Vorläufige Einigung über Verpackungsverordnung – Mittelstand vor Mehrbelastung?

Anfang März einigten sich der belgische Ratsvorsitz und Vertreter des Europäischen Parlaments vorläufig über eine Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Die Veränderungen im neuen Wortlaut schaffen zwar für Händler mehr Klarheit in Bezug auf die erklärten Ziele, stellen jedoch in ihrer jetzigen Form weiterhin eine deutliche Mehrbelastung insbesondere für Betriebe des Mittelstands dar.

Brüssel, 28.03.2024 – Den Aufschlag zu einer vereinheitlichten Lösung über Verpackungsabfälle im EU-Binnenmarkt gab die Kommission bereits Ende 2022. Hintergrund der Novellierung sind die wachsenden Berge an Verpackungsmüll, die im EU-Raum anfallen. Seit 2010 wurden in Ländern der Union rund 25 % mehr Verpackungsabfälle erzeugt, ein Wert, der bei ausbleibender Regulierung bis 2030 um weitere 19% steigen könnte. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt daher grundsätzlich die neue Gesetzesinitiative der europäischen Gesetzgeber – sieht jedoch zugleich einzelne Problempunkte, die den Mittelstand vor zusätzliche Belastungen stellen könnten.

Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass alle Verpackungen recyclingfähig sein müssen und dass der Gehalt an gesundheitsschädlichen Stoffen wie PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) minimiert wird. Eine weitere Forderung sind harmonisierte Kennzeichnungsvorschriften, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher ein besseres Verständnis für die Art der zu entsorgenden Abfälle entwickeln.

Klare Wiederverwendungsziele – weiterhin unklare Verantwortlichkeit

Darüber hinaus soll das Aufkommen von Verpackungsabfällen erheblich verringert werden, indem verbindliche Ziele für die Wiederverwendung festgelegt, bestimmte Arten von Einwegverpackungen verboten und die Wirtschaftsakteure verpflichtet werden, so wenig Verpackungen wie möglich zu verwenden.  Die Zielvorgaben für die Wiederverwendungsziele von Verpackungen variieren dabei je nach Art der von den Wirtschaftsakteuren verwendeten Verpackung:

  • 10% bis 2030 für die Wiederverwendung von Verpackungen für frische, verzehrfertige Lebensmittel;
  • 10 % bis 2030 für Umverpackungen;
  • 40 % bis 2030 für Transport- und Verkaufsverpackungen
  • Durch die bereits bestehenden umfangreichen Regelungen des deutschen Pfandsystems bleiben deutsche Unternehmen von den Wiederverwendungszielen bezüglich Einweggetränkeverpackungen weitgehend unberührt 

Die Wiederverwendungsziele des Verpackungsmaterials gilt laut neuester Fassung nicht für den Transport von gefährlichen Gütern, Großgeräten sowie für Spezialverpackungen, die auf einen individuellen Bedarf des Bestellenden zugeschnitten sind. Diese Ausnahme wird von der Europäischen Kommission konkretisiert. Der Forderung des MITTELSTANDSVERBUNDES nach einer generellen Ausnahme von Kartonverpackungen wurde durch den neuen vorläufigen Kompromiss nachgegangen.

Herstellerverantwortlichkeiten

Der Hersteller bleibt auch nach den neuen Verpackungsvorschriften Hauptverantwortlicher für die Entsorgung der Verpackungen. Analog zum deutschen Verpackungsgesetz müssen sich Hersteller daher in das jeweilige nationale Verpackungsregister eintragen. Gleichzeitig muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller Vorkehrungen für die Sammlung, Wiederaufbereitung und das Recycling der Verpackungen getroffen hat. Dies kann durch die Einschaltung eines entsprechenden Dienstleisters erfolgen. Die bestehenden Regeln der Registrierung (im deutschen Verpackungsregister LUCID) sowie der Lizensierung (verpflichtender Anschluss an das Duale System) dürften daher weiterhin Bestand haben.

Labelling der Verpackungen

Weiterhin werden Hersteller zukünftig verpflichtet sein, ihre Produkte mit einer Reihe von Informationen zu kennzeichnen. So müssen etwa Verbraucherinnen und Verbraucher in der Entsorgung des Materials unterstützt werden, indem diese mittels leicht verständlicher Informationen in Form von Piktogrammen über die Zusammensetzung des verpackten Materials hingewiesen werden. Dies gilt grundsätzlich nicht für Transport-, wohl aber für Versandverpackungen.

Außerdem muss wiederverwendbares Verpackungsmaterial klar als solches gekennzeichnet werden. Weiterführende Informationen über das wiederverwertbare Material muss über QR-Codes oder andere digitale Verweisquellen (etwa Links zu entsprechenden Websites) bereitgestellt werden, wobei die informierende Website nicht zu Werbezwecken missbraucht werden darf. Die Anforderungen und das Format der zu übermittelnden Informationen werden von der Kommission nach Inkrafttreten der Verordnung festgelegt – DER MITTELSTANDSVERBUND informiert Sie über den weiteren Vorgang. Informationen über die Wiederverwertbarkeit müssen im Übrigen auch auf Online-Plattformen zugänglich gemacht werden.

Pflichten von Einzelhändlern

Auch nach den neuen Vorschriften obliegt dem Handel eine Prüfpflicht der verwendeten Verpackungen. So muss sichergestellt werden, dass der jeweilige Hersteller im zeitgleich mit der Verordnung eingerichteten Verpackungsregister eingetragen ist, in dem dieser die Einhaltung seiner Pflichten dokumentieren soll. Auch muss geprüft werden, ob das in den Handel gebrachte Produkt vom Hersteller nach den obenstehenden Voraussetzungen gekennzeichnet wurde. Zudem muss, falls ein entsprechender Verdacht besteht, die Ware aus dem Verkehr genommen sowie die zuständige nationale Behörde kontaktiert werden (wobei die Einsendung der Informationen laut neuester Fassung in digitaler Form genügt). Die bislang nach dem deutschen Verpackungsgesetz bestehende Prüfpflicht der verwendeten Verpackungen (Eintrag in das Verpackungsregister LUCID) wird daher auf das Vorliegen einer entsprechenden Kennzeichnung der Verpackung erweitert.

Keine verpflichtenden Wiederbefüllungsstationen

Nachdem die Vorschläge der Europäischen Kommission und Europäischen Parlament noch vorsahen, dass Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von über 400 Quadratmetern mindestens 20 % dieser Verkaufsfläche für Wiederbefüllungsstationen bereitstellen müssen, folgten die Gesetzgeber diesem Ansatz letztendlich nicht. Auch DER MITTELSTANDSVERBUND kritisierte diesen Vorschlag: Nicht nur hätte dieser eine erhebliche personelle und finanzielle Mehrbelastung für solche Unternehmen bedeutet, auch würden geltende Hygiene-Bestimmungen erschwert und Nahrungsmittel durch ihre verpackungslose Ausstellung einer erhöhten Verderblichkeit ausgesetzt. Der neue Kompromiss sieht nun vor, dass sich Unternehmen dieser Größe um eine Bereitstellung solcher Stationen bis 2030 bemühen sollen – eine Verpflichtung hierfür besteht hingegen nicht mehr.

Vermeidung „exzessiver Leerräume“

Bestandteil des Kompromisses ist zudem, dass Marktteilnehmer ab spätestens 1. Januar 2030 bei Transportverpackungen und Versandverpackungen „exzessive Leerräume“ vermeiden müssen. Konkret bedeutet dies, dass das Leerraumverhältnis – das Verhältnis vom Volumen des Produkts zum Verpackungsvolumen – zukünftig nicht weniger als 50 % betragen darf. Bevor die Regelung in Kraft tritt, wird die Kommission die genaue Art der Berechnung solcher Leerräume festlegen – und dabei Ausnahmeregelungen schaffen, die bestimmten speziellen Voraussetzungen des verpackten Inhalts – etwa Form oder besonderes Schutzbedürfnis – Rechnung tragen. Hierfür hatte sich DER MITTELSTANDSVERBUND eingesetzt.

Fazit

Der endgültige Text der Verpackungsverordnung orientiert sich an vielen Stellen an dem in Deutschland bereits geltenden Maßstäben. Eine überbordende Belastung des Handels konnte an vielen Stellen verhindert werden. Gleichwohl bleiben einige Fragen hinsichtlich der Verantwortlichkeit im Rahmen der neuen Regeln offen. Mit Blick auf die vielfältigen Vertriebswege mittelständischer Kooperationen drängt DER MITTELSTANDSVERBUND daher auf eine praxisnahe Auslegung der neuen Vorschriften. Zudem bleibt der europäische Binnenmarkt hinsichtlich der Entsorgung weiterhin fragmentiert: „Die europäischen Gesetzgeber haben es leider verpasst, den Binnenmarkt auf die Dimension der Entsorgung zu erweitern.“, meint daher auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND. „Fragmentierte Entsorgungs-Märkte bleiben leider weiterhin ein Hemmnis für den europäischen Warenverkehr und damit der Vertiefung des Binnenmarktes insgesamt.“, so Geier weiter.

Seite drucken

Ansprechpartner

Tim GeierDER MITTELSTANDSVERBUND
Tim Geier Geschäftsführer Büro Brüssel Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht