GenG-Novelle tritt in Kraft

Vereinfachte Prüfung für sehr kleine Genossenschaften sowie Regelungen zum Bürokratieabbau machen die Rechtsform der eG künftig noch attraktiver

Berlin, 21.07.2017 – Lange Zeit war um die aktuelle Novelle des Genossenschaftsgesetzes (GenG) gerungen worden. Am 29.06.2017 hat nun der Bundestag das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften beschlossen. Am 7.07.2017 erfolgte die Annahme durch den Bundesrat. Das Gesetz wird am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Was die Gesetzesänderung leisten soll

Logo GenossenschaftsjahrAusgehend vom Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode sollte die Gründung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement (z.B. Dorfläden oder Kitas etc.) erleichtert werden. Für diese Vorhaben sollte eine geeignete Unternehmensform im Genossenschafts- oder Vereinsrecht zur Verfügung gestellt werden.

Als Lösung sah der Gesetzesentwurf eine Erleichterung des Zugangs zum wirtschaftlichen Verein, eine vereinfachte Prüfung bei sehr kleinen Genossenschaften sowie Regelungen zum Bürokratieabbau für alle Genossenschaften vor.

Bis kurz vor Ende des Gesetzgebungsverfahrens hieß der Gesetzesentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften“ und sah eine Erleichterung des Zugangs zum wirtschaftlichen Verein für kleine Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement durch eine Änderung des § 22 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor.

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss v. 16. Mai 2017, Az. II ZB 7/16) zum eingetragenen Verein hat allerdings dazu geführt, dass eine Änderung der Vorschriften zum wirtschaftlichen Verein nicht mehr notwendig ist, weil die vom BGH in diesem Beschluss entwickelten Grundsätze auch anderen Vereinen mit nicht wirtschaftlicher Zielsetzung, wie zum Beispiel Dorfläden, zugutekommen. Eine Änderung des § 22 BGB ist daher entfallen.

Die wichtigsten Änderungen des Genossenschaftsgesetzes

Die wichtigsten Änderungen des GenG, deren Zusammenstellung und Erläuterung im Einzelnen durch den DGRV Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. zur Verfügung gestellt wurde, finden sich nachfolgend.

Vorab ist besonders auf die Änderungen

  • Schriftliche Vollmacht für die Beitrittserklärung (Nr. 5. Buchst. c.),
  • Informationspflicht in der Beitrittserklärung (Nr. 6) und
  • Angabe des für die Prüfung zuständigen Prüfungsverbands (Nr. 21)

hinzuweisen, da diese Änderungen mangels Umsetzungsfrist sofort für alle Genossenschaften gelten und zu beachten sind.

Die Änderungen im Einzelnen

  1. Einladung zur Generalversammlung

a. Durch die Ergänzung in § 6 Nr. 4 GenG wird klargestellt, dass eine Einladung zur Generalversammlung (GV) / Vertreterversammlung (VV) auch in Textform, z.B. per E-Mail, erfolgen kann. Die Mustersatzungen sahen diese Möglichkeit bereits vor. Gleichzeitig wird durch eine weitere Ergänzung in § 6 Nr. 4 GenG geregelt, dass eine ausschließliche Bekanntmachung über ein öffentlich zugängliches Informationsmedium, z.B. die Internetseite der Genossenschaft, genauso wie die ausschließliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger, nicht ausreicht.

b. Als Folgeänderung zur Klarstellung in § 6 Nr. 4 GenG stellt § 46 Abs. 1 Satz 3 GenG klar, dass die Benachrichtigung über die Tagesordnung ebenfalls in Textform erfolgen kann.

2. Bekanntmachungen der Genossenschaft

Durch die Änderung in § 6 Nr. 5 GenG kann die Satzung als öffentliches Blatt für Bekanntmachungen auch öffentlich zugängliche elektronische Informationsmedien bezeichnen, wie z. B. die Internetseite der Genossenschaft oder den Bundesanzeiger. Die Mustersatzungen werden an dieser Stelle angepasst.

3. Ausschluss des Stimmrechts investierender Mitglieder

Die Ergänzung in § 8 Abs. 2 Satz 2 GenG bewirkt, dass über die Satzung das Stimmrecht investierender Mitglieder auch vollständig ausgeschlossen werden kann. Diese Auffassung wird bereits von der Mustersatzung für Gewerbliche Genossenschaften so vertreten.

4. Unterzeichnung der Gründungssatzung

Nach der Neuregelung in § 11 Abs. 2 Nr. 1 GenG ist es zukünftig ausreichend, dass die Gründungssatzung statt durch alle Gründungsmitglieder nur noch durch mindestens drei Mitglieder unterzeichnet wird. Dies entspricht der Regelung im Vereinsrecht (§ 59 Abs. 3 BGB).

5. Beitrittserklärung

a. Die Änderung in § 15 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 4 GenG bewirkt als Folgeänderung zu § 11 GenG, dass Gründungsmitglieder, die nicht die Satzung unterzeichnen, durch Abgabe einer Beitrittserklärung Mitglied der in Gründung befindlichen Genossenschaft werden können.

b. Zukünftig reicht es, dass vor Abgabe einer Beitrittserklärung die Satzung der Genossenschaft unter der Internetadresse der Genossenschaft abrufbar ist und dem Antragssteller (Beitretenden) ein Ausdruck der Satzung angeboten wird. Auf diesem Wege soll sichergestellt werden, dass Mitglieder, die über keinen Internetzugang verfügen, eine Satzung der Genossenschaft vor dem Beitritt erhalten.

c. In § 15 Abs. 1 GenG wird ein neuer Satz 3 eingefügt, der bestimmt, dass eine Vollmacht, abweichend von § 167 Abs. 2 BGB, zur Abgabe der Beitrittserklärung der Schriftform bedarf. Durch die Ausdehnung der Formvorschrift der Beitrittserklärung auf die Vollmacht soll die mit der Schriftform bezweckte Schutz- und Warnfunktion ausgedehnt werden. Die Änderung soll dem Verbraucherschutz dienen und steht im Zusammenhang mit der Ergänzung in § 15a GenG.

6. Inhalt der Beitrittserklärung

§ 15a GenG wird um Satz 3 ergänzt. Dieser regelt, dass bei weiteren satzungsmäßigen Einzahlungspflichten (z. B. Eintrittsgelder) oder einer Kündigungsfrist von mehr als einem Jahr in der Beitrittserklärung hierauf ausdrücklich hingewiesen werden muss und dies vom Beitretenden ausdrücklich zur Kenntnis genommen wird.

Unter den Tatbestand „weitere satzungsmäßige Einzahlungspflichten“ fallen nicht umsatzabhängige Pflichteinzahlungen. Diese sind bereits durch §§ 15a Satz 1, 15b Abs. 1 GenG erfasst. Die Muster-Beitrittserklärungen werden durch den Formularausschuss angepasst.

7. Mitgliederdarlehen

Es wird ein neuer § 21b GenG eingeführt, der es Genossenschaften unter den engen Voraussetzungen der Neuregelung erlaubt, einfache zweckgebundene Darlehensverträge (Finanzierung oder Modernisierung von zum Anlagevermögen gehörenden Gegenständen der Genossenschaft (Investitionsvorhaben))mit ihren Mitgliedern abzuschließen, ohne unter die Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) zu fallen, wenn diese keine qualifizierte Nachrangvereinbarungen enthalten.

Voraussetzung dafür ist, dass kein Unternehmer pro Mitglied mehr als 25 TEUR bzw. max. 2,5 Mio. Euro Gesamtvolumen pro Investitionsvorhaben und Sollzinssatz max. 1,5 % oder marktübliche Emissionsrendite für Anlagen am Kapitalmarkt in Hypothekenpfandbriefen mit gleicher Laufzeit investiert. Ein darüber hinaus gehender Finanzierungsbedarf kann weiterhin über die Nachrangdarlehen nach dem Vermögensanlagegesetz gedeckt werden.

8. Angaben in der Mitgliederliste

a. Die Neufassung in § 30 Abs. 2 Satz 2 GenG stellt klar, dass die Satzung regeln kann, mit welchen weiteren erforderlichen Angaben – über die gesetzlichen Pflichtangaben hinaus – jedes Mitglied in die Mitgliederliste eingetragen wird. Da nach § 31 Abs. 1 Satz 1 GenG ein Einsichtsrecht für die Mitglieder und für Dritte mit einem berechtigten Interesse besteht, werden die Mustersatzungen diese Möglichkeit nicht vorsehen.

b. Darüber hinaus werden durch eine Änderung des § 30 Abs. 2 Satz 2 GenG die Dokumentationspflichten in der Mitgliederliste auf besonders wichtige Eintragungen (Beitritt, Veränderung der Zahl weiterer Geschäftsanteile und Ausscheiden) beschränkt. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit sowie die die Eintragung begründenden Tatsachen sind in sonstigen Fällen, z. B. bei Anschriftenänderungen oder Namensänderungen, nicht mehr zwingend zu dokumentieren.

9. Unterzeichnung des Protokolls der GV

§ 47 Abs. 2 Satz 1 GenG wurde dahingehend geändert, dass das Protokoll der GV/VV zukünftig nur noch vom Vorsitzenden und einem anwesenden Vorstandsmitglied zu unterschreiben ist. Die Mustersatzungen werden an dieser Stelle angepasst.

10. Auslegung der GV-Unterlagen im Internet

In § 48 Abs. 3 Satz 1 GenG wird klargestellt, dass die auszulegenden Unterlagen auch auf der Internetseite der Genossenschaft bereitgestellt werden können. Die Mustersatzungen werden entsprechend angepasst.

11. Prüfung der Mitgliederliste

Durch die Streichung der Wörter „einschließlich der Führung der Mitgliederliste“ in § 53 Abs. 1 Satz 1 GenG wird die Prüfung der Mitgliederliste als ausdrücklicher Gegenstand der Prüfung abgeschafft. Eine vollständige Abschaffung der Prüfung der Mitgliederliste ist mit der Änderung nicht intendiert. Die Führung der Mitgliederliste ist Geschäftsführungsaufgabe, die insgesamt Gegenstand der Prüfung ist. Sofern es keine Beanstandungen bei der Führung der Mitgliederliste gibt, muss diese nicht mehr Gegenstand jeder Prüfung sein.

12. Anhebung der Größenklassen

In § 53 Abs. 2 Satz 1 GenG werden die Schwellenwerte für die Befreiung von der Jahresabschlussprüfung im Rahmen der genossenschaftlichen Pflichtprüfung von 1 Million Euro Bilanzsumme auf 1,5 Millionen Euro und von 2 Millionen Euro Umsatzerlöse auf 3 Millionen Euro angehoben.

13. Einführung einer vereinfachten Prüfung

a. Durch den neuen § 53a GenG wird eine sog. vereinfachte Prüfung für Kleinstgenossenschaften (§ 336 Abs. 2 Satz 3 HGB, 350 TEUR Bilanzsumme, 700 TEUR Umsatzerlöse, durchschn. 10 Mitarbeiter), deren Satzung keine Nachschusspflicht vorsieht und die im maßgeblichen Zeitraum keine Mitgliederdarlehen (§ 21b Abs. 1 GenG) hereingenommen haben, eingeführt.

Eine vereinfachte Prüfung kann jede zweite Prüfung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GenG sein. Eine vereinfachte Prüfung beschränkt sich auf die Durchsicht der nach § 53a Abs. 2 GenG in Textform einzureichenden Unterlagen (Satzung, festgestellte Jahresabschlüsse, Nachweis über Offenlegung des Jahresabschlusses bzw. entsprechender Bekanntmachungs- oder Hinterlegungsauftrag, Mitgliederliste, Beschlüsse der GV, des Vorstands und Aufsichtsrats und sofern ausgeben, Vermögensanlagen i. S. d § 2 Abs. 1 Nummer 1a des Vermögensanlagengesetzes (z. B. Nachrangdarlehen)) und die Feststellung, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, an einer geordneten Vermögenslage oder der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu zweifeln. Die Unterlagen sind innerhalb von zwei Monaten nach Aufforderung durch den Prüfungsverband einzureichen, § 53a Abs. 2 Satz 2 GenG.

b. Sofern die geforderten Unterlagen nicht oder nicht vollständig eingereicht werden, hat der zuständige Prüfungsverband das Recht, eine vollständige Prüfung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GenG vorzunehmen, § 53a Abs. 3 Satz 1. Darüber hinaus kann die GV jederzeit eine vollständige Prüfung verlangen, § 53a Abs. 3 Satz 2 GenG. Die erstmalige Pflichtprüfung einer Genossenschaft ist stets eine vollständige Prüfung, § 53a Abs. 3 Satz 3 GenG.

14. Angabe des für die Prüfung zuständigen Prüfungsverbands

Jede Genossenschaft muss zukünftig den Namen und den Sitz des Prüfungsverbands auf ihrer Internetseite angeben, durch den die Genossenschaft geprüft wird. Sofern die Genossenschaft keine eigene Internetseite hat, hat die Angabe auf den Geschäftsbriefen zu erfolgen, § 54 Satz 2 GenG.

15. Regelung zum zuständigen Prüfungsverband im Fall der Mehrfachmitgliedschaft

§ 55 GenG ist um Abs. 4 ergänzt worden, der klarstellend regelt, dass eine Genossenschaft im Fall der Mehrfachmitgliedschaft in einem Prüfungsverband durch denjenigen Verband geprüft wird, bei dem die Genossenschaft die Mitgliedschaft zuerst erworben hat, es sei denn, der erste Verband, die Genossenschaft und der andere Verband, der künftig die Prüfung durchführen soll, einigen sich darauf, dass der andere Verband die Prüfung durchführen soll.

16. Behandlung des Prüfungsberichts in der GV

In den §§ 59 Abs. 1 Satz 1 u. 60 Abs. 1 GenG wird klargestellt, dass eine Beschlussfassung über den Prüfungsbericht in der GV/VV nicht erforderlich ist, sondern eine Beratung ausreicht. Folglich muss die Tagesordnung den Prüfungsbericht als Gegenstand der Beratung und nur in dem Fall, in dem es Beanstandungen des Prüfungsverbandes gab, als mögliche Beschlussfassung ankündigen, um z. B. Beschlüsse zur Beseitigung von festgestellten Mängel erfassen zu können.

17. Ausdehnung der Kündigungsfrist

§ 65 Abs. 2 Satz 3 GenG dehnt die Kündigungsfrist für Unternehmer i. S. d. § 14 BGB von bis zu zehn Jahren zum Zweck der Sicherung der Finanzierung des Anlagevermögens auf Genossenschaften aus, deren Mitglieder zu mehr als drei Viertel aus Unternehmern i. S. d. § 14 BGB bestehen. Zuvor war dies nur möglich, wenn alle Mitglieder der Genossenschaft Unternehmer i. S. d. § 14 BGB waren.

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