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Wachstumschancengesetz in der Schwebe? Länder stehen nach Bundestagsbeschluss auf der Bremse

Der Bundestag hat am 17. November das sogenannte Wachstumschancengesetz beschlossen, mit dem eine Reihe von steuerlichen Entlastungen und weitere Anpassungen umgesetzt werden sollen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage haben die Länder jedoch weiterhin Vorbehalte gegenüber dem Gesetzentwurf in seiner aktuellen Fassung. Der nötige Bundesratsbeschluss könnte sich daher bedauerlicherweise verzögern.

Berlin, 22.11.2023 – Das „Wachstumschancengesetz“ stellt ein sehr umfangreiches steuerpolitisches Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung dar und könnte gerade für kleine und mittlere Unternehmen dringend notwendige steuerliche Erleichterungen mit sich bringen. Zum Referentenentwurf des Gesetzes hatte sich DER MITTELSTANDSVERBUND daher mit einer Stellungnahme eingebracht und auch das weitere, leider etwas schleppende Gesetzgebungsverfahren aufmerksam begleitet. Mittlerweile hat der Bundestag am 17. November 2023 das Wachstumschancengesetz in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung beschlossen. Hierdurch haben sich noch einmal substanzielle Änderungen ergeben. Dennoch ist fraglich, ob das Gesetz zeitnah vom Bundesrat beschlossen werden kann. Die Länder haben zahlreiche Vorbehalte angemeldet, die teilweise grundsätzlicher Natur sind.

Relevante Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf

Ein wichtiger Bestandteil des Gesetzes ist aus mittelstandspolitischer Perspektive die Ausweitung der steuerlichen Verlustverrechnung: Der zuletzt auf zwei Jahre erweiterte steuerliche Verlustrücktrag nach § 10 d Absatz 1 EStG soll gemäß der nun verabschiedeten Fassung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 um ein weiteres Jahr auf bis zu drei Jahre ausgedehnt werden. Die zunächst nur befristet auf 10 Mio. Euro (bei Einzelveranlagung) bzw. auf 20 Mio. Euro (bei gemeinsamer Veranlagung) angehobenen Betragsgrenzen beim Verlustrücktrag sollen jedoch nicht mehr dauerhaft beibehalten werden, sondern würden zum Veranlagungszeitraum 2026 wieder auf 5 bzw. 10 Mio. Euro abgesenkt. Für den steuerlichen Verlustvortrag nach § 10d Absatz 2 EStG bleibt es zwar bei einer Ausweitung, jedoch etwas moderater als ursprünglich geplant: Die bisherige Deckelung auf maximal 60 % der Verluste, die den Sockelbetrag von 1 bzw. 2 Mio. Euro übersteigen, soll für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf 75 % erhöht werden.

Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG soll ausgeweitet werden und damit für mehr Unternehmer attraktiv werden. Dabei soll der begünstigungsfähige Gewinn um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer entnommen werden, erhöht werden. Außerdem sollen steuerfreie und tarifbesteuerte Gewinne, die im Unternehmen belassen wurden, vorrangig entnommen werden können. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Verschiebung der Maßnahme wurde mit der verabschiedeten Fassung revidiert, sodass die Ausweitung der Thesaurierungsbegünstigung schon zum Veranlagungszeitraum 2024 gelten soll. Nicht angepasst würden hingegen die maßgeblichen Steuersätze für die begünstigten nicht entnommenen Gewinne in Höhe von 28,25 % bzw. für eine potenzielle Nachversteuerung in Höhe von 25 %.

Keine Änderungen ergeben sich in der verabschiedeten Fassung des Gesetzes für weitere ebenfalls sehr relevante Maßnahmen: Die Wiedereinführung einer degressiven Abschreibung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft wurden; die Öffnung der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG für alle Personengesellschaften; die Anhebung des Grenzwerts bei der Sofortabschreibung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Absatz 2 EStG auf zukünftig 1.000 Euro. Hinsichtlich der geplanten Einführung der Investitionsprämie für Investitionen der Unternehmen in Klimaschutzmaßnamen soll der Förderzeitraum jedoch geringfügig später beginnen und erst für Investitionen ab dem 1. März 2024 (bis einschließlich 31. Dezember 2029) gelten.

Erfreuliche Nachbesserungen gab es im Zuge der im Gesetz vorgesehen Einführung der obligatorischen E-Rechnung im B2B-Bereich: Zwar soll die Verwendung der E-Rechnung ab dem Jahr 2025 für die Unternehmen im Grundsatz obligatorisch werden, was eine Voraussetzung für die spätere Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich an ein bundeseinheitliches elektronisches Meldesystem darstellt. Dabei soll nur noch eine Rechnung in einem strukturierten elektronischen Format, die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU entspricht, als elektronische Rechnung gelten. Jedoch werden die bisher schon enthaltenen Übergangsfristen um ein Jahr verlängert: Bis zum 31. Dezember 2026 können noch Rechnungen auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format für in diesem Zeitraum ausgeführte Umsätze ausgestellt werden. Bei Rechnungen, die von Unternehmern mit einem Gesamtumsatz bis zu 800.000 Euro ausgestellt werden, gilt dies sogar bis zum 31. Dezember 2027. Noch wichtiger ist, dass der Bundestag endlich der großen Verbreitung von EDI-Verfahren – im wahrsten Sinne des Wortes – Rechnung trägt: Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger können sich auch über die Übergangsfristen hinaus auf ein anderes elektronisches Rechnungsformat (z.B. eines der gängigen EDI-Formate) verständigen, in dem die Rechnungen ausgestellt werden. Voraussetzung ist, dass dieses Format die Extraktion der nach dem UStG erforderlichen Angaben in ein Format ermöglicht, das der europäischen Norm entspricht oder mit dieser kompatibel ist. Bis zum 31. Dezember 2027 dürften Rechnungen mit Zustimmung des Empfängers ohnehin mittels EDI-Verfahren übermittelt werden, selbst wenn eine Extraktion nicht möglich ist.

Länder verzögern Verabschiedung, doch der Mittelstand braucht Klarheit

Manche Änderungen in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung des Wachstumschancengesetzes sind ausgesprochen begrüßenswert. Dies gilt insbesondere für die Anpassungen bei der obligatorischen E-Rechnung im B2B-Bereich. DER MITTELSTANDSVERBUND hatte sich nicht nur von Beginn an für großzügigere Übergangsregelungen ausgesprochen, um gerade kleineren Unternehmen den Umstieg auf E-Rechnungen zu erleichtern. Ebenfalls hatte er sich gegenüber dem BMF und dem Bundestag wiederholt und letztlich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die gerade im kooperierenden Handel sehr verbreiteten EDI-Verfahren auch weiterhin eine Zukunft haben. Sie sind bereits jetzt elektronisch und bieten zahlreiche Vorteile für die beteiligten Unternehmen. Dass sie nun weiter genutzt werden können, sofern die Extraktion der Rechnungsdaten im geforderten strukturierten Format möglich ist, lässt sich als guter Kompromiss bewerten. An anderer Stelle sind die Änderungen jedoch sehr bedauerlich: Dass der erweiterte steuerliche Verlustrücktrag nun doch nicht entfristet und die Maximalbeträge ab 2026 wieder abgesenkt werden sollen, ist eine schlechte Nachricht für kleine und mittlere Unternehmen. Selbiges gilt auch für die nun geringere Anhebung des Verlustvortrags.

Abgesehen von steuerrechtlichen Details hoffen die Unternehmen im kooperierenden Mittelstand jedoch vor allem auf schnelle Entlastungen und Klarheit über die Ausgestaltung der verschiedenen Maßnahmen. Gerade ersteres war erklärtes Ziel des Wachstumschancengesetzes, um die Unternehmen in der wirtschaftlichen Schwächephase gezielt zu unterstützen. Daher ist es sehr unglücklich, dass sich die noch ausstehende Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundesrat nach aktuellen Informationen verzögern dürfte. Gleich mehrere Bundesratsausschüsse haben aufgrund nicht ausgeräumter Einwände der Länder die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Dabei geht es zum einen um Einzelfragen, zum anderen um grundsätzliche Vorbehalte. Diese sind auch im Kontext der nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich unter Druck geratenen Haushalte von Bund und Ländern zu sehen.

Somit sieht es derzeit nicht danach aus, als ob der Bundesrat das Gesetz in seiner kommenden Sitzung am 24. November beschließen könnte. Die nächste und letzte Gelegenheit in diesem Jahr bestünde voraussichtlich am 15. Dezember 2023. In diesem Zuge können sich noch relevante Änderungen gegenüber vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesfassung ergeben. DER MITTELSTANDSVERBUND ruft Bundestag und Bundesrat daher dringend zur schnellen Klärung ihrer unterschiedlichen Positionen auf, damit es doch noch zu einer zeitnahen Verabschiedung dieses gerade für den Mittelstand wichtigen Gesetzes kommen kann.

Update: Der Bundesrat hat dem Wachstumschancengesetz am 24. November 2023 wie erwartet nicht zugestimmt, sondern stattdessen den Vermittlungsausschuss angerufen. Damit ist eine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat zu den strittigen Punkten erforderlich, bevor das Gesetz endgültig verabschiedet werden kann.

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Marius Müller-Böge | Leiter Mittelstandspolitik | DER MITTELSTANDSVERBUND
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