkt ist. So führt das Kartellamt aktuell beispielsweise eine Sektoruntersuchung auf den Kraftstoffmärkten durch. Das Problem aktuell ist, dass das Bundeskartellamt aufgrund der Sektoruntersuchung keine Maßnahmen zur Belebung des Wettbewerbs ergreifen kann.

Daher soll die Behörde im Anschluss an eine Sektoruntersuchung künftig Eingriffsbefugnisse erhalten, das heißt, das Bundeskartellamt soll konkrete Maßnahmen zur Abstellung festgestellter erheblicher Wettbewerbsstörungen anordnen können. In Zukunft sollen beispielsweise Verpflichtungen zur Etablierung offener Standards, zur Gewährung des Zugangs zu Schnittstellen, zur Einrichtung eines wirksamen Beschwerdemanagements, zur Veränderung der Lieferbeziehungen, zur organisatorischen Trennung von Unternehmensbereichen sowie – als ultima ratio – die Anordnung einer eigentumsrechtlichen Entflechtung möglich sein. Derartige Maßnahmen soll nach der Reform des Wettbewerbsrechts auch das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektoruntersuchung ergreifen können, sowohl im Hinblick auf die Marktstruktur, als auch das Verhalten einzelner Unternehmen. Darüber hinaus könnte das Bundeskartellamt künftig im Anschluss an eine Sektoruntersuchung Unternehmen verpflichten, alle relevanten Zusammenschlüsse auf einem oder mehreren Märkten zur Fusionskontrolle anzumelden und so präventiv einer zu starken Unternehmenskonzentration vorbeugen.

Damit könnte das Kartellamt künftig Märkte mit „vermachteten“ Strukturen stärker aufbrechen und gegen Störungen des Wettbewerbs besser vorgehen. Nämlich dort, wo es schon seit langem nur wenige Anbieter im Markt gibt und wo schon seit langen kein Wettbewerb mehr herrscht und Verbraucher unter schlechter Qualität und hohen Preisen leiden.

  1. Verbesserung der Vorteilsabschöpfung bei Kartellrechtsverstößen

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass Vorteile, die Unternehmen durch Kartellrechtsverstöße erzielt haben, künftig einfacher abgeschöpft werden können. Dieses Instrument besteht auch jetzt schon, wurde aber aufgrund hoher Hürden bislang noch nie genutzt. So müssen die Kartellbehörden derzeit komplexe Berechnungen des wirtschaftlichen Vorteils vornehmen und zusätzlich nachweisen, dass ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Diese Voraussetzungen sollen mit der 11. GWB-Novelle erleichtert werden. Gewinne aus nachgewiesenen Wettbewerbsverstößen dürfen nicht bei den Unternehmen verbleiben. Die Kartellbehörden müssen rechtswidrige Bereicherungen effektiver verhindern können. Daher werden die Anwendungshürden der Vorteilsabschöpfung gesenkt. So gilt künftig die Vermutung, dass ein Unternehmen mit dem nachgewiesenen Kartellrechtsverstoß einen Vorteil in Höhe von 1% seiner Inlandsumsätze mit dem Produkt oder Dienstleistung erzielt hat, das mit dem Kartellrechtsverstoß in Zusammenhang steht.

Die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung ist dabei nicht zu verwechseln und kein Ersatz für die Abschöpfung von krisenbedingten Zufallsgewinnen. Beim Kartellrecht geht es um das Abschöpfen von Vorteilen aus einem nachgewiesenen illegalen Verhalten, bei der Abschöpfung um von Zufallsgewinnen um eine wirtschafts- und finanzpolitisch gebotene Umverteilung von legalen Krisengewinnen. Was den Stromsektor anbetrifft, arbeitet das BMWK gerade an einem Mechanismus zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen, um darüber den Strompreis zu senken.

  1. Durchsetzung des Digital Markets Act

Darüber hinaus schafft das „Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz“ die rechtlichen Grundlagen dafür, dass das Bundeskartellamt die Europäische Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) unterstützen kann. Ebenso wird die Möglichkeit für die gerichtliche Durchsetzung des DMA in Deutschland eingeführt (sog. private enforcement).

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt grundsätzlich das Ziel, ein Level Playing Field im immer stärker ausgeprägten Wettbewerb zu gewährleisten und notfalls behördlich durchzusetzen. Positiv zu bewerten sind dabei insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen nach einer Sektoruntersuchung wie die Gewährung des Zugang zu Daten, Schnittstellen, Netzen oder sonstigen Einrichtungen, die Belieferung von anderen Unternehmen oder Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen. 

Allergings: auch wenn sich die nun vorgeschlagenen Maßnahmen in der 11. GWB-Novelle primär gegen Großunternehmen und nicht gegen den Mittelstand richten dürften, stellt sich doch die Frage, ob die im Gesetzesentwurf als ultima ratio avisierten Entflechtungsmöglichkeiten des Kartellamtes ohne jeglichen Rechtsverstoß die deutsche Wirtschaft nicht zusätzlich in ohnehin schwierigen Zeiten schwächen. Der Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums könnte insoweit als falsches Signal von der Wirtschaft verstanden werden. Zwar soll Voraussetzung für entsprechende Maßnahmen eine „erhebliche Behinderung des Marktes“ sein; dieser Rechtsbegriff ist allerdings unbestimmt und daher auslegungsfähig.

Auch die Erleichterungen für das Bundeskartellamt im Bereich der Vorteilsabschöpfung mit einer neuen Vermutungs- und einer Schätzregelung sind nicht uneingeschränkt zu begrüßen. Damit soll bei einem Verstoß ein Vorteil unterstellt werden, dessen Höhe wiederum geschätzt werden kann. Auch hierin liegt ein gewisses Risiko im Hinblick auf eine „willkürliche“ Abschöpfung.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird den Gesetzesentwurf sorgfältig prüfen und das gesetzgeberische Verfahren weiter eng begleiten.

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