Wahlprogramm-Check: Wettbewerbspolitik

Die Bundestagswahl steht vor der Tür – DER MITTELSTANDSVERBUND durchleuchtet für Sie die Wahlprogramme mit Fokus auf den für Kooperationen und ihre Anschlusshäuser maßgeblichen Themen. Ein zentrales Thema ist die Wettbewerbspolitik, mit der wir in un-sere Reihe „Wahlprogramm-Check“ starten.

In unserer mehrwöchigen Beitragsreihe zur Bundestagswahl 2021 vergleichen und bewerten wir die Wahlprogramme der Parteien nach Themenschwerpunkten mit besonderer Relevanz für die mittelständischen Unternehmen. Dabei betrachten wir lediglich die Parteien, die nach gegenwärtigem Ermessen eine realistische Chance haben, an der kommenden Bundesregierung beteiligt zu sein. Damit möchten wir Ihnen einen kompakten und gleichzeitig fundierten Überblick zu den verschiedenen Wahlprogrammen und den dahinterstehenden Vorhaben der Parteien bieten. 

Berlin, 21.07.2021 - In diesem Teil unserer Reihe „Wahlprogramm-Check“ geht es um das Thema Wettbewerb. Wie positionieren sich die Parteien zu diesem gerade für mittelständische Unternehmen so wichtigen und zukunftsträchtigen Thema? Welche Konzepte werden mit Blick auf faire Wettbewerbsbedingungen und ein Level-Playing-Field verfolgt? Wo ergeben sich Vorteile, wo Nachteile für den kooperierenden Mittelstand? DER MITTELSTANDSVERBUND gibt Antworten.

CDU/CSU 

Das gemeinsame „Wahlprogramm für Stabilität und Erneuerung“ der
christdemokratischen Parteien CDU und CSU setzt sich für eine Anpassung des europäischen Wettbewerbs- und Beihilferechts ein, um Verzerrungen beim Handel und im Wettbewerb infolge von Staatssubventionen und Interventionen in anderen Teilen der Welt auszugleichen. Hierfür soll die Europäische Union die Verhandlungen mit anderen großen Industriestaaten vorantreiben.

Als weltweiter Vorreiter für einen fairen und gerechten Wettbewerb in der Digitalwirtschaft soll eine europäische digitale Marktordnung entwickelt und eingeführt werden – mit einem modernisierten Wettbewerbsrecht und gleichen Regeln für alle.

Modernisiert werden soll auch das Vergaberecht. So sollen öffentliche Aufträge schneller, effizienter und einfacher vergeben werden. Hierzu soll eine bundesweit einheitliche vergaberechtliche Regelung geschaffen werden. Die unterschiedlichen Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen, freihändige Vergaben und Verhandlungsvergaben und Direktaufträge in den Ländern sollen vereinheitlicht und auf ein angemessenes Maß zurückgeführt werden. Betriebe sollen sich schnell und einfach auf öffentliche Aufträge bewerben können. Hierzu soll die E-Vergabe vereinheitlicht und die Vergabe öffentlicher Aufträge für Liefer-, Bau- und Dienstleistungen auf elektronischem Weg stärker vorgetrieben werden. 

Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich „Wettbewerb“ des Wahlprogramms der Christdemokraten bildet die Digitalwirtschaft. Hier soll auch auf EU-Ebene über den Digital Services Act und den Digital Markets Act fairer Wettbewerb, Innovationskraft der Unternehmen und die Wahlfreiheit der Verbraucher in der Digitalwirtschaft gewährleisten werden. Die Schwesterparteien treten dabei für eine Gesetzgebung ein, die nutzerzentriert ist, kleinen und mittleren Unternehmen faire Bedingungen im digitalen Wettbewerb garantiert und Raum für Innovationen schafft. Auch sollen Möglichkeiten zur Verpflichtung von Interoperabilität oder dem Teilen von Daten mit kleineren Wettbewerbern ebenfalls geprüft werden.

SPD

Auch das mit „Aus Respekt vor Deiner Zukunft“ betitelte Zukunftsprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands beschäftigt sich mit dem Zukunftsthema „Wettbewerb“. Die SPD möchte für die digitale Souveränität von Bürger*innen und Verbraucher*innen einstehen. Wo globale Plattformkonzerne zu Monopolisten werden, bedrohen sie nach Ansicht der Sozialdemokraten die digitale Vielfalt und neigen dazu, nationalstaatliche Regeln zu umgehen. Die SPD will deshalb gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten eine starke und präzise Regulierung schaffen, um den Wettbewerb sichern und alternative Angebote fördern.

Um Marktmacht einzelner zu verhindern und damit Schäden vom Wettbewerb und den Verbraucher*innen abzuhalten, sollen Entwicklungen am Markt genau beobachtet und ein präventives und proaktives Wettbewerbs- und Kartellrecht geschaffen werden. In das Kartellrecht sollen dabei verstärkt auch vorbeugende Kontrollen integriert werden. Zudem sollen weitere, neue europäische Instrumente entwickelt werden, um die übermächtigen Plattformen zu zähmen oder notfalls zu entflechten.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, wie zum Beispiel für Genossenschaften, Sozialunternehmen, Integrationsunternehmen und Unternehmen in Verantwortungseigentum, sollen verbessert werden. Für die Förderung einer sozialökologischen und digitalen Transformation der Wirtschaft gibt es bereits dezentrale Strukturen – diese sollen zu Transformationszentren als Werkstätten des Wandels gebündelt und weiterentwickelt werden, die sich sowohl an etablierte Unternehmen, als auch an Sozialunternehmen und nicht-exit-orientierte Start-ups sowie an Beschäftigte, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft richten.

