Neuer Engpass in der Gasversorgung fordert größere Entschlusskraft bei Energieeffizienz

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte bereits am 30. März 2022 die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Mit der erneuten Reduktion der Förderleistung aus Russland hat sich die Lage verschärft. Energiesparen wird zum Schlüsselbegriff.

Berlin, 20. Juni 2022 – Die Gasflüsse nach Deutschland durch die Pipeline Nord Stream 1 wurden seit dem 14. Juni 2022 auf ca. 40 Prozent der Maximalleistung gedrosselt. Ob dies russische Taktik ist, oder technische Gründe verantwortlich sind, ist letztlich nicht maßgeblich. Auch wenn die BNetzA aktuell Gasversorgung für Deutschland als noch gesichert beurteilt, müssen Unternehmen, die von ausbleibenden Lieferungen betroffen sind, deutlich tiefer in die Tasche greifen. Um für die kommende Heizperiode gewappnet zu sein, hat für die Bundesregierung die zügige Befüllung der Gasspeicher oberste Priorität. Nach dem neu auf den Weg gebrachten Gasspeichergesetz soll bis zum 1. Dezember 2022 eine Füllmenge von 90 Prozent erreicht sein. Die aktuell durchschnittlichen Füllständen aller Speicher in Deutschland belaufen sich auf 55 bis 60 Prozent.

Käme es zu weiteren Gasengpässen, bliebe das nicht ohne Folgen für die europäische und deutsche Wirtschaft. Es besteht berechtigter Weise zu befürchten, dass es zu einer Schrumpfung der Wirtschaft kommen könnte, so der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Rande eines Treffens der Euro-Finanzminister am 16. Juni 2022 zu dem aktuellen Geschehen.

Mit Blick auf die Brisanz der aktuellen Entwicklungen hat Bundeswirtschaftsminister Habeck am 20. Juni 2022 ein fünfseitiges Strategiepapier mit weiteren Maßnahmen für weniger Gasverbrauch auf den Weg gebracht.

Überblick über zusätzliche Maßnahmen für weniger Gasverbrauch

  1. Gasreduktion im Stromsektor

Um den Gasverbrauch zu senken, soll weniger Gas zur Stromproduktion genutzt und stattdessen verstärkt auf die Kohleverstromung gesetzt werden. Allerdings trug Gas 2021 nur zu lediglich rund 15 Prozent zur Stromerzeugung bei; dieser Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber noch weiter gesunken sein. Das Strategiepapier nimmt Bezug auf ein Gesetz zur Bereitstellung von Ersatzkraftwerken (Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz), wodurch der Gasverbrauch im Strommarkt reduziert und im Gegenzug Stein- und auch Braunkohlekraftwerke zur Stromproduktion herangezogen werden sollen. Es ist geplant, das Gesetz am 8. Juli 2022 vom Bundesrat beschließen zu lassen, um zügig in Kraft treten zu können. Die im Gesetz verankerte Ministerverordnung, die den Mechanismus zur Ersatzgestellung durch Kohlekraftwerke auslöst, wird parallel vorbereitet.

  1. Gasauktions-Modell zur Reduktion von Industriegas

Noch im Sommer soll ein Gasauktions-Modell starten, das industrielle Gasverbraucher motiviert, Gas einzusparen. Die frei gewordenen Mengen können dem Markt dann zur Verfügung gestellt werden. Dazu entwickeln der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE), die BNetzA und das BMWK ein Gas-Regelenergieprodukt – ähnlich dem Regelenergiemarkt im Stromsektor und vergleichbar einer Auktion –, mit dem Industriekunden gemeinsam mit ihren Lieferanten gegen eine rein arbeitspreisbasierte Vergütung ihren Verbrauch in Engpasssituationen reduzieren und Gas dem Markt zur Verfügung stellen können (Demand-Side Management). Das Modell soll dafür sorgen, dass möglichst viele Gas-Mengen für Engpass-Situationen bereitstehen. Die THE ist eine Tochtergesellschaft von elf Ferngasnetzbetreibern und betreibt als Marktgebietsverantwortlicher das deutsche Marktgebiet. In dieser Rolle übt die THE eine gesetzlich vorgesehene und legitimierte Monopolaufgabe aus. 

