„Stay and Behave“ für Unternehmen leichter machen – Beirat des BMWK präsentiert Gutachten zur Ausgestaltung von Lieferkettengesetzen

Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWK hat ein Gutachten zum Thema „Menschenrechte und unternehmerische Sorgfaltspflichten“ veröffentlicht. Seine wichtigste Empfehlung ist, im Rahmen der europäischen Regeln eine Liste „sicherer Herkunftsländer“ vorzusehen, so dass ein präventives Monitoring von dort ansässigen Unternehmen entfallen kann. Für Unternehmen aus nicht sicheren Herkunftsländern werden Positiv- und Negativlisten empfohlen, so dass nur für dort nicht aufgeführte Unternehmen eine Pflicht zum Monitoring bestünde.

Berlin, 15.06.2022 – Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beleuchtet in seinem aktuellen Gutachten die Lieferkettenregulierung auf nationaler und europäischer Ebene und gibt hierzu konkrete Handlungsempfehlungen.

Ein zentrales Ziel des deutschen Lieferkettengesetzes lautet “Stay and Behave.” Firmen sollen ihre bestehenden Geschäftsbeziehungen nutzen, um Verbesserungen bei Arbeitnehmer- und Menschenrechten zu erreichen. Nicht gewünscht ist, dass sie Lieferketten verlagern.

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und das geplante Europäische Lieferkettengesetz verpflichten betroffene Unternehmen insbeson­dere zu einem Monitoring, das mögliche Risiken für Menschen­ und Arbeitnehmerrechte identifiziert, und sie sehen Sanktionen vor für den Fall, dass Un­ternehmen ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkom­men. Die Empfehlungen des Beirates zielen darauf, ein möglichst effizientes Monitoring zu ermöglichen und Rechtsunsicherheit zu reduzieren. Ein unnötiger Aufwand entsteht insbesondere, wenn im Ausland tätige Unter­nehmen mit mehreren europäischen Unternehmen über Lieferketten verbunden sind und dann ein mehrfaches Monitoring durch all diese Unterneh­men erfolgen muss. Ebenso ist es ineffizient, ein Monitoring für Unternehmen vorzusehen, die in Ländern angesiedelt sind, die über intakte rechts­ staatliche Institutionen verfügen, sodass unterstellt werden kann, dass Verstöße gegen Menschen­ und Arbeitnehmerrechte dort wirksam vor Gericht gebracht werden können.

Die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirates sind wie folgt zusammenzufassen:

  • Im Rahmen der europäischen Regeln sollte eine Liste „sicherer Herkunftsländer“ vorgesehen werden, die sowohl die ein­schlägigen Konventionen für Menschen­ und Arbeit­ nehmerrechte ratifiziert haben und die über eine funktionierende rechtsstaatliche Ordnung verfügen. Ein präventives Monitoring von Unternehmen, die in solchen Ländern ansässig sind, kann entfallen.
  • Für Unternehmen aus nicht­sicheren Herkunfts­ländern sollte es Positivlisten und Negativlisten geben, die eine Wahrung von Menschen­ und Arbeit­ nehmerrechten zertifizieren oder aber auf eine sys­tematische Verletzung hinweisen. Für Unternehmen, die auf solchen Listen stehen, entfällt dann eben­ falls das Ex­ante­Monitoring. Dieses bleibt nur für Unternehmen erforderlich, die auf keiner dieser Listen stehen.
  • Sorgfaltspflichtengesetze zielen auf eine Verbesse­rung bei der Wahrung elementarer Menschen­ und Arbeitnehmerrechte und sollten sich auch darauf beschränken. Es wäre eine Anmaßung, von im ­Ausland tätigen Unternehmen zu ver­langen, sich dort an die vielfach strengere Regulierung der EU halten zu müssen. 
  • Viele Verbraucher an Informa­tionen über die Produktionsbedingungen der von ihnen konsumierten Waren und Dienstleistungen interessiert und richten ihre Kaufentscheidungen entsprechend aus. Siegel machen derartige Informationen verfügbar. Auch Kennzeichnungs­pflichten erhöhen die Transparenz  über Produktionsbedingungen. Der Beirat begrüßt diese Entwicklung.
  • Die Wahrung von Nachhaltigkeitsstandards wird immer wichtiger und Unternehmen müssen darauf in effizienter Weise reagieren. Dies kann eine Koordination der Unternehmen erfordern, eine Verabredung von Standards und eine Selbstverpflichtung, Geschäftsbeziehungen zu als problema­tisch erachteten Zulieferern zu kappen. Eine derar­tige Koordination kann mit dem Wettbewerbsrecht in Konflikt gera­ten. Der Beirat empfiehlt daher eine Ausgestaltung der europäischen Lieferkettenregeln und eine Anpassung des europäischen Wettbewerbsrechts, die derartige Kooperationen erleichtert.
  • Sorgfaltspflichtengesetze sind eine jüngere Ent­wicklung der internationalen Wirtschaftspolitik und evidenzbasierte Analysen, wie derartige Gesetze wirken, liegen noch nicht vor. Es ist daher nicht gesichert, dass diese Gesetze die beabsichtigte Wirkung entfalten. Der Beirat empfiehlt eine Evaluation sowohl für das bereits ver­abschiedete deutsche als auch für das geplante europäische Lieferkettengesetz. Hierfür sind kon­zeptionelle, methodische und datentechnische Vorarbeiten einzuleiten.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz setzt sich aus Sachverständigen zusammen, die den Bundesminister in wirtschaftspolitischen Fachfragen unabhängig beraten. Die Mitglieder beraten sich zu selbstgewählten Themen unabhängig vom BMWK. Die Ergebnisse sind damit eigenständige Meinungsäußerungen des Beirats, nicht Positionen des BMWK. 

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt die Positionierung des Wissenschaftlichen Beirates als zielgerichtet und pragmatisch. Er bringt die hehren Ziele der Lieferkettenregulierung mit einer effektiven und möglichst rechtssicheren Umsetzung in Einklang. Nun ist es an der Politik, diese Empfehlungen schnellstmöglich umzusetzen. Denn auch wenn die nationalen Verpflichtungen je nach Unternehmensgröße erst ab 2023 bzw. 2024 greifen, so sind doch alle Unternehmen und deren Geschäftspartner schon längst mit den Vorbereitungen befasst. Hier eine klare und sichere Priorisierung an die Hand zu bekommen, ist schnellstens erforderlich. 

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