Schriftformheilungsklausel in (Gewerbe-)Mietverträgen unwirksam
Mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil des BGH rückt das Thema Schriftform bei langfristigen Mietverträgen wieder in den Fokus. Danach kann jede Partei unter Berufung auf Schriftformmängel vorzeitig kündigen – auch, wenn der Vertrag eine Schriftformheilungsklausel enthält. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.
Berlin, 06.12.2017 – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27. September 2017 entschieden, dass sogenannte Schriftformheilungsklauseln mit der Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam sind – BGH-Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16. Die Mietvertragsparteien können sich daher nicht mehr auf die Unmöglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Mietvertrages während der vereinbarten Festlaufzeit verlassen. Mit dem am 07. November 2017 veröffentlichten Urteil des BGH dürfte das Thema Schriftform nun in den Fokus rücken.
Hintergrund
Mietverträge mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr müssen schriftlich abgeschlossen werden – das besagt § 550 BGB. Alle wesentlichen Vertragsbedingungen, also der Mietgegenstand, die Miethöhe sowie die Dauer und Parteien des Mietverhältnisses, müssen sich aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Ist die Schriftform nicht gewahrt, bleibt der Mietvertrag zwar wirksam – er gilt jedoch als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann deshalb jederzeit mit ordentlicher Frist gekündigt werden.
In der Praxis zeigt sich, dass viele langfristige Mietverträge, insbesondere Gewerbemieterträge, die Schriftform nicht einhalten und daher vorzeitig kündbar sind. Um das zu vermeiden, werden häufig sogenannte Schriftformheilungsklauseln vereinbart. Darin verpflichten sich die Parteien, etwaige Schriftformmängel zu beheben und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf solche Mängel vorzeitig zu kündigen.
In der Vergangenheit hielt die Rechtsprechung solche Klauseln überwiegend für wirksam. Anfang 2014 entschied der BGH aber erstmals, dass sie nicht für Grundstückserwerber gelten, die kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eintreten – Urteil vom 22. Januar 2014, XII ZR 68/10. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt war umstritten, ob und unter welchen Bedingungen Schriftformheilungsklauseln wirksam sind.
BGH kippt Schriftformheilungsklauseln generell
In seinem jetzt veröffentlichen Urteil hat der BGH den Streit dahingehend entschieden, dass Schriftformheilungsklauseln generell unwirksam sind. Das gilt gleichermaßen für Wohnungs- wie für Gewerbemietverträge. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klausel individuell ausgehandelt oder als vorformulierte Geschäftsbedingung einseitig vorgegeben wurde.
Der Fall des BGH
Im Mietvertrag beziehungsweise seinem Nachtrag hatten die Mietparteien ursprünglich eine Wertsicherungsklausel vereinbart, wonach die Miete anzupassen ist, wenn sich der Verbraucherpreisindex um mindestens zehn Punkte verändert. Der Nachtrag enthielt zudem eine Schriftformheilungsklausel, wie sie heute in fast jedem Gewerberaummietvertrag zu finden ist.
In der Folgezeit bat der Vermieter den Mieter in einem Schreiben die Wertsicherungsklausel dahingehend zu ändern, dass die Miete nicht erst ab einer Veränderung von zehn Punkten, sondern ab einer Veränderung von 5 Prozent des Verbraucherpreisindexes angepasst wird. Der Mieter vermerkte auf dem Vermieterschreiben handschriftlich “6 Prozent einverstanden” und gab das von ihm unterschriebene Schreiben an den Vermieter zurück. Der Vermieter erhöhte wenige Monate später aufgrund Erreichens der 6 Prozent-Schwelle die Miete, die der Mieter fortan auch entrichtete. Drei Jahre später kündigte der Vermieter dem Mieter ordentlich aufgrund Nichteinhaltung der Schriftform. Zu Unrecht urteilte der BGH – jedoch überraschender Weise nicht aufgrund der vereinbarten Schriftformheilungsklausel.
Die Begründung
Der BGH begründete seine Entscheidung mit dem Schutzzweck des § 550 BGB, der durch eine Schriftformheilungsklausel vereitelt würde. Indem es ein Kündigungsrecht gewähre, schütze das Schriftformerfordernis einerseits den Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes in bestehende Mietverhältnisse eintritt (§ 566 BGB). Er solle nicht langfristig an ihm unbekannte – weil nur mündlich vereinbarte – mietvertragliche Regelungen gebunden werden.
Andererseits schütze das Schriftformerfordernis auch die ursprünglichen Vertragsparteien vor Übereilung und diene der Beweisbarkeit langfristiger Abreden – § 550 BGB sei zwingendes Recht. Die Vorschrift liefe ins Leere, wenn die Parteien durch eine Schriftformheilungsklausel wirksam daran gehindert würden, bei Schriftformmängeln zu kündigen.
Im vorliegenden Fall hielt der BGH die Kündigung des Vermieters indes aus anderen Gründen für unwirksam. Ursache des dortigen Schriftformverstoßes war eine nachträgliche Anpassung der Wertsicherungsklausel, die wirtschaftlich allein dem Vermieter zugute kam. Seine auf diesen Schriftformverstoß gestützte Kündigung sei folglich treuwidrig und daher unwirksam.
Auswirkungen auf die Praxis
Die Entscheidung gibt dem Thema Schriftform bei langfristigen Mietverträgen neue Brisanz. Das betrifft nicht nur die ursprünglichen Parteien des Mietverhältnisses, sondern auch Investoren, die Immobilien wegen der erwarteten Mieterträge erwerben.
Zwar konnten Schriftformheilungsklauseln jedenfalls seit 2014 nicht mehr als sicheres „Allheilmittel″ gegen Schriftformkündigungen angesehen werden. Nunmehr steht aber fest, dass sie nicht nur in bestimmten Konstellationen, sondern generell wirkungslos sind.
Spätestens jetzt muss daher wieder äußerst sorgfältig auf die Einhaltung der Schriftform geachtet werden – beim Abschluss von Mietverträgen und ihren Nachträgen ebenso wie bei der rechtlichen Due Diligence im Rahmen von Immobilientransaktionen. Alle Nebenabreden zum Mietvertrag sollten genauestens und schriftformkonform festgehalten werden.