Wahlprogramm-Check: Recht und Verbraucherschutz

Die Bundestagswahl steht vor der Tür – DER MITTELSTANDSVERBUND durchleuchtet für Sie die Wahlprogramme mit Fokus auf den für Kooperationen und ihre Anschlusshäuser maßgeblichen Themen. Mit dem Thema Recht und Verbraucherschutz setzen wir unsere Reihe „Wahlprogramm-Check“ fort.

In unserer mehrwöchigen Beitragsreihe zur Bundestagswahl 2021 vergleichen und bewerten wir die Wahlprogramme der Parteien nach Themenschwerpunkten mit besonderer Relevanz für die mittelständischen Unternehmen. Dabei betrachten wir lediglich die Parteien, die nach gegenwärtigem Ermessen eine realistische Chance haben, an der kommenden Bundesregierung beteiligt zu sein. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zu den verschiedenen Wahlprogrammen und den dahinterstehenden Vorhaben der Parteien bieten. 

Berlin, 30.07.2021 - In diesem Teil unserer Reihe „Wahlprogramm-Check“ geht es um das Thema Recht und Verbraucherschutz. Wie positionieren sich die Parteien zu diesem Thema? Welche Änderungen im Verbraucherschutz und bei anderen Gesetzen sind geplant? DER MITTELSTANDSVERBUND gibt Antworten.

CDU/CSU  

Das gemeinsame „Wahlprogramm für Stabilität und Erneuerung“ der
christdemokratischen Parteien CDU und CSU sieht insbesondere vor:

Die Unionsparteien streben an das gesamte bürgerliche Vertragsrecht, insbesondere den elektronischen Rechtsverkehr, zu modernisieren.

Die Verbraucherschlichtung soll auf weitere Branchen mit passgenauen branchenspezifischen Lösungen ausgeweitet werden. Sie sei ein geeignetes Instrument, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen Schäden mit sehr geringer Schadenshöhe (sog. Streuschäden), deren gerichtliche Verfolgung sich nicht lohnt, ersetzt bekommen.

Beabsichtigt ist auch eine EU-Regelung für Lieferketten. Diese soll die Standards des deutschen Lieferkettensorgfaltsgesetzes im EU-Binnenmarkt europaweit durchsetzen, aber nicht verschärfen. So sollen unterschiedliche und damit unpraktikable Regelungswerke verhindert und faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden.  

Die konkreten Bedingungen für Ausgründungen sollen verbessert werden. Mit einem Innovationsfreiheitsgesetz wollen CDU und CSU für Gründerinnen und Gründer aus Wissenschaftseinrichtungen und Hochschulen bürokratische Hürden abbauen, vor allem im Beihilfe- und Gemeinnützigkeitsrecht.

Die Union möchte Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden online ermöglichen und dabei die Sicherheit im Rechtsverkehr wahren.

In der kommenden Wahlperiode wollen CDU und CSU die Anzahl der Gesetze um 20 Prozent reduzieren. Digitale Zugangsmöglichkeiten sollen ausgebaut und so den schnellen und kostengünstigen Zugang zu Rechtsprechung und Rechtsberatung sichergestellt werden. Alternative Lösungsansätze wie Mediation und Schiedsverfahren sollen gestärkt werden.

SPD

Das mit „Aus Respekt vor Deiner Zukunft“ betitelte Zukunftsprogramm der SPD sieht insbesondere vor:

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie zum Beispiel für Genossenschaften, Sozialunternehmen, Integrationsunternehmen und Unternehmen in Verantwortungseigentum, will die SPD verbessern.

Das Informationsfreiheitsrecht soll zu einem wirksamen Transparenzrecht weiterentwickeln und ausgebaut werden. Durch einen legislativen und exekutiven Fußabdruck soll der Lobby-Einfluss bei Gesetzesentwürfen sichtbar gemacht werden.

Verbraucherinnen und Verbrauchern soll die gesunde und nachhaltige Wahl erleichtert werden und dabei auch die Wirtschaft in die Verantwortung genommen werden. Um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, soll es den Produzenten und dem Handel untersagt werden, genießbare Nahrungsmittel wegzuwerfen. Selbst kreierte Label von Unternehmen zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte sollen reguliert und ein verbindliches staatliches Label entwickelt werden. Die Lebensmittelsicherheit soll durch mehr Kontrollen verbessert und es den Verbraucherinnen und Verbrauchern durch die Einführung eines Hygienebarometers ermöglicht werden, sich über die Kontrollergebnisse zu informieren.

FDP

Das Wahlprogramm der FDP ist mit „NIE GAB ES MEHR ZU TUN“ betitelt und sieht insbesondere vor:

Die Freien Demokraten wollen Gerichtsverfahren modernisieren und beschleunigen. In einem Digitalpakt für die Justiz soll sich der Bund daran beteiligen, die technische Ausstattung der Justiz in den Ländern deutlich zu verbessern, um zum Beispiel virtuelle Verhandlungen zu ermöglichen. Außerdem soll Zugang zum Recht erleichtern werden, indem geringfügige Forderungen in einem vollständig digitalen, kostengünstigen und schnellen Verfahren geltend gemacht werden können. Der Rechtsrahmen für Legal Tech-Unternehmen soll erweitert und auch das anwaltliche Berufsrecht modernisiert werden. Die FDP will das Verbot von Erfolgshonoraren abschaffen und das Fremdbesitzverbot lockern.

Die FDP lehnt eine bevormundende Verbraucherpolitik ab, die zum Beispiel die Dauer bestimmter Verträge schematisch begrenze. Selbstbestimmung setze aber eine freie und informierte Entscheidung voraus, die auch die Zwänge und Grenzen berücksichtigt, denen Verbraucherinnen und Verbrauchern unterliegen. Dies will die FDP ermöglichen, indem sie sich insbesondere zur besseren Vergleichbarkeit bei Langzeitverträgen für die Ausweisung monatlicher Durchschnittspreise ausspricht. Zudem soll die Durchsetzung von Verbraucherrechten vereinfacht werden, zum Beispiel durch „Smart Contracts“, die eine automatische Entschädigung von Verbraucherinnen und Verbrauchern bei Verspätungen vorsehen.

Die Freien Demokraten wollen das Urheberrecht nach dem Vorbild des amerikanischen „Fair Use“-Prinzips maßvoll weiterentwickeln und hierzu die bisherigen Schranken des Urheberrechts durch eine Bagatellklausel für private Nutzungen, die keine wirtschaftlichen Folgen haben und - wie viele inzwischen alltägliche Nutzungen wie Memes und Remixes - keine kommerziellen Interessen verfolgen.

Bündnis 90/Die Grünen

Das Wahlprogramm der Grünen „Deutschland. Alles ist drin.“ sieht insbesondere vor:

Gutes, nachhaltiges und gesundes Essen soll leicht zu erkennen sein. Mit verständlichen Informationen über Zutaten, Herkunft, Herstellung und zum ökologischen Fußabdruck wollen die Grünen für die nötige Transparenz sorgen. Es soll eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung mit anspruchsvollen Kriterien für Fleisch und andere Lebensmittel aus oder mit tierischen Bestandteilen eingeführt und auch EU-weit verbindlich werden. Die Nährwertkennzeichnung Nutriscore wollen die Grünen weiterentwickeln und EU-weit für alle Fertigprodukte anwenden.

Die Grünen wollen Genossenschaften und Sozialunternehmen unterstützen, da sie krisenfester und gemeinwohlorientierter als andere Rechtsformen seien. Ziel ist eine Gründungswelle neuer Genossenschaften und von sozialökologisch inspirierter und am Gemeinwohl orientierter Unternehmen. Dazu sollen die Rahmenbedingungen für ihr Wirtschaften systematisch verbessert und bestehende Benachteiligungen beseitigt werden.

Nachbesserungen am deutschen Lieferkettengesetz seien dringend notwendig, zum Beispiel eine Ausweitung der erfassten Unternehmen, aber auch eine Erweiterung der umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Darüber hinaus möchten sich die Grünen auch auf europäischer Ebene für eine ambitionierte, verbindliche Regelung in internationalen Lieferketten einsetzen.

Die Grünen streben an, dass Unternehmen in der Regel nach sechs Jahren ihre Wirtschaftsprüfer wechseln müssen. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dürften nicht gleichzeitig Unternehmen beraten, die sie prüfen. Die Aufdeckung von Bilanzbetrug müsse als Ziel gesetzlich verankert werden.

Es soll die Gruppenklage eingeführt werden, damit Menschen auch bei kleineren, aber massenhaft auftretenden Schäden effektiv zu ihrem Recht kommen und zum Beispiel Schadensersatz bekommen. Die bisher eingeführten kollektiven Klageverfahren, wie die Musterfeststellungsklage, die nur Verbraucherinnen und Verbrauchern zusteht, und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, seien unzureichend. Die immer beliebtere und oft wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung durch Legal-Tech-Unternehmen kann andererseits vielen Menschen schnell und unkompliziert zu ihrem Recht verhelfen. Den kollektiven Rechtsschutz wollen die Grünen deshalb verallgemeinert und vereinheitlicht in die Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer Gruppenklage ermöglichen.

Die Grünen streben an Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Vertragsfallen zu schützen und wollen durchsetzen, dass die Online-Kündigung so einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gebe, müsse es auch einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssten verkürzt werden.

Durch ein Recht auf Reparatur wollen die Grünen Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die Grundlage dafür seien verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind. Durch die Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre, die Erweiterung der Beweislastumkehr auf zwei Jahre und eine Angabe der vom Hersteller vorgesehenen Lebensdauer wollen die Grünen erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer gebaut werden.  

Seite drucken

Ansprechpartner

Kristian FranzServiCon Service & Consult
Kristian Franz Syndikusrechtsanwalt Mehr Infos
ServiCon Service & Consult
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht