Transportkosten bei Nacherfüllung: BGH schreibt Gewährleistungsrecht fort

In einer seiner jüngsten Entscheidungen erweitert Deutschlands oberstes Zivilgericht die Pflichten aus dem bestehenden Gewährleistungsrecht – nicht unbedingt zum Vorteil der Händler.

Brüssel, 24.07.2017 – Kann der Käufer eines Gebrauchtwagens im Falle eines auftretenden Mangels die Vorauszahlung der anfallenden Transportkosten des Wagens zum Händler verlangen? Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich jüngst mit der Frage (Urteil vom 19.07.2017, Az. VIII ZR 278/16) – und bejahte diese.

Dies hat zum einen Bedeutung hinsichtlich des Umfangs des Nacherfüllungsanspruchs des Käufers und zum anderen Auswirkungen auf eventuelle Folgeansprüche.

Der Ausgangsfall

Im Ausgangsfall wies der vom Kläger gekaufte Gebrauchtwagen nach der Überführung vermeintliche Mängel auf. Der Käufer informierte den Verkäufer über diese und verlangte Nacherfüllung. Da Käufer und Verkäufer in unterschiedlichen Städten wohnten, verlangte der Käufer einen Vorschuss für die anfallenden Transportkosten des PKWs zum Sitz des Verkäufers. Dieser verweigerte jegliche Zahlungen.

Der Käufer ließ den Wagen daraufhin selber reparieren und verlangte im Anschluss Schadensersatz für Reparatur-, Transport- und Reisekosten. Auch dies verweigerte der Verkäufer, sodass der Käufer Klagen auf Zahlung des vermeintlichen Schadensersatzanspruches erhob.

Klage des Käufers in Vorinstanz abgewiesen

Die Vorinstanzen wiesen die Klage des Käufers ab. Sie verwiesen auf die Unwirksamkeit des Nacherfüllungsverlangens. Bislang gingen die Gerichte nämlich davon aus, dass ein Käufer die Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung stellen muss.

Im vorliegenden Fall hätte der Käufer daher den PKW am Geschäftssitz des Verkäufers zur Begutachtung (ob überhaupt ein Mangel vorliegt) zur Verfügung stellen müssen. Und dies auf eigene Kosten! Da dies nicht erfolgt sei, bzw. von einer unzulässigen Voraussetzung – der Vorauszahlung der anfallenden Transportkosten – abhängig gemacht wurde, sei kein wirksames Nacherfüllungsverlangen geäußert worden. In der Konsequenz könne dann auch kein Schadensersatz (wegen nichterfolgter Nacherfüllung) verlangt werden.

BGH erweitert Rechte und Pflichten im Gewährleistungsrecht

Der BGH bricht nunmehr mit dieser einschlägigen Rechtsprechung. Das oberste Gericht stellt auf den Grundgedanken einer wirksamen Durchsetzung der Gewährleistungsrechte ab. Dieser verbiete die Zahlung von Transportkosten durch den Käufer. Vielmehr müsse der Käufer lediglich gewährleisten, dass der Verkäufer die Kaufsache begutachten kann.

Der Käufer hätte dem Verkäufer den PKW also im Zweifel zum Abtransport an den Geschäftssitz des Verkäufers überlassen müssen. Da letzterer dies nicht forderte, hätte der Käufer zumindest Anspruch auf Vorleistung in Form der anfallenden Transportkosten des PKW, da er ansonsten an der Ausübung seines Gewährleistungsrechts gehindert sei.

Der mit der Rechtssache befasste BGH-Senat hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht (im Ausgangsverfahren) zurückverwiesen, welches nunmehr zu den von der Klägerin gerügten Mängeln und der Höhe des von ihr angesetzten Schadens weitere Feststellungen zu treffen haben wird.

Mehr Rechte für Verbraucher

Im Ergebnis dreht sich das Gewährleistungsrecht weiter in Richtung Käufer bzw. Verbraucher. Zwar ist die Entscheidung zunächst nur ein Einzelfall. Mit dem aufgestellten Grundsatz, dass Vorleistungen in Bezug auf anfallende Transportkosten vom Käufer zu tragen sind, wurde jedoch nunmehr gebrochen.

Es scheint darüber hinaus schwer, einen solchen Anspruch qua AGB gegenüber einem Verbraucher auszuschließen. Händler sollten daher in jedem ihre Einkaufs-AGB überprüfen, um Haftungslücken zu vermeiden.

Urteil erhöht Kostenrisiko für Händler

Zudem könnte durch das Urteil ein weiteres Kostenrisiko entstehen. Denn liest man das Urteil des BGH richtig, so ist der Anspruch auf Vorkasse bereits bei behaupteten Mängeln fällig. Stellt sich dann heraus, dass kein Mangel bestand, trägt der Händler im Anschluss das Risiko, auf den im Voraus geleisteten Transportkosten (die dann rückforderbar wären) sitzen zu bleiben, wenn der Kunde nicht oder nur verzögert zahlt oder das Geld einfach nicht hat. Gerade dem Online-Handel könnten daher neue Steine in den Weg gelegt werden.

Da das Urteil noch nicht veröffentlicht wurde und die Entscheidung des Landgerichts noch aussteht, wird DER MITTELSTANDSVERBUND das Verfahren weiter verfolgen und über die Ergebnisse berichten.

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