Chaos im Datenschutz: OLG Düsseldorf stoppt einstweilige Anordnung des Bundeskartellamtes

Im Falle von Facebook gegen das Bundeskartellamt kam es jüngst zu einer unvorhergesehenen Wendung: Die Richter am OLG Düsseldorf stoppten die einstweilige Anordnung der Wettbewerbshüter – Rechtsklarheit im Datenschutz rückt damit in weite Ferne.

Düsseldorf, 02.09.2019 - Am 26. August beschloss der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf (OLG Düsseldorf), dass die im Februar ergangene einstweilige Anordnung des Bundeskartellamts gegen Facebook zweifelhaft ist und setzte diese daher aus.

Am 26. August beschloss der 1. Kartellsenat des OLG Düsseldorf, dass die im Februar ergangene einstweilige Anordnung des Bundeskartellamts gegen Facebook zweifelhaft ist und setzte diese daher aus.Wir erinnern uns:

  • Die derzeitigen Geschäftsbedingungen von Facebook setzen als Nutzungsbedingung voraus, dass Facebook auch außerhalb der Facebook-Seiten Daten über die Nutzer im Internet oder auf Smartphone-Apps sammelt und den Facebook-Nutzerkonto zuordnet. Das bedeutet, dass Facebook die eigenen Daten mit Daten von konzerneigenen Diensten wie WhatsApp und Instagram, aber auch mit von Drittwebseiten gesammelten Daten zusammenführt. Diese Vorgehensweise untersagte das Bundeskartellamt und legte dem Unternehmen weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auf.
  • Nach Ansicht des Bundeskartellamtes dürfe Facebook zwar weiterhin Daten über Dienste wie WhatsApp und Instagram sammeln, diese aber nicht mehr ohne explizite und freiwillige Einwilligung des Nutzers seinem Facebook Konto zuordnen. Findet die Einwilligung nicht statt, müssen die Daten der einzelnen Dienste voneinander getrennt bleiben. Entsprechendes gilt auch bezüglich Daten, die über Internetseiten von Drittanbietern generiert wurden.
  • Das Bundeskartellamt begründet seinen Schritt mit der Marktmacht, welche das Unternehmen Facebook mittlerweile innehat und dementsprechend besondere kartellrechtliche Pflichten berücksichtigen müsse.

Gerade an der letzten Feststellung hegten die Richter des OLG Düsseldorf hingegen erheblich Zweifel. "Entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts lässt die beanstandete Datenverarbeitung durch Facebook keinen relevanten Wettbewerbsschaden und auch keine wettbewerbliche Fehlentwicklung besorgen." Selbst bei Vorliegen eines Datenschutz-Verstoßes liege darin nicht zugleich ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, so die Richter. So sei weder eine in solchen Fällen notwendige Schädigung der Verbraucher zu erkennen, noch sei der Wettbewerb mit Blick auf andere Marktteilnehmer beeinträchtigt.

Die in vielen Experten-Kreisen teils als mutig, teils als zu mutig betrachtete Vorgehensweise des Bundeskartellamtes ist nunmehr gerichtlich einkassiert worden – ganz zum Schaden der Rechtsklarheit und Voraussehbarkeit der Regelungen des Datenschutzes.

Unternehmen – alle voran solche im Mittelstand – können immer noch nicht abschließend beurteilen, welche Regeln im Einzelfall gelten und welche Konsequenzen aus Fehlverhalten zu erwarten sind. Zweitens sind die Regeln des europäischen und nationalen Datenschutzes noch längst nicht „einfach und einheitlich“ anzuwenden, wie es vielen Datenschützer in der vorangegangenen politischen Debatte immer wiederholten. Datenschutz hat viele Implikationen hinein in das Wettbewerbs- und Lauerkeitsrecht. Diese weitreichenden Folgen für das Gesamtgefüge des Wirtschaftsrechts wurden bei Erlass der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den nationalen Umsetzungsgesetzen schlichtweg nicht gesehen. Besserung könnte zunächst die Anstehende Revision des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bringen. Dort könnte das Verhältnis von Datenschutz und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften weiter geklärt werden.

Zum anderen wird auch die DSGVO in Bälde einer Tauglichkeitsprüfung unterzogen. Kontraproduktives Kompetenzgerangel, wie es vorliegend zwischen den Gerichten und Wettbewerbshütern zu beobachten ist, sollte dabei mehr als eine lustige Anekdote sein und das notwendige politischen Momentum hin zu mehr Rechtsklarheit ermöglichen.

Das Bundeskartellamt hingegen zeigt sind weiterhin uneinsichtig. Ein Rechtsmittel vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ist vorgesehen.

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