BAG-Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung: Auch die Veröffentlichung der Entscheidungsgründe bringt nur wenig Klarheit für die Umsetzung – gesetzliche Regelung geplant.

Zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts über die Pflicht, die Arbeitszeit zu erfassen, liegen nunmehr die Entscheidungsgründe vor. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert.

Köln, 26.01.2023 – Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Dezember 2022 die Entscheidungsgründe zu seinem Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 veröffentlicht. In Bezug auf einige Fragen, die in der Pressemitteilung des BAG zu der Entscheidung noch offen geblieben waren (wir hatten berichtet), gibt es nun etwas mehr Klarheit. Wie eine konkrete Umsetzung in den Unternehmen aussehen kann, bleibt aber dennoch weitgehend unklar. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung für das erste Quartal 2023 angekündigt.

Nachfolgend haben wir Ihnen die wesentlichen Punkte der Entscheidung des BAG zusammengefasst:

Das BAG hat eine Pflicht des Arbeitgebers zur (nicht zwingend elektronischen) Arbeitszeiterfassung aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG abgeleitet. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes für eine „geeignete Organisation“ zu sorgen und „erforderliche Mittel“ bereitzustellen. Das BAG leitet aus dieser Regelung auch die Verpflichtung ab, ein System einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden. Ein solches System diene dazu, sicherzustellen, dass die – den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bezweckenden – Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden.

Die zwingend elektronische Form der Aufzeichnung sieht das BAG nicht. Vielmehr könne beispielsweise – je nach Tätigkeit und Unternehmen – die Aufzeichnungen in Papierform genügen. Zudem sei es nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren. Bei der Auswahl und der näheren Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitszeiterfassungssystems sei jedoch zu beachten, dass die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Zielsetzungen darstellen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürften.

Gibt es einen Betriebsrat, gilt nach dem BAG, dass diesem kein Initiativrecht hinsichtlich des „Ob“ der Einführung des Zeiterfassungssystems zusteht, da die Pflicht zur Einführung sich aus dem Gesetz ergebe. Hinsichtlich der Ausgestaltung („wie“) des Zeiterfassungssystems, ist eine Beteiligung des Betriebsrates in aller Regel zwingend erforderlich.

Es ist davon auszugehen, dass auch Modelle der Vertrauensarbeitszeit zukünftig möglich bleiben. Hier bleibt aber die gesetzliche Regelung abzuwarten.

Ein Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht ist nach gegenwärtiger Rechtslage nicht unmittelbar gesetzlich sanktioniert. Erst wenn der Arbeitgeber trotz behördlicher Aufforderung keine Anpassung vornimmt, drohen Sanktionen. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, die Norm, in die das BAG eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung hineinliest, ist nicht bußgeldbewehrt (vgl. § 25 ArbSchG). Verstöße gegen die Höchstarbeitszeiten nach § 3 Abs. 1 ArbZG oder die ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit gemäß § 5 Abs. 1 ArbZG sind wie bisher schon grundsätzlich unzulässig.

Da zahlreiche Details in Bezug auf die konkrete Umsetzung der Aufzeichnungspflicht im Unternehmen noch unklar sind, diese Details aber insbesondere für eine (technische) Umsetzung und die Abstimmung mit dem Betriebsrat erforderlich sind, halten wir es für gut vertretbar, mit der Umsetzung der generellen Aufzeichnungspflicht abzuwarten, bis die – angekündigte – gesetzliche Grundlage vorliegt.

In jedem Fall dürfte es sinnvoll sein, dass bereits jetzt – ggf. unter Einbeziehung des Betriebsrates – eine unternehmensinterne Bestandsaufnahme bezüglich vorhandener Aufzeichnungen etc. vorgenommen wird.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird das Thema weiter begleiten und – sobald Einzelheiten der gesetzlichen Umsetzung feststehen – über seine Schwestergesellschaft ServiCon eG seine Mitglieder bei der Umsetzung unterstützen.

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