Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Einigung zwischen Regierungsfraktionen

Der Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ist auf der Zielgeraden. Zwischen den Koalitionsfraktionen wurde eine Einigung erzielt. Gegenüber dem Regierungsentwurf gibt es Änderungen, die u.a. die zivilrechtliche Haftung und den Anwendungsbereich des Gesetzes betreffen.

Berlin, 28.5.2021 – Nachdem mehrere Wochen zwischen den Koalitionsfraktionen über den Gesetzentwurf verhandelt und er vor kurzem sogar von der Agenda genommen wurde, hat es nun doch kurzfristig eine Einigung zum Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG) gegeben. Im Vergleich zum Referentenentwurf und Regierungsentwurf (wir berichteten) sind im Wesentlichen folgende Änderungen vorgesehen:

  • Anwendungsbereich:
    Gemäß des neuen § 1 Abs. 1 S. 2 LkSG ist das Gesetz auch anzuwenden auf Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform, die gemäß § 13 d HGB eine Zweigniederlassung im Inland haben. Somit können auch Unternehmen mit Hauptsitz im Ausland unter das Gesetz fallen, wenn sie eine Niederlassung in Deutschland haben und dort über 3.000/1.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind.
  • Zivilrechtliche Haftung: 
    Im Gesetz wurde ein neuer Absatz § 3 Abs. 3 LkSG aufgenommen mit folgendem Wortlaut:
    "Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Grundsatz begründet keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt."

    Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD erläutern dazu:
    "Der Regierungsentwurf eines Sorgfaltspflichtengesetzes wurde mit dem Ziel und der Vorstellung beschlossen, gegenüber der geltenden Rechtslage keine zusätzlichen Haftungsrisiken für Unternehmen zu schaffen. Die zum Zwecke einer Verbesserung der Menschenrechtslage in internationalen Lieferketten begründeten neuen Sorgfaltspflichten sollen vielmehr im Verwaltungsverfahren und mit Mitteln des Ordnungswidrigkeitsrechts durchgesetzt und sanktioniert werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf § 823 Abs. 2 BGB klarzustellen. Soweit unabhängig von den neu geschaffenen Sorgfaltspflichten bereits nach der geltenden Rechtslage eine zivilrechtliche Haftung begründet ist, soll diese jedoch unverändert fortbestehen und in besonders schwerwiegenden Fällen in ihrer Umsetzung erleichtert werden."
  • Menschenrechtsbezogene und umweltbezogene Pflichten:
    Das LkSG spricht nun in §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 LkSG von „menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Pflichten". Gemäß § 2 Abs. 5 S. 2 LkSG ist eine Verletzung umweltbezogenen Pflicht im Sinne dieses Gesetzes ein Verstoß gegen ein in § 2 Absatz 4 Nummer 1 bis 5 LkSG genanntes Verbot. Dies ist eine Ausweitung im Vergleich zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, da es nun auch explizitere „umweltbezogene Pflichten“ gibt.
  • Abbruch der Geschäftsbeziehungen:
    Im Gesetz wurde in § 7 Abs. 3 S. 2 LkSG folgender neuer Satz aufgenommen:
    „Die bloße Tatsache, dass ein Staat eines der in der Anlage zu diesem Gesetz aufgelisteten Abkommen nicht ratifiziert oder nicht in sein nationales Recht umgesetzt hat, führt nicht zu einer Pflicht zum Abbruch der Geschäftsbeziehung.“

    Damit wird klargestellt, dass ein außenwirtschaftliches Engagement auch in solchen Staaten grundsätzlich möglich sein kann, welche die internationalen Abkommen, wie beispielsweise die ILO-Kernarbeitsnormen, nicht ratifiziert oder umgesetzt haben.
  • Verantwortung für mittelbare Zulieferer:
    In § 9 Abs. 3 S. 1 LkSG wurde der Begriff „substantiierte Kenntnis“ definiert. Danach liegt substantiierte Kenntnis vor, wenn einem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine menschenrechtliche Verletzung oder einen Verstoß gegen eine umweltbezogene Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen. Im Vergleich zum Gesetzesentwurf wurde das Merkmal der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ aufgenommen.
  • Änderung im Betriebsverfassungsrecht:
    Es wurde ein neuer § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG eingeführt. Danach muss der Unternehmer dem Wirtschaftsausschuss im Unternehmen über „Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ unterrichten und diese mit ihm beraten.

Anbei finden Sie die aktuelle Textfassung mit den Änderungen im Änderungsmodus.

Aus Sicht DES MITTELSTANDSVERBUNDES ist damit insgesamt die wesentliche Substanz des Gesetzes erhalten geblieben. Es gibt sowohl Erleichterungen als auch Verschärfungen. Positiv zu bewerten ist die Aufnahme der Bestimmung zur zivilrechtlichen Haftung, wonach das Gesetz keine zusätzlichen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen über die bisherige Rechtslage hinaus begründen soll. Über die Reichweite dieser Formulierung wird es jedoch juristische Debatten geben, so dass diese Frage wohl erst in der Rückschau zu beantworten sein wird. Die Aufnahme von expliziteren "umweltbezogenen Pflichten" (anstatt nur "menschenrechtliche Pflichten") stellt dagegen gegenüber dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung eine Erweiterung dar.

Die zweite und dritte Lesung im Bundestag stehen nun in der nächsten Sitzungswoche, Ende Juni der zweite Durchgang im Bundesrat und im Juli die Verkündung des Gesetzes an. Die neuen Sorgfaltspflichten greifen dann ab Januar 2023 für Unternehmen über 3.000 Mitarbeiter und ab Januar 2024 für Unternehmen über 1.000 Mitarbeiter.

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