  1. Stärkung der Einspeicherung

Um die Einspeicherung von Gas zu sichern, wird die Bundesregierung schon in Kürze zusätzliche KfW-Kreditlinien in Höhe von mutmaßlich 15 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Daneben wurden bereits in der Vergangenheit Maßnahmen zur Beschaffung von Gas (Ankaufprogramm), zur Sicherung der Liquidität der Akteure auf dem Markt für Gaseinkauf über KfW-Kredite, dem bereits genannten Gasspeichergesetz, Maßnahmen zur Befüllung des größten deutschen Gasspeichers im niedersächsischen Rehden, zum zügigen Ausbau der LNG-Infrastruktur zur Absicherung der Treuhandverwaltung GPG (nunmehr Securing Energy for Europe GmbH, SEFE) und schlussendlich zum Schutz von energie- und handelsintensiven Unternehmen auf den Weg gebracht bzw. bereits umgesetzt. 

„Energieeffizienz ist DAS Gebot der Stunde, jede Einsparungsmaßnahme hilft, und zwar über alle Bereiche der Endenergiefrage hinweg. Auch wenn die befristete Umstellung von Gas auf Kohle bei der Stromgewinnung sicherlich kurzfristig einen Beitrag zur Reduzierung der Gasnachfrage erbringen kann, gilt es vor allem den Ausbau der erneuerbaren Energien mit aller Kraft voranzutreiben“, so Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES.  

Jetzt gilt es, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um sicher in die nächste Heizperiode starten und vor allem die Versorgungssicherheit auch im Mittelstand gewährleisten zu können. Dabei führen gerade Investitionen im Bereich Energieeffizienz bei Unternehmen zu einer Erhöhung der Resilienz und einer geringeren Abhängigkeit gegenüber der prekären Situation am Energiemarkt.

Zum verbesserten Umgang mit Energie und Ressourcen hat DER MITTELSTANDSVERBUND Im Rahmen des Projektes „Klimaverbund Mittelstand“ für die mittelständischen Unternehmen ein ambitioniertes Beratungsprogramm entwickelt. Dem liegt ein selbst konzipiertes Schulungskonzept zugrunde, das, ausgerichtet an den Bedürfnissen kleiner und mittlerer Unternehmen, junge Menschen zu „Klimaprofis“ qualifiziert. Mit fester Anstellung in Verbundgruppenzentralen werden diese zu einzigartigen Beschleunigern für Klimaschutz und ein effizientes Ressourcenmanagement in Unternehmen. Zugleich leisten sie damit einen Beitrag, die nationale Energiewende aus dem Mittelstand heraus maßgeschneidert voranzutreiben. 

Mit der speziellen modular aufgebauten Weiterbildung werden die „Klimaprofis“ in die Lage versetzt, Anschlussunternehmen bzw. Mitglieder von Verbundgruppen gezielt fachkundig zu beraten. Somit können Vorteile einer zügigen Verbesserung in den Bereichen Klimaschutz, Energieeffizienz sowie im Ressourcenmanagement vor Ort kompetent vermittelt und begleitet werden. Nach der ersten erfolgreichen Förder- und Pilotphase im Projekt „Klimaverbund Mittelstand“ 2020, konnten im Winterhalbjahr 2021 und Frühjahr 2022 bereits 33 Klimaprofis aus rund 25 Verbundgruppen heraus qualifiziert werden und stärken auch auf diesem Feld die Bindung in den jeweiligen Kooperationen. Wir laden Sie herzlich dazu ein, sich im Spätsommer/ Herbst 2022 mit einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter an der nächsten Qualifizierungsrunde zu beteiligen und die Verbundgruppen „klimafit“ und krisenresilienter zu machen.

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