Veltmann: Herausforderungen 2018: Bedeutung der Verbundgruppen für den Mittelstand wächst mit neuen strategischen Aufgaben

Zu Beginn des neuen Jahres 2018 blickt Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES, noch einmal zurück auf das vergangene Jahr, gibt einen Ausblick für 2018 und spricht über Ziele, Herausforderungen und Potenziale des kooperierenden Mittelstandes.

Berlin, 19.01.2018 – Der schier nicht abbrechende Aufschwung der deutschen Wirtschaft spiegelte sich 2017 auch in den Verbundgruppen wider. Doch das Jahr 2018 bringt einige Neuerungen und Herausforderungen – sowohl rechtlicher, als auch politischer Natur. Insbesondere von letzterem wird abhängen, unter welchen Bedingungen sich der kooperierende Mittelstand weiterentwickeln kann.

Veltmann: Herausforderungen 2018: Bedeutung der Verbundgruppen für den Mittelstand wächst mit neuen strategischen Aufgaben SynergienNews: Herr Dr. Veltmann, das neue Jahr ist noch jung. Bevor wir nach vorne schauen, lassen Sie uns doch kurz ein Resümee zum Jahr 2017 ziehen. Wie war das vergangene Jahr für den kooperierenden Mittelstand? Und welche Herausforderungen erwarten uns 2018?

Dr. Ludwig Veltmann: Das Jahr 2017 war ja grundsätzlich geprägt von einer guten Binnenkonjunktur. Die meisten Verbundgruppen haben hiervon profitieren können. Allerdings hat man mit dem Blick nach vorn in 2017 bereits deutlich gespürt: Es kommen einige Herausforderungen auf uns zu. Eine dieser Herausforderungen ist das Thema Datenschutzgrundverordnung. Diese tritt am 25. Mai dieses Jahres in Kraft – den Unternehmen bleibt also nicht mehr viel Zeit für entsprechende Umsetzungen des neuen Datenschutzrechts.

Natürlich stand im letzten Jahr auch die Frage im Raum „Was passiert nach der Bundestagswahl?“. Mit der Wahl war die Frage aber noch lange nicht beantwortet. Die Politik befindet sich seit September im Prinzip in einem sehr trägen Dauer-Sondierungs-Prozess. Ob und zu welchen Bedingungen unser Mittelstand gedeihlich wachsen kann, wissen wir bis heute nicht. Wird es mehr Hemmnisse durch Bürokratie oder Abgabenlasten geben, wie wird die Infrastruktur modernisiert – alles offene Fragen.

SynergienNews: Und welche Ziele fokussiert der kooperierende Mittelstand für 2018?

Dr. Ludwig Veltmann: Ein ganz wesentliches Ziel ist selbstverständlich, bei dem Megathema Digitalisierung nicht abgehängt zu werden. Kleinere Unternehmen haben es da ungleich schwerer als große – ihnen fehlt es häufig an Fachabteilungen und an Spezialisten. Sie müssen aber mit den rasanten Entwicklungen in den Märkten Schritt halten. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Verbundgruppen in den Stand versetzt werden, ihren lokalen Unternehmen Hilfestellung geben zu können.

SynergienNews: Und was unternimmt DER MITTELSTANDSVERUND insbesondere beim Thema Digitalisierung, um die Verbundgruppen und ihre Anschlusshäuser fit zu machen?

Dr. Ludwig Veltmann: Wir haben bereits mit unserem Digitalisierungsausschuss im letzten Jahr eine Grundausrichtung – eine Art Leitfaden – erarbeitet und uns gefragt: Wie kann die digitale Transformation am sinnvollsten in die Praxis der Kooperationen umgesetzt werden? Dieser Leitfaden ist als Whitepaper „Mission Mittelstand 2025“ erschienen und fand erfreulichen Zuspruch bei unseren Mitgliedern. Kern des Papiers ist die Beschreibung der neuen Rolle der Verbundgruppen im Prozess der digitalen Transformation im Mittelstand.

Zu den traditionellen Aufgaben, etwa in den Bereichen Einkauf, Marketing und Bezahlabwicklung gesellt sich nun die Bereitstellung von digitaler Infrastruktur hinzu, um den Zugang zur Online- Welt zu gewährleisten. Denn wer heute nicht im Internet präsent ist, wird übermorgen oder vielleicht auch schon morgen gar keine Relevanz mehr im Markt haben. Angebot, Prüfung und Vermittlung von vielfältigen digitalen Dienstleistungen ist der zweite Kernpunkt der neuen Rolle. Das gilt auch für das Thema Know-How-Transfer – denn Digitalisierung wird häufig auf Technik reduziert, ist aber viel mehr als das.

Immer öfter erleben Entscheidungsträger in Unternehmen, dass der Versuch, Menschen einzustellen, die die Expertise schon mit in das Unternehmen einbringen, von Misserfolg gekrönt ist. Digital-Experten stehen häufig dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung. Sie neigen vielmehr dazu, ihr „eigenes Ding“ zu machen – etwa mit der Gründung eines Startups.

Auch bei Innovation und Entwicklung drohen lokale Unternehmen abgehängt zu werden. Deshalb muss gerade hier auch die Verbundgruppe eine Vorreiterrolle übernehmen. Und schließlich ganz wichtig: Alle geschäftlichen Entscheidungen sind im Zuge der Digitalisierung abhängig von dem Zugang zu Daten. Hier liegt sicherlich eine ganz strategisch zentrale Zukunftsfrage – denn seit fast einem Jahrzehnt galoppieren uns alle globalen großen Wettbewerber in diesem Bereich davon.

Unternehmen wie Amazon, Facebook, Google oder Microsoft verfügen über diese Daten und nutzen sie auch ganz gezielt – die mittelständischen Unternehmen aus dem Handel, dem Handwerk und aus der Dienstleistungsbranche müssen sich ebenfalls dringend in die Lage versetzen, mit solchen Daten umzugehen. Das bedeutet erstens, die Daten überhaupt zu bekommen, zweitens, die Daten auch analysieren und auswerten zu können und drittens, sie gezielt im Marketing einzusetzen. Hierbei braucht es eine starke Initiative der Verbünde.

All das sind gewaltige Herausforderungen, vor denen wir stehen und die wir aber entschlossen angehen wollen. Denn der MITTELSTANDSVERBUND sieht seine Verantwortung nicht nur in der politischen Interessenvertretung, sondern auch in der praktischen Unterstützung seiner Mitglieder bei Zukunftsthemen.

SynergienNews: Sprechen Sie bei dieser Unterstützung von Veranstaltungen?

Dr. Ludwig Veltmann: Ja, unter anderem. Wir organisieren schon seit einiger Zeit eine ganze Reihe von Veranstaltungen – beispielsweise im Bereich Omnichannel, Vor einigen Jahren haben wir bereits den Strategiedialog Multichannel ins Leben gerufen, in dessen Rahmen wir die strategischen Vordenker mit führenden Verbundgruppen zusammenbringen und gemeinsame Lösungen zum Thema Omnichannel erarbeiten.

In diesem Jahr 2018 planen wir eine ganz besondere Veranstaltung, die wir als MITTELSTANDSVERBUND in Zusammenarbeit mit der Koelnmesse auf die Beine stellen möchten: die INDICOM. Auf der INDICOM wollen wir die Verbundgruppenzentralen mit der digitalen Praxis – mit den digitalen Vordenkern aus der Startup- und Jungunternehmerszene – ganz gezielt auf einer Plattform zusammenbinden und sie miteinander vernetzen. Den Verbundgruppen wird dort in allen Zukunftsfeldern, in denen sie unter Nutzung intelligenter digitaler Lösungen Wachstum für sich und ihre Mitglieder erzielen können, ein exklusiver Zugang zu den kreativsten und innovativsten Köpfen der „New Economy“ geboten. Umgekehrt können sie die „New Economy“, die Verbundgruppen bislang nicht oder kaum wahrgenommen hat, durch Präsentation ihrer Gruppe für sich interessieren.

