MITTELSTANDSVERBUND legt Stellungnahme zur Reform der Insolvenzanfechtung vor

Der Gesetzentwurf zur Änderung der Vorsatzanfechtung soll dem Mittelstand Rechts- und Planungssicherheit zurückgeben. Das begrüßt DER MITTELSTANDSVERBUND ausdrücklich – in einer ausführlichen Stellungnahme übt er aber auch Kritik.

Berlin, 12.06.2015 — Bei zahlungsunfähigen Unternehmen kann der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Anfechtung erklären und bereits geflossene Zahlungen zurückfordern — und das bis zu zehn Jahre zurück. Dafür kann es ausreichen, dass ein Gläubiger dem später insolventen Schuldner in der Vergangenheit eine im Wirtschaftsleben übliche Zahlungserleichterung, etwa eine Ratenzahlungs- oder Stundungsvereinbarung, gewährt hat.

Ist mit dieser Praxis, die gerade für kleinere und mittlere Unternehmen zu unkalkulierbaren und teilweise existenzbedrohenden Risiken im Geschäftsverkehr verbunden ist, nun Schluss? "Der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) Mitte März diesen Jahres vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung der Vorsatzanfechtung gibt tatsächlich Hoffnung in diese Richtung", sagt Dr. Marc Zgaga, Geschäftsführer und Rechtsexperte des MITTELSTANDSVERBUNDES. "DER MITTELSTANDVERBUND begrüßt die im Referentenentwurf aufgenommenen Änderungsvorschläge ausdrücklich", so Zgaga.

Denn der Gesetzentwurf berücksichtige in wesentlichen Teilen die Kritikpunkte des Spitzenverbandes des kooperierenden Mittelstandes. "Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass künftig verkehrsübliche Zahlungserleichterungen für sich genommen kein Indiz mehr für eine Kenntnis des Gläubigers darstellen und damit keine Möglichkeit für eine Vorsatzanfechtung durch den Insolvenzverwalter bieten sollen", erklärt der MITTELSTANDSVERBUND-Rechtsexperte.

Die wesentlichen Änderungsvorschläge im Überblick:

  • Für die Vorsatzanfechtung von sogenannten Deckungshandlungen (Handlungen, die einem Insolvenzgläubiger Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen) soll ein deutlich verkürzter Anfechtungszeitraum von lediglich vier (anstatt bislang zehn) Jahren gelten.
  • Anders als bislang, sollen kongruente Deckungen grundsätzlich erst dann anfechtbar sein, wenn der Schuldner sie in Kenntnis der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gewährte und der Gläubiger dies erkannt hat.
  • Gesetzliche Klarstellungen sollen dafür sorgen, dass die Handhabung praktisch relevanter Fallgruppen kalkulierbarer wird. So soll etwa die Bitte des Schuldners um eine verkehrsübliche Zahlungserleichterung für sich genommen nicht mehr zum Anknüpfungspunkt für die Begründung des Anfechtungsanspruches gemacht werden können.
  • Auch soll sich der Rechtsverkehr darauf verlassen können, dass keine Vorsatzanfechtung droht, wenn ersthafte Sanierungsbemühungen des Schuldners unterstützt werden sollen oder wenn dem Schuldner mit wertäquivalenten Bargeschäften die Fortführung seines Unternehmens oder die Sicherung seines Lebensbedarfs ermöglicht werden soll.
  • Weitere Vorschläge des Referentenentwurfs betreffen die Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs bei Zahlung von Arbeitsentgelt, des Privilegs der Zwangsvollstreckungsbefriedigung sowie der Neuregelung der Verzinsung des Anfechtungsanspruches.

Obwohl der Entwurf des BMJV vom MITTELSTANDSVERBUND grundsätzlich begrüßt wird, gibt es noch einige Punkte, die hinterfragt werden müssen. Die Kritikpunkte des Spitzenverbandes der Mittelstandskooperationen hat dieser in einer ausführlichen Stellungnahme an Bundesjustizminister Heiko Maas übermittelt.

Hier muss nach Ansicht des MITTELSTANDSVERBUNDES noch nachgebessert werden:

  • Die im Referentenentwurf anklingende beweisrechtliche Besserstellung des Gläubigers sollte unmittelbar im Wortlaut des Gesetzestextes eindeutig zum Ausdruck kommen — nicht nur in der Gesetzesbegründung.
  • Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES ist es gesetzessystematisch richtiger, das Bargeschäft grundsätzlich auch für den Tatbestand der Vorsatzanfechtung zu öffnen; dies würde dazu führen, dass jegliches Bargeschäft nicht mehr anfechtbar wäre.
  • Es ist unverständlich, dass die Anfechtungsfrist nicht grundsätzlich für den Tatbestand der Vorsatzanfechtung reduziert wird, sondern nur für den Teilbereich der Deckungshandlungen. Eine derartige Auftrennung der Grundstruktur der Vorsatzanfechtung ist nicht nachvollziehbar. Zudem plädiert DER MITTELSTANDSVERBUND dafür, die Anfechtungsfrist im Rahmen der Vorsatzanfechtung auf drei Jahre zu reduzieren.
  • Die Anforderung, unter welchen Voraussetzungen das Erfordernis eines "unmittelbaren" Leistungsaustauschs erfüllt ist und damitein grundsätzlich anfechtungsfreies Bargeschäft vorliegt, sollte auf alle Formen des unmittelbaren Leistungsaustauschs (v.a. Warenlieferungen gegen Bezahlung) ausgedehnt werden.
  • DER MITTELSTANDSVERBUND fordert als zeitlichen Anknüpfungspunkt für die Verzinsung eines berechtigten Anfechtungsanspruchs die Rechtshängigkeit der Anfechtungsklage. Erst zu diesem Zeitpunkt wird sich der Insolvenzverwalter vertiefend Gedanken über die Darlegung und den Beweisantritt für die anspruchsbegründenden Tatsachen machen müssen und diese in einer schlüssigen Klageschrift formulieren.
  • DER MITTELSTANDSVERBUND setzt sich dafür ein, dass nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern erst die jeweils konkrete Anfechtung durch den Insolvenzverwalter Anknüpfungspunkt für die Anwendung der neuen Gesetzesregelungen ist. Die darin zum Ausdruck kommende echte Rückwirkung ist zu begrüßen.

MITTELSTANDSVERBUND-Geschäftsführer Dr. Marc ZgagaDER MITTELSTANDSVERBUND wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren darauf drängen, die folgenden Verfahrensschritte zügig abzuschließen, so dass endlich wieder Rechts- und Planungssicherheit beim kooperierenden Mittelstand einkehren kann.

"Betroffene Unternehmen sollten schon jetzt die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Reformen bei laufenden Auseinandersetzungen mit dem Insolvenzverwalter als Argument nutzen", empfiehlt Rechtsexperte Zgaga.

Weitere Informationen:

Justizministerium legt endlich Entwurf zur Änderung der Insolvenzanfechtung vor
Download: Referentenentwurf BMJV zur Änderung der Insolvenzanfechtung  

Seite drucken

Ansprechpartner

Dr. Marc ZgagaDER MITTELSTANDSVERBUND
Dr. Marc Zgaga Geschäftsführer Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht