Neues Kaufrecht ab 2022 – Umsetzung der sogenannten Warenkaufrichtlinie als Herausforderung für den Mittelstand

Das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerte Kaufrecht, insbesondere das Gewährleistungsrecht, spielt für den kooperierenden Mittelstand, allen voran für den Einzel- und Großhandel, eine bedeutende Rolle. Die Umsetzung der sogenannten Warenkaufrichtlinie stellt die Verbundgruppen vor neue Herausforderungen.

Berlin, 08.10.2021 – Allein im Einzelhandel machen Verbraucher pro Jahr in 23 Mio. Fällen Gewährleistungsansprüche geltend, die eine Arbeits- und Sachkostenbelastung in Höhe von 1,4 Mrd. Euro verursachen.

Aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES bestand daher für eine Neuregelung des Gewährleistungsrechts auf europäischer Ebene bereits grundsätzlich kein Bedarf. Trotzdem wurde in Brüssel die sogenannte Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771) verabschiedet. In Umsetzung dieser Richtlinie, welche die bislang maßgebliche Verbrauchsgüterkaufrichtlinie aus dem Jahr 1999 ersetzt, hat der Deutsche Bundestag im Juni 2021 das "Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags" sowie das "Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen" (Umsetzung der Richtlinie, (EU) 2019/770, "dID-RL") beschlossen. Die Gesetze gelten in Deutschland ab 01. Januar 2022 und bringen bedeutende Änderungen insbesondere im Verbrauchsgüterkaufrecht, aber auch im allgemeinen Kaufrecht mit sich.

Zweck der Richtlinie und deren Umsetzung ist es, zum ordnungsgemäßen Funktionieren des digitalen Binnenmarkts beizutragen und gleichzeitig für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, indem gemeinsame Vorschriften über bestimmte Anforderungen an Kaufverträge zwischen Verkäufern und Verbrauchern festgelegt werden. Dabei sollen die neuen Kaufvertragsregelungen insbesondere berücksichtigen, dass es angesichts der technologischen Entwicklungen immer mehr Kaufverträge über Sachen mit digitalen Elementen gibt und insoweit ein hohes Verbraucherschutzniveau und Rechtssicherheit zu gewährleisten sind.

Neuer Vertragstyp

Die §§ 327 ff. BGB enthalten zukünftig ein eigenes (Verbrauchsgüter-)Kaufrecht für digitale Produkte – einschließlich eines eigenen Gewährleistungsrechts. Dabei richtet sich die Abgrenzung zum allgemeinen Kaufrecht nach den neu gestalteten Verbrauchsgüterkaufregelungen (§ 475a BGB). In den Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB fallen Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte unabhängig davon, wie das digitale Produkt übermittelt wird (online oder auf einem Datenträger). Gemeint sind hier z.B. PC-Programme, Video-, Audio- und Musikdateien sowie digitale Dienstleistungen wie Social-Media- und Messenger-Dienste, Plattformen und Datenbanken.

Neuer Sachmangelbegriff

Besondere Bedeutung für die Praxis wird die von der jetzigen Rechtslage stark abweichende Neudefinition des Begriffs der Mangelhaftigkeit einer Kaufsache in § 434 BGB haben. Derzeit reicht es nach dem sogenannten subjektiven Mangelbegriff aus, dass die Kaufsache der zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Nach der Neufassung des Sachmangelbegriffs muss die Kaufsache zusätzlich auch objektive Anforderungen erfüllen und sich insbesondere für die gewöhnliche Verwendung eignen und die übliche Beschaffenheit aufweisen. 

Neue Regelung zur Beweislastumkehr

Nach neuem Recht wird bei Auftreten eines Sachmangels innerhalb von 12 Monaten – und nicht wie bislang innerhalb von 6 Monaten – zu Gunsten des Verbrauchers vermutet, dass der Mangel schon bei Übergabe der Kaufsache vorlag. Dies gilt übrigens für alle Produkte, nicht nur für den digitalen Bereich. Die in § 477 BGB aufgenommene Regelung zur Beweislastumkehr könnte zu einem nicht unerheblichen Anstieg der Gewährleistungsfälle je nach betroffener Branche führen. Je mehr Zeit verstreicht, desto schwieriger wird es zudem für den Verkäufer, den Gegenbeweis der Mangelfreiheit zu führen.

Ebenfalls neu: Rücktritt vom Verbrauchsgüterkauf

Nach derzeitiger Rechtslage kann der Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf gem. § 475 BGB eine Nachbesserung und Nachlieferung selbst dann nicht ablehnen, wenn damit unverhältnismäßig hohe Kosten verbunden sind. Diese Regelung wird im neuen Recht gestrichen mit der Folge, dass die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers in solchen Fällen vollständig entfällt. Dem Käufer bleibt das Recht auf Rücktritt vom Vertrag oder auf Minderung des Kaufpreises. Hierbei dürfte es sich um eine der wenigen, den Verkäufer stärkende Vorschrift der Reform handeln.

Weitere im Rahmen der Umsetzung erfolgende Änderungen im deutschen Kaufrecht: 

  • Einführung einer Aktualisierungsverpflichtung für Sachen mit digitalen Elementen,
  • Einführung von Sonderbestimmungen für Sachen, für die eine dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente vereinbart ist,
  • Einführung von Sonderbestimmungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Rücktritt,
  • Einführung besonderer Anforderungen an die Vereinbarung einer Abweichung von objektiven Anforderungen an die Kaufsache,
  • Ergänzung der Bestimmungen für Garantien.

Die Kaufrechtsreform betrifft im Wesentlichen das Verbrauchsgüterkaufrecht und führt zu einer Stärkung der Verbraucherrechte. Allerdings ist in der Praxis damit zu rechnen, dass sich die dort getroffenen Regelungen auch auf die Vertragsgestaltungen im B2B-Bereich auswirken werden. Die neuen, vor allem den Verkäufer in die Pflicht nehmenden Vorschriften machen damit eine sorgfältige Prüfung und gegebenenfalls Überarbeitung und Anpassung von AGBs, Garantieerklärungen und sonstigen Vertragsdokumenten notwendig. Dies betrifft auch Verbundgruppen, die entsprechende Dokumente im Einsatz haben und digitale Dienstleistungen für ihre Anschlusshäuser erbringen.

Die ServiCon Service & Consult eG wird Ende November zu einer Webinar-Veranstaltung einladen, im Rahmen derer das neue Kaufrecht und der daraus resultierende Änderungsbedarf konkret besprochen und erläutert wird.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Marc Zgaga, Vorstandsvorsitzender der ServiCon.

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