Koalitionsvertrag-Check: Wettbewerbspolitik

Die Ampel-Koalition legt großen Wert auf das Thema Wettbewerb und macht sich dabei für strengere EU-Regeln bei Plattformen, eine Weiterentwicklung des deutschen Kartellrechts, die Stärkung des Bundeskartellamts im Verbraucherschutz sowie die Bekämpfung unfairen Handels stark. DER MITTELSTANDSVERBUND bewertet die Pläne.

Berlin, 07.12.2021 – In unserer mehrteiligen Beitragsreihe zum gemeinsamen Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung bewerten wir die verschiedenen Vorhaben von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nach den Themenschwerpunkten, die besondere Relevanz für die mittelständischen Unternehmen haben. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zur politischen Agenda der neuen Ampel-Koalition sowie deren Auswirkungen auf den kooperierenden Mittelstand bieten.

Der Wettbewerb und die Wettbewerbspolitik nehmen im Koalitionsvertrag eine besondere Stellung ein. Mehr als 60-mal taucht allein der Begriff „Wettbewerb“ in dem 177 Seiten starken Dokument auf. Grund genug, sich die den Wettbewerb betreffenden Themen einmal genauer anzuschauen:

Digitale Wirtschaft

Die Koalitionäre unterstützen zunächst ein grundsätzliches Level Playing Field im Wettbewerb und wollen sich für ambitionierte Regelungen des sogenannten Digital Markets Act (DMA) einsetzen, die nicht hinter bestehende nationale Regeln zurückfallen dürften. Gemeint ist hiermit die in Deutschland bereits seit Anfang 2021 in Kraft getretene Umsetzung des (noch nicht finalisierten) DMA in Form des GWB-Digitalisierungsgesetzes. Ziel der 10. GWB-Novelle war und ist es, die Spielregeln für marktbeherrschende Plattformen strenger zu fassen und zugleich die Chancen für Innovation sowie Markt- und Datenzugang gerade von mittelständischen Wettbewerbern zu erhöhen. Außerdem können die Kartellbehörden in Deutschland nun schärfer gegen mögliche Wettbewerbsverstöße der großen Digitalkonzerne wie Amazon, Google und Facebook vorgehen, wenn diese ihre marktbeherrschende Position ausnutzen (§ 19a GWB neu). Auf EU-Ebene soll die Gatekeeper-Regulierung durch den Digital Markets Act nun zumindest auf dem in Deutschland bereits umgesetzten Niveau erfolgen. Explizit genannt werden dabei Interoperabilitätsverpflichtungen und Regelungen zur Fusionskontrolle.

Auch wenn bereits die alte Bundesregierung entsprechende Forderungen nach strengeren Regelungen im Digital Markets Act in Brüssel erhoben hat und damit die Ansprüche der Ampel-Koalitionäre im Koalitionsvertrag nicht neu sind, unterstützt DER MITTELSTANDSVERBUND die Pläne ausdrücklich. Bislang sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmen des kooperierenden Mittelstands im Online-Handel substanziell benachteiligt, da ihnen der Zugang zu den für neue digitale Geschäftsmodelle notwendigen Daten verwehrt bleibt. Große Online-Plattformen, deren Expansion und Anwachsen auf marktbeherrschende Größe in ganz erheblichem Maße auf die Sammlung und exklusive Nutzung von Nutzerdaten zurückzuführen ist, lassen den mittelständischen Händlern kaum eine Möglichkeit, wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln und eigene Plattformen zu etablieren. Mit einem adäquaten Digital Markets Act kann europaweit ein wichtiger Schritt hin zu einem dringend notwendigen Level Playing Field gemacht werden.

Fairer Wettbewerb

Die neue Bundesregierung möchte die Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb verbessern, dabei den Erfordernissen des Mittelstands Rechnung tragen und die Aspekte Innovation, Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz sowie soziale Gerechtigkeit integrieren. Besonders möchte sich die Ampel um fairen Wettbewerb zwischen Geschäftsmodellen digitaler Großunternehmen und den lokal verwurzelten Unternehmen bemühen. Ein wesentlicher Schritt dazu soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sein, welches nun abermals evaluiert und weiterentwickelt werden soll. Geprüft werden soll zudem, wie das Bundeskartellamt gestärkt werden kann, um bei erheblichen, dauerhaften und wiederholten Verstößen gegen Normen des wirtschaftlichen Verbraucherrechts analog zu Verstößen gegen das GWB Verstöße zu ermitteln und diese abzustellen.

DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich seit jeher für fairen Wettbewerb und ein mittelstandsfreundliches Kartellrecht ein, welches den speziellen Anforderungen gerade von in Verbundgruppen organisierten KMU gerecht wird und diesen einen Nachteilsausgleich gegenüber Filialsystemen und sonstigen integrierten Systemen verschafft. Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung der Koalitionäre mit Blick auf den besonders zu beachtenden Mittelstand sehr zu begrüßen.  

Stärkung des Bundeskartellamtes im Verbraucherschutz

Dagegen kann DER MITTELSTANDSVERBUND mit einer zusätzlichen Erweiterung der Kompetenzen des Bundeskartellamts im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes nicht einverstanden sein. Dazu hatte sich der Spitzenverband der Kooperationen bereits im Vorfeld der letzten GWB-Novellen ausgesprochen und auf die bisher geltende Praxis verwiesen, nach der Verbraucherschutz privat oder auch durch die zahlreichen Verbraucherschutzverbände ausreichend effektiv durchgesetzt werden kann. Mit der 9. GWB-Novelle 2017 wurden dem Bundeskartellamt erstmals Befugnisse im wirtschaftlichen Verbraucherschutz übertragen, um Defiziten bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten insbesondere in der digitalen Wirtschaft zu begegnen. Allerdings kann das Amt bislang nur Sektoruntersuchungen durchführen und Stellungnahmen abgeben. Es besteht darüber hinaus keine Notwendigkeit, Verbraucherrechte parallel zur privaten Rechtsdurchsetzung auch noch behördlich durchzusetzen. Der Kostenaufwand, der für den Bundeshaushalt mit einer Erweiterung der behördlichen Befugnisse und der dort neu zu schaffenden Personalstellen verbunden wäre, ist daher bei kritischer Bewertung nicht zu rechtfertigen. Unabhängig von den grundsätzlichen Bedenken wäre es außerordentlich problematisch, einen Paradigmenwechsel im Bereich der Durchsetzung von Verbraucherschutzrechten einzuleiten, ohne dass bestehende Defizite im Bereich der privaten Rechtsdurchsetzung konkret belegt oder auch nur seriös benannt werden können.

Ministererlaubnis

Die Ampelparteien wollen wieder angemessene Klagemöglichkeiten gegen eine Ministererlaubnis schaffen und darauf hinwirken, dass der Deutsche Bundestag am Verfahren beteiligt wird.

Anders als im EU-Recht gibt es in der deutschen Fusionskontrolle für den jeweiligen Wirtschaftsminister die Möglichkeit, eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts gegen einen Unternehmenszusammenschluss abzuändern. Damit können und sollen auch außerwettbewerbliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um z.B. Technologieabflüsse aus Deutschland zu verhindern und Arbeitsplätze zu erhalten. Mit der 9. GWB-Novelle 2017 hat die Große Koalition das Recht dritter Unternehmen, gegen eine Ministererlaubnis gerichtlich vorzugehen, stark beschnitten. Dies soll nun richtigerweise korrigiert werden.

Lebensmittelkartellrecht und UTP

Im Bereich des Lebensmittelkartellrechts und der unlauteren Handelspraktiken („unfair trading practices“ = UTP) will die neue Bundesregierung erneut – nach erst vor kurzem erfolgten Änderungen in der 9. und 10. GWB-Novelle – die Missbrauchsaufsicht verschärfen und die Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt stärken. Auch soll erneut ein Verbot des Verkaufs von Lebensmittel unter Produktionskosten geprüft werden.

DER MITTELSTANDSVERBUND sieht die in diesem Zusammenhang gemachten Vorschläge und Pläne der Ampel-Koalitionäre kritisch. Dies betrifft zum einen die ins Auge gefasste Verschärfung der Missbrauchsaufsicht – hier wurden bereits mit den letzten beiden Novellen des GWB umfangreiche Regelungen ergänzt – zum anderen die erneute Diskussion um das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis bzw. Produktionskosten. Ein solches Verbot dürfte nur in wenigen Bereichen praktisch anwendbar sein, da eine Feststellung von Stückproduktionskosten mit höchst aufwendigen und mit Unsicherheiten behafteten Kostenberechnungen verbunden wäre. Das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis war genau aus solchen Praktikabilitätserwägungen vor Jahren abgeschafft worden. 

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