SynergienNews: Sie sprachen davon, dass bestimmte Geschäftsmodelle sogar die Daseinsberechtigung verlieren könnten. Im Rahmen des Strukturwandels verändern sich bestimmte Dienstleistungen und Branchen stark, was auch einhergeht mit Arbeitsplatzverlusten oder zumindest einer Verlagerung der Arbeitsplätze in andere Branchen. Wie müssen die Politik und die Wirtschaft dieser Entwicklung begegnen?

Dr. Ludwig Veltmann: Das ist absolut richtig. Wir werden eine gewaltige Veränderung im Arbeitsmarkt erleben. Viele Arbeitsplätze fallen weg – nehmen wir etwa den Arbeitsplatz der Kassiererin oder des Lageristen. Die Frage ist: Was wird morgen aus der Kassiererin, die heute noch an der Kasse sitzt, was aus dem Lageristen? Unternehmen müssen jetzt Obacht geben, dass sie nicht einen Teil ihrer Mitarbeiter durch unzureichende Vorbereitung auf die Digitalisierung verlieren. Das, was uns sonst droht, ist die digitale Analphabetisierung.

Aber ich bin sicher: Die Zahl der Arbeitsplätze wird durch die Digitalisierung insgesamt nicht schrumpfen, allerdings wird die Verteilung eine andere sein. Und diejenigen, die bei der digitalen Entwicklung nicht Schritt halten können, werden große Probleme bekommen.

Die Mutigen und Vordenker allerdings, die aufgeschlossen sind und sich der Digitalisierung stellen, werden zwar unter Umständen nicht mehr in ihrer klassischen Tätigkeit verbleiben können – jedoch entstehen neue Berufsbilder, in denen sie künftig ihre Tätigkeit verrichten werden, etwa mit verwaltendem oder analytischem Fokus auf Daten.

Wir als MITTELSTANDSVERBUND haben uns Gedanken darüber gemacht, wie denn künftig das Wording für eine entsprechende Qualifizierung aussehen muss – denn die klassische Form der Qualifizierung ist in unseren Köpfen verankert als „Schulbankdrücken“. An dieser Stelle muss man sich überlegen, welche künftigen neuen Formate die Menschen zur Weiterbildung einladen. Wir entwickeln mit dem „Campus for Mi“ – also Campus für den Mittelstand –ein innovatives Angebot mit diesem Anspruch. Auch dieses wollen wir auf der INDICOM vorstellen.

SynergienNews: Und was kann die Politik hier tun? Welche Worte richten Sie an die künftige Bundesregierung?

Dr. Ludwig Veltmann: Die Politik muss die entsprechenden Rahmenbedingungen für ein digitales Zeitalter schaffen. Das heißt grundsätzlich: Kooperation im Mittelstand erleichtern und sie nicht weiterhin über ein zu restriktives Wettbewerbsrecht und aus vermeintlichen Verbraucherschutzgründen sowie einen erschwerten Zugriff auf Kundendaten unverhältnismäßig behindern. Aus der e-Privacy-Verordnung beispielsweise droht solches Ungemach.

Auch Straßen- und Internetverbindungen bedürfen der besonderen politischen Verantwortung. Die Mehrzahl unserer mittelständischen 230.000 Anschlussunternehmen unserer 310 Verbundgruppen im Einzelhandel, Großhandel, Handwerk und im Dienstleistungsbereich befindet sich nicht in den Metropolen. Oft sind die Straßenverbindungen aber schlecht und der Zugang zu Internet-Hochgeschwindigkeitsnetzen bescheiden. Es gibt nach wie vor eine ganze Menge an Funklöchern und digitale Wüsten – in einem Industrieland wie Deutschland besteht Nachbesserungsbedarf. Mit Position 20 des Leitungsausbaus im Vergleich zu anderen EU-Ländern haben wir hier einen eklatanten Nachholbedarf.

Des Weiteren muss eine künftige Bundesregierung eine nationale Qualifizierungsinitiative starten, um die Menschen in allen Regionen und in allen Altersstufen für die digitale Transformation zu rüsten. Die oft lähmenden Auswirkungen des Föderalismus müssen schnellstens überwunden werden.

SynergienNews: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Veltmann!

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