Schließlich möchten sich die Sozialdemokraten für ein neu geordnetes Wettbewerbs- und Beihilferecht einsetzen, das Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen großen Wirtschaftsräumen verringert.

FDP

Mit Blick auf die Corona-Krise kann nach Ansicht der FDP der Weg nach vorne nur durch Wachstum, nicht dagegen durch immer mehr Nothilfen und Rettungsschirme für einzelne Unternehmen erreicht werden. Dieser sei ineffizient, verzerre den Wettbewerb und reduziere die Wettbewerbsfähigkeit sowie Innovationskraft von bestehenden Betrieben wie auch von Gründerinnen und Gründern. Außerdem wachse die Marktmacht einzelner Unternehmen, was zu weniger Innovation und höheren Preisen für die Konsumentinnen und Konsumenten sowie zu Fehlanreizen für Unternehmen führe. Die Freien Demokraten wollen daher den Wettbewerb national und international stärken und insbesondere vermeiden, dass unnötige Verflechtungen von Markt- und Staatswirtschaft entstehen.

Die Freien Demokraten wollen die faire und regelbasierte europäische Wettbewerbsordnung schützen und stärken und damit internationale Standards setzen. Insbesondere für junge und mittelständische Unternehmen sollen dafür bessere Wettbewerbsbedingungen, gerade im Bereich der Digitalwirtschaft, geschaffen werden. Die Konzentration von Marktmacht auf etablierte und große Unternehmen behindert nach Ansicht der FDP echten Wettbewerb und Innovation. Das schade insbesondere Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Zukunftsfähigkeit des Standortes.

Die Partei wendet sich daher entschieden gegen die politische Förderung von „nationalen Champions“. Derlei Alleingänge innerhalb des europäischen Binnenmarktes bremse Innovationen und Skalierbarkeit aus. Das senke letztlich die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber amerikanischer und chinesischer Konkurrenz.

Bündnis 90/Die Grünen

Proklamiert werden im Wahlprogramm der Grünen auch gute Bedingungen für kleine Betriebe und Selbständige, damit diese im Wettbewerb faire Chancen erhalten. Förderprogramme und Investitionszuschüsse sollen nachhaltig ausgestaltet werden und dafür sorgen tragen, dass sie vor allem KMUs zugutekommen.

Ein starkes Wettbewerbsrecht ist nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen Voraussetzung für faire Wirtschaftsbeziehungen, verhindert Monopole und schützt die Verbraucher*innen. Im Wettbewerb dürfen danach auch der Umweltschutz und soziale Standards nicht zum Kollateralschaden werden. Deshalb sollen die nationalen Regeln zu unlauterem Wettbewerb so angepasst werden, dass ein Verstoß gegen Umwelt- und Sozialstandards als unlauterer Wettbewerb verfolgt werden kann. Zudem soll erreicht werden, dass Umweltschutzaspekte grundsätzlich im Rahmen von deutschen und europäischen Fusionskontrollverfahren berücksichtigt werden. Der Verbraucherschutz soll zu einem Zweck des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gemachen und seine behördliche Durchsetzung effektiv gestärkt werden. Das umstrittene Ministererlaubnisverfahren im Rahmen von Fusionskontrollen soll so angepasst werden, dass Verfahrensgegner*innen wieder ihre vollständigen Klagemöglichkeiten erhalten. Datenschutzbehörden sollen bei der Zusammenschlusskontrolle des Bundeskartellamts konsultiert und ihre Stellungnahmen bei der Entscheidung über eine Fusion berücksichtigt werden.

Interessant ist, dass die Grünen Genossenschaften fördern möchten, da sie krisenfester und gemeinwohlorientierter als andere Rechtsformen sind. Ziel ist dabei eine Gründungswelle neuer Genossenschaften und von sozial-ökologisch inspirierter und am Gemeinwohl orientierter Unternehmen. Dazu sollen die Rahmenbedingungen für ihr Wirtschaften systematisch verbessert und bestehende Benachteiligungen beseitigt werden.

Die Grünen setzen sich für einen funktionierenden und fairen Wettbewerb auf digitalen Märkten ein. Durch übermäßige Marktmacht einzelner Internet- und Techgiganten werde dieser eingeschränkt oder gar aufgehoben. Relevante Erwerbsvorgänge von Tech-Konzernen sollen durch das Bundeskartellamt geprüft werden, um den strategischen Aufkauf von aufkeimender Konkurrenz („Killer Acquisitions“) zu verhindern. Dabei sollen Datenschutzbehörden eine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Interoperabilität ihrer Software und ihrer digitalen Dienste sowie Datenportabilität und offene Schnittstellen sind wo immer möglich von bereits marktbeherrschenden Unternehmen verpflichtend zu gewährleisten.

Befürwortet wird auch eine dementsprechend ambitionierte Umsetzung des Digital Markets Act auf europäischer Ebene ein. Unter dem Dach eines eigenständigen europäischen Kartellamts soll eine europäische Digitalaufsicht etabliert werden, die als Frühwarnsystem fungiert und sanktionsbewährte Kooperations- sowie Transparenzpflichten aussprechen kann. Unternehmen sollen auch unabhängig von einem Missbrauch aufgespalten werden können, wenn ihre Marktmacht zu groß wird oder bereits zu groß ist. 

Seite drucken

Ansprechpartner

Dr. Marc ZgagaDER MITTELSTANDSVERBUND
Dr. Marc Zgaga Geschäftsführer Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht