Novelle des Europäischen Wettbewerbsrechts auf der Zielgeraden – MITTELSTANDSVERBUND drängt auf Level Playing Field für Verbundgruppen

Die Überarbeitung des Europäischen Wettbewerbsrechts und insbesondere der für den kooperierenden Mittelstand wichtigen Gruppenfreistellungs-Verordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (kurz: Vertikal-GVO) steht kurz vor ihrer Finalisierung. Der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes kämpft für die Beendigung der Benachteiligung der überbetrieblichen Zusammenarbeit in Verbundgruppen.

Brüssel, 23.02.2022 – Die Überarbeitung des Europäischen Wettbewerbsrechts und insbesondere der für den kooperierenden Mittelstand wichtigen Gruppenfreistellungs-Verordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (kurz: Vertikal-GVO) steht kurz vor ihrer Finalisierung. Die aktuelle Gesetzeslage benachteiligt dabei den kooperierenden Mittelstand in vielerlei Hinsicht: ob es um den Austausch sensibler Daten oder das gemeinsame erfolgreiche Marketing geht – aufgrund ihrer Struktur als Kooperation selbständiger Unternehmerinnen und Unternehmer erfahren Mittelständler, die sich überbetrieblich organisieren, seit Jahren strukturelle Nachteile gegenüber anderen Marktteilnehmern wie Filialsystemen und integrierten Ketten.

Was als solches schon eine besondere Herausforderung für den Mittelstand darstellt, wird durch die zunehmenden Marktanteile im Bereich E-Commerce noch verstärkt. Neben den „klassischen“ Marktbegleitern müssen sich Verbundgruppen heute dem Wettbewerb mit datengetriebenen Online-Plattformen und Marktplätzen stellen und auch die Industrie selbst drängt mit Direct-To-Consumer-Angeboten auf diesen neuen Markt.

Aktueller Rechtsrahmen unzureichend

Das EU-Wettbewerbsrecht oder genauer gesagt die Gruppenfreistellungs-Verordnung für Vertikale Verhaltensweisen hat darauf bislang unzureichende Antworten. Dies insbesondere mit Blick auf die Möglichkeiten, im Verbund mit einheitlichen Preisen aufzutreten. Auch wenn im Bereich des stationären Handels Verhaltensweisen wie etwa kurzfristige Sonderangebotskampagnen als wettbewerbsfördernd und damit zulässig erachtet werden, können diese Grundsätze nur unzureichend in den E-Commerce übertragen werden.

Notwendigkeit weiterer Möglichkeiten der Preispolitik im Verbund

Im Unterschied zu Preisbindungen der 2. Hand, die vom Hersteller ausgehen und den Händler in seiner Preissetzungshoheit beschränken, sind für Verbundgruppen selbständiger Händler, die als Mitglieder einer Genossenschaft oder sonstigen förderwirtschaftlichen Gruppe (insbesondere online) unter einheitlicher Marke auftreten, einheitlich festgelegte Preise notwendig, um die strukturellen und rechtlichen Wettbewerbsnachteile auszugleichen, die diese Verbundgruppen gegenüber integrierten Wettbewerbern haben.

Aktuell werden aber der einheitlichen Preispolitik innerhalb von Verbundgruppen kartellrechtlich enge Grenzen gesetzt. In der Praxis können Verbundgruppen Produkte nur innerhalb zeitlich begrenzter Sonderangebotskampagnen von zwei bis sechs Wochen zu einheitlichen Preisen anbieten (Rdn. 182 Draft LL GVO-Vertikal). Das darin liegende Format sowie insbesondere die zeitliche Begrenzung entsprechen indes nicht mehr den heutigen Anforderungen an den E-Commerce: Für eine schlüssige Kommunikation mit dem Kunden braucht es eine klare Aussage über Verbraucherpreise. Nur so lassen sich die positiven Effekte in Verbundgruppen und Genossenschaften (z.B. über eine gemeinsame Online-Plattform), tatsächlich realisieren. Potenzielle Kunden können Verbundgruppen und deren Händler bei gemeinsamen Online-Aktivitäten deswegen online schlechter finden, weil ihre Angebote von Suchmaschinen schlechter gefunden bzw. erst nach den einheitlichen Angeboten integrierter Wettbewerber aufgeführt werden.

Verbundgruppen verfügen deswegen über weniger Informationen über die Wünsche ihrer (potenziellen) Kunden als ihre großen integrierten Wettbewerber. Solche Informationen sind aber essenziell, um den Kunden interessante Angebote zu machen und mit den großen Wettbewerbern, die zudem noch über erheblich größere finanzielle Mittel (insbesondere Werbebudgets) verfügen, konkurrieren zu können. Die strukturelle und rechtliche Benachteiligung von Verbundgruppen schadet daher nicht nur der Wettbewerbsfähigkeit von Verbundgruppen und deren Anschlusshäusern (in der Regel KMU), sondern dem Wettbewerb insgesamt.

MITTELSTANDSVERBUND drängt auf weitere Änderungen

Um diese Nachteile auszugleichen und die Verbundgruppen in die Lage zu versetzen, mit marktbeherrschenden, hybriden Plattformanbietern konkurrieren zu können, ist vor allem die Schaffung eines Level Playing Fields für alle Marktakteure wichtig. Übrigens: Auch das Bundeskartellamt bewertet diesen Sachverhalt ähnlich und rät in diesem Zusammenhang zu einer Änderung der aktuellen Leitlinien GVO-Vertikal (vgl. BKartA, Arbeitspapier des Arbeitskreises Kartellrecht vom 10. Oktober 2019 "Quo vadis Vertikal-GVO – Zeit für eine Anpassung an die Digitalökonomie?"). Dies insbesondere vor dem Hintergrund, um für Verbundgruppen kleinerer Einzelhändler beim Betrieb einer gemeinsamen Plattform unter einheitlicher Marke überhaupt eine Konkurrenzfähigkeit gegenüber großen Plattformen herzustellen.

DER MITTELSTANDSVERBUND hat daher bereits früh konkrete Änderungsvorschläge unterbreitet und diese in zahlreichen Konferenzen, bilateralen Gesprächen und Austauschen mit der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, die das Dossier bearbeitet, erläutert. Aktuell werden diese Bemühungen für eine zielführende Novelle noch einmal verstärkt.

Es bleibt sodann abzuwarten, ob sich die Europäische Kommission endlich der Argumentation für eine notwendige und sinnvolle Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den kooperierenden Mittelstand anschließt.

Seite drucken

Ansprechpartner

Dr. Marc ZgagaDER MITTELSTANDSVERBUND
Dr. Marc Zgaga Geschäftsführer Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht