KI im Mittelstand: Es geht nur gemeinsam

Eckhard Schwarzer, Präsident des MITTELSTANDSVERBUNDES, im Gespräch über die Zukunft und Vision des kooperierenden Mittelstandes, Herausforderungen und Chancen im Zeitalter von KI, technologischem Fortschritt und Bürokratieabbau und welche politischen Maßnahmen dringend erforderlich sind.

Eckhard, welche Herausforderungen und Chancen siehst Du aktuell für den kooperierenden Mittelstand im Zeitalter von KI und technologischem Fortschritt?

Eckhard Schwarzer: “Wir erleben derzeit eine starke Volatilität des wirtschaftspolitischen Geschehens und eine Bundesregierung, die sich über die Zukunftsfragen zerstreitet und durch missglückte und fehlgeleitete öffentliche Kommunikation mehr Unsicherheit als Zuversicht stiftet. In dieser herausfordernden Zeit drängt mit Künstlicher Intelligenz (KI) zunehmend eine Technologie in den Markt, die in hoher Geschwindigkeit immer neue Anwendungsszenarien eröffnet. Hier steht der kooperierende Mittelstand vor der spannenden Aufgabe, diese Technologien in die Unternehmensabläufe und Businessmodelle zu integrieren. Dies ermöglicht in vielen Bereichen enorme Effizienzsteigerungen, und kann Grundlage für neue innovative Geschäftsmodelle sein. Wir haben bezüglich des Einsatzes von KI die Mitglieder des MITTELSTANDSVERBUNDES im Rahmen unserer vierteljährlichen Konjunkturumfrage befragt – die überaus spannenden Ergebnisse finden sich auch im Verlauf des aktuellen KOMPASS Magazins. Die großen Chancen liegen in jedem Fall in der Erschließung neuer Märkte, der personalisierten Kundenansprache und der verbesserten Entscheidungsfindung durch datengesteuerte Analysen. Gleichzeitig müssen Unternehmen bei ihren Mitarbeitenden die Angst vor Arbeitsplatzverlusten durch Automatisierung überwinden und sie auf die Veränderungen vorbereiten. Es geht nur gemeinsam.

Was braucht es von politischer Seite, um den Mittelstand bei dieser Transformation und der Anpassung an sich verändernde Marktanforderungen zu unterstützen?

Eckhard Schwarzer: “Politisch braucht der Mittelstand entsprechende Rahmenbedingungen, die es Unternehmen erleichtern, agil auf neue Marktanforderungen zu reagieren und diesen Transformationsweg erfolgreich zu beschreiten. Dazu zählen unbedingt der Abbau von Bürokratie und die Stärkung von Investitionen in Technologien und Bildung. Ganz entscheidend ist auch das Thema Digitale Verwaltung. Umso skeptischer sehen wir die Kürzung der dafür vorgesehenen Mittel im Bundeshaushalt. Bei der Verwaltungsdigitalisierung hakt es weiterhin massiv beim Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Die Schuldenbremse wird oft wie eine Monstranz vor sich hergetragen, allerdings brauchen wir gerade jetzt mehr Investitionen. Denn mit einer schlechten Infrastruktur können wir im Wettbewerb nicht aufholen. Gleichzeitig bedarf es einer verlässlichen, abgestimmten und klaren Kommunikation der Bundesregierung. Und eine Energiepolitik, die sich an den ordnungspolitischen Grundregeln der Marktwirtschaft orientiert damit sie zu einer bezahlbaren Versorgung des Mittelstandes führt.”

Der Mittelstand leidet unter hoher Bürokratiebelastung. Was bedeutet das für die Unternehmen?

Eckhard Schwarzer:  “Die überbordende Bürokratielast wirkt sich immens auf den Mittelstand aus. Sie bindet Ressourcen, Zeit und Kapital und blockiert die Produktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Dabei brauchen wir Innovation und Wachstum. Die mittlerweile teils extreme Komplexität von Vorschriften hemmt die unternehmerische Agilität und erschwert es vor allem, schnell auf sich ändernde Marktbedingungen zu reagieren.”

Wenn Du Dir drei Dinge in Sachen Bürokratieabbau von der Politik wünschen dürftest, welche wären das?

Eckhard Schwarzer:  “ Erstens, die Vereinfachung von Antrags- und Genehmigungsprozessen, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Dazu gehört für uns als Verband auch eine Genehmigungsfiktion bei der Überschreitung bestimmter Fristen. Heißt konkret: Für weitgehend standardisierte Verwaltungsdienstleistungen – also solche, in denen übliche Genehmigungslaufzeiten definiert werden können und in die zudem nicht besonderen Sicherheitserfordernissen genügen müssen – soll eine Genehmigungsfiktion gelten, im Rahmen derer ein Antrag automatisch als bewilligt gilt, sofern bestimmte in Abhängigkeit von der regulären Laufzeit zu definierende Fristen von der Verwaltungsbