Herausforderungen für den Mittelstand in der 20. Legislaturperiode

Vorsondierungen, Sondierungen, Koalitionsverhandlungen: Der Weg bis zur neuen Bundesregierung ist noch lang. Klar ist aber schon jetzt: Die künftige Bundesregierung steht vor großen Aufgaben. Welche das insbesondere für den kooperierenden Mittelstand sind, hat DER MITTELSTANDSVERBUND in sechs Herausforderungen festgehalten.

Berlin, 12.10.2021 – Bis ein Regierungsbündnis geschmiedet und alles unter Dach und Fach ist, kann es möglicherweise noch einige Zeit dauern. DER MITTELSTANDSVERBUND hat bereits jetzt die zentralen Herausforderungen für den kooperierenden Mittelstand formuliert.

Deutscher Bundestag, Berlin

Zentrale Stelle für Kooperationen des Mittelstandes: 

Kooperationen des Mittelstandes – sowohl genossenschaftlich organisierte als auch solche mit anderer Rechtsform – brauchen eine zentrale Anlaufstelle in der Bundesregierung. Diese könnte als Stabstelle – oder als eigenständiges Referat – im BMWi angesiedelt sein und sollte branchen- und themenübergreifend Ansprechpartner für Kooperationen des Mittelstands und deren Verbände sein. Viele Themen und Projekte mit Auswirkungen auf Kooperationen (z.B. Förderrichtlinien) sind über die unterschiedlichsten Referate der Ministerien verteilt, ohne dass sie tieferes Verständnis von Kooperationen haben. Die zentrale Stelle für Kooperationen hält diese Entwicklungen im Blick und ist kompetenter Ansprechpartner auf Augenhöhe für die Fachbeamten. Sie kann zukünftig alle Anliegen mit kooperativem Schwerpunkt konstruktiv begleiten.

Wettbewerbs- und Kartellrecht/Daten im Verbund:

Im Unterschied zu Preisbindungen der 2. Hand, die vom Hersteller ausgehen und den Händler in seiner Preissetzungshoheit beschränken, sind für Verbundgruppen selbständiger Händler, die als Mitglieder einer (Einkaufs-)Genossenschaft oder sonstigen förderwirtschaftlichen Gruppe (insbesondere online) unter einheitlicher Marke auftreten, einheitlich festgelegte Preise notwendig, um die strukturellen und rechtlichen Wettbewerbsnachteile auszugleichen, die diese Verbundgruppen gegenüber integrierten Wettbewerbern haben. Aktuell werden der einheitlichen Preispolitik innerhalb von Verbundgruppen kartellrechtlich enge Grenzen gesetzt. In der Praxis können Verbundgruppen Produkte nur innerhalb zeitlich begrenzter Sonderangebotskampagnen von zwei bis sechs Wochen zu einheitlichen Preisen anbieten (Rdn. 182 Draft LL GVO-Vertikal). Das darin liegende Format sowie insbesondere die zeitliche Begrenzung entsprechen indes nicht mehr den heutigen Anforderungen an den E-Commerce: Für eine schlüssige Kommunikation mit dem Kunden braucht es eine klare Aussage über Verbraucherpreise. Nur so lassen sich die positiven Effekte in Verbundgruppen und Genossenschaften (z.B. über eine gemeinsame Online-Plattform), tatsächlich realisieren. Die strukturelle und rechtliche Benachteiligung von Verbundgruppen schadet daher nicht nur der Wettbewerbsfähigkeit von Verbundgruppen und deren Anschlusshäusern (in der Regel KMU), sondern dem Wettbewerb insgesamt.

Auch eine gemeinsame Nutzung von Daten, insbesondere Kundendaten, muss möglich sein, um den kooperierenden Mittelstand gegenüber den Plattformen der großen Digitalkonzerne zu stärken . Die hierfür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen müssen einen breiten Austausch von Daten innerhalb von Kooperationen ermöglichen. Dies gilt zum einen mit Blick auf den Austausch auch wettbewerbsrechtlich erheblicher Daten in einem Verbund, als auch für klare datenschutzrechtliche Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen auch personenbezogene Daten innerhalb einer Kooperation genutzt werden können.

Unternehmerische Sorgfalt in Lieferketten / Sozial- & umweltbezogene Berichtspflichten:  

Nicht nur das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), sondern auch die europäischen Pläne und die Entwicklungen in der Finanzwirtschaft bringen zunehmend mehr Aufgaben für das Management der Lieferketten mit sich, und zwar grundsätzlich für alle Unternehmen. Die Regulatorik muss hier mit Augenmaß gestaltet werden, so dass sie gerade für KMU sowohl realistisch als auch rechtssicher umsetzbar ist und diese nicht überfordert. Zudem muss die Politik den Unternehmen Hilfestellungen an die Hand geben, damit diese die geltenden Anforderungen zum einen rechtssicher und zum anderen mit vertretbarem Aufwand erfüllen können.

Weiterhin müssen die auf europäischer Ebene im Rahmen von Corporate Social Responsibility sowie der Taxonomie geplanten Berichtspflichten für mittelständische Unternehmen leistbar bleiben und einen klaren Mehrwert erkennen lassen.

Arbeitswelt von morgen:

Digitalisierung und Strukturwandel verändern die Arbeitswelt. Beschäftigte und Unternehmen brauchen mehr Flexibilität. So muss insbesondere das Arbeitszeitgesetz geändert und u.a. die tägliche Höchstarbeitszeit gestrichen werden. Jegliche weitere Regulierung am Arbeitsrecht sowie an angrenzenden Bereichen (z.B. Werkverträge), aber auch eine Ausweitung der Verantwortung des Arbeitgebers in den privaten Raum der Beschäftigten muss unterbleiben. Selbständigkeit und Unternehmertum dürfen nicht erschwert werden: z.B. muss die geplante Altersvorsorgepflicht für Selbständige praktikabel ausgestaltet werden.

Besteuerung mittelständischer Unternehmen:

Die Unternehmen des kooperierenden Mittelstandes unterliegen – im Vergleich zu vielen internationalen Konzernen – einer relativ hohen Besteuerung, die eine wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise zusätzlich erschwert. Neben einer wünschenswerten Senkung der Steuersätze ist vor allem eine bessere Harmonisierung der verschiedenen für kleine und mittlere Unternehmen relevanten Steuerarten (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) vordringlich. Ziel muss dabei eine gezielte strukturelle Entlastung gerade der mittelständischen Unternehmen sein. Auch ein Abbau von unsystematischen Zusatzbelastungen wie den Hinzurechnungstatbeständen bei der Gewerbesteuer sollte in diesem Zuge erfolgen.

Klimaschutz und Energiewende aktiv mitgestalten: 

Bei der politischen Ausgestaltung von Klimaschutz und Energiewende erwartet der Mittelstand, dass Planbarkeit und Verlässlichkeit wieder Grundsätze des wirtschaftlichen Regierungshandelns werden. Nur so kann die erforderliche Akzeptanz für die Klima- und Energiewende langfristig sichergestellt werden. Erforderlich ist insbesondere, die EEG-Umlage schnellstmöglich abzuschaffen und stattdessen eine marktgerechte CO2-Bepreisung auszubauen (z.B. Emissionshandel als Klimaschutz-Leitinstrument). Daneben müssen mittelständische Unternehmen durch gezielte Förderung aktiv in dem vor ihnen liegenden Transformationsprozess begleitet werden. Nicht zuletzt sind Qualifizierungsprogramme und -standards für die Umsetzung der Klimaziele zu schaffen und auszubauen, gerade auch mit Blick auf die Erfordernisse im Mittelstand.

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