Stellungnahme zum Referentenentwurf des GWB-Digitalisierungsgesetzes

DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt den Referentenentwurf eines GWB-Digitalisierungsgesetzes, das eine Anpassung des Kartellrechts forciert, um den Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden. In diesem Rahmen fordert DER MITTELSTANDSVERBUND in seiner Stellungnahme gegenüber dem BMWi einen proaktiveren Ansatz, der einen schnelleren Datenzugang bei Vorliegen einer datengestützten Marktmacht gewährleisten könnte.

Berlin, 12.02.2020 – DER MITTELSTANDSVERBUND ist zunächst der Ansicht, dass sich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit seinen allgemeinen, sektorübergreifend geltenden kartellrechtlichen Vorschriften in der Praxis grundsätzlich bewährt hat. Allerdings ist festzustellen, dass der das gesamte Wirtschaftsleben, insbesondere aber kleine und mittlere Unternehmen betreffende und noch immer rasant voranschreitende Prozess der digitalen Transformation eine besonders große Herausforderung für sämtliche Marktteilnehmer, ebenso wie für die Wettbewerbspolitik darstellt.

Den Anforderungen des digitalen Zeitalters gerecht werden

DER MITTELSTANDSVERBUND hat zum Referentenentwurf des GWB-Digitalisierungsgesetzes Stellung genommen.Es ist daher ausdrücklich zu begrüßen, dass der Referentenentwurf eines GWB-Digitalisierungsgesetzes eine die sich verändernden Gegebenheiten berücksichtigende Anpassung des Kartellrechts ins Auge fasst, um so den Anforderungen des digitalen Zeitalters an die Wirtschaft besser Rechnung zu tragen.

Substanzielle Benachteiligung des kooperierenden Mittelstandes

Das Wettbewerbsrecht stellt dabei nach Ansicht des MITTELSTANDSVERBUNDES den richtigen Rahmen dar, um unerwünschten Einschränkungen des Wettbewerbs im Zuge einer dominierenden Marktmacht der großen Online-Plattformen angemessen entgegenzutreten und diese möglichst zu verhindern. Gegenwärtig erleben wir, wie gerade die Unternehmen des kooperierenden Mittelstands im Online-Handel substanziell benachteiligt sind, da ihnen der Zugang zu den für neue digitale Geschäftsmodelle notwendigen Daten verwehrt bleibt. Große Online-Plattformen, deren Expansion und Anwachsen auf marktbeherrschende Größe in ganz erheblichem Maße auf die Sammlung und exklusive Nutzung von Nutzerdaten zurückzuführen ist, lassen den mittelständischen Händlern kaum eine Möglichkeit, wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln und eigene Plattformen zu etablieren.

Grund dafür ist nicht etwa eine mangelnde Innovationsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen, sondern in erster Linie der eingeschränkte Zugang zu den Daten, die auf Online-Plattformen generiert werden. Letzterer ist daher problematisch, weil diese Daten überwiegend durch die Nutzer der Plattform generiert werden und nicht originär durch die Plattformbetreiber selbst. Zu den Nutzern gehören vornehmlich mittelständische Händler, die selbst auf als Marktplatz fungierenden Plattformen Handel treiben.

Priorität: Datenzugang erleichtern

Dies gilt insbesondere für Plattformen, die eine problematische Doppelrolle als Marktplatz und Händler zugleich aufweisen. Aufgrund der in der digitalen Wirtschaft entscheidenden Bedeutung von Daten können sie daher ihre marktbeherrschende Stellung zunehmend ausbauen und verhindern einen fairen Wettbewerb mit mittelständischen Händlern. Letzteren den Zugang zu Daten zu erleichtern und damit den für die soziale Marktwirtschaft konstitutiven Wettbewerb auch im Online-Handel zu ermöglichen, muss daher die Priorität der Wettbewerbspolitik sein.

Richtiger Ansatz angesichts ungleicher Marktmacht

Die Fragen der Marktmachtdefinition sowie die Begründung und Durchsetzung von Datenzugangsansprüchen aufgrund des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung müssen künftig mit einer belastbaren kartellbehördlichen Praxis beantwortet werden. Aus diesem Grund unterstützt DER MITTELSTANDSVERBUND die Vorschläge des Referentenentwurfs grundsätzlich als taugliche Antwort auf die wettbewerbsrechtlichen Herausforderungen.

Dabei ist insbesondere die Klarstellung in § 18 Abs. 3 GWB Ref-E zu begrüßen, dass der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten in allen Wirtschaftsbereichen für die Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens relevant ist. Genauso wichtig ist in diesem Zusammenhang die vorgeschlagene Schärfung der Erfassung der Marktmacht digitaler Plattformen in § 18 Abs. 3a GWB Ref-E.

Proaktiver Ansatz gefordert - Ex-ante-Ansatz in Erwägung ziehen

Es ist dennoch fraglich, ob das gewählte Vorgehen tatsächlich zur Verhinderung von Marktverzerrungen führen wird. Gerade mittelständische Unternehmen schrecken oftmals vor der Einleitung kartellrechtlicher Verfahren aufgrund der zu erwartenden langen Zeiträume bis zum Verfahrensabschluss und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit zurück. Der Gesetzgeber scheint dieses Problem zwar erkannt zu haben, was insbesondere die Absenkung der der Voraussetzung zum Erlass einstweiliger Maßnahmen im Sinne der Neufassung des § 32a Abs. 1 GWB Ref-E zeigt.

Gleichwohl gilt: Auch wenn das bestehende Ex-post-System gerade durch die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Ergänzungen weiterhin seine Berechtigung behält, befürwortet DER MITTELSTANDSVERBUND einen proaktiveren Ansatz. Auf großen Marktplätzen agierende mittelständische Händler brauchen schnellere Mechanismen für einen Zugang zu Daten, um im Wettbewerb Schritt halten zu können. Es sollte daher in Erwägung gezogen werden, im Bereich der Datenökonomie einen Ex-ante-Ansatz zu wählen. In diesem Zuge sollte den Marktplatzteilnehmern der Datenzugang bei Vorliegen einer datengestützten Marktmacht sofort ohne weiteres Verfahren gewährt werden.

Datenzugang nicht grundsätzlich gegen Entgelt

Die Klarstellung in § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB Ref-E, dass auch eine Verweigerung des Zugangs zu Plattformen oder Schnittstellen sowie die Verweigerung des Zugangs zu wettbewerbsrelevanten Daten selbst missbräuchlich sein kann, ist sehr zu begrüßen. Problematisch ist hingegen die Formulierung, dass ein Zugang „gegen angemessenes Entgelt“ gewährt werden soll. Gerade in Anbetracht der oben festgestellten Wettbewerbsnachteile für den Mittelstand ist es nicht angemessen, den Zugang grundsätzlich zu vergüten. Daher sollte die entsprechende Formulierung durch ein „gegebenenfalls“ ergänzt werden.

Anwendungsbereich der Missbrauchsaufsicht nicht erweitern

Der Referentenentwurf schlägt vor, den Anwendungsbereichs der Missbrauchsaufsicht zu erweitern und dazu die Beschränkung des Schutzbereichs in § 20 Abs. 1 GWB auf kleine und mittlere Unternehmen zu streichen. Stattdessen soll die Anwendbarkeit davon abhängig sein, dass die Abhängigkeit wegen einer deutlichen Asymmetrie nicht durch eine entsprechende Gegenmacht der Anbieter oder Nachfrager des marktstarken Unternehmens aufgewogen wird. Diese Auffassung wird vom MITTELSTANDSVERBUND nicht geteilt und daher die Änderung abgelehnt.Ob und inwieweit ein wechselseitige Abhängigkeitslage zwischen zwei Unternehmen besteht, lässt sich nach unserer Auffassung kaum beantworten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil eine Abschätzung der Folgen durch eine Beendigung der Vertragsbeziehungen für die jeweiligen Vertragspartner nur sehr schwer zu treffen wäre.

Art und Weise des Datenzugangs entscheidend

Der Zugang zu E-Commerce-Daten ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ein bedeutsamer Faktor im Wettbewerb und kann diesen entscheidend beeinflussen. Vor diesem Hintergrund begrüßt DER MITTELSTANDSVERBUND ausdrücklich die Aufnahme einer kartellrechtlichen Regelung eines begrenzten Datenzugangsanspruchs in § 20 Abs. 1a GWB Ref-E. Über die in der Gesetzesbegründung genannten spezifischen Konstellationen hinaus sollte der Datenzugangsanspruch aber auch auf entsprechende Plattformkonstellationen Anwendung finden – zumindest solche, in denen der Plattformbetreiber gleichzeitig als Verkäufer agiert. Hier sollte eine regulatorische Verpflichtung des Plattformbetreibers gewährleisten, dass die im Wesentlichen aus kleinen und mittleren Unternehmen bestehenden Händler gleichen Zugang zu Daten erhalten. Dies könnte entweder durch die Weitergabe aufbereiteter Informationen oder Data Sharing erfolgen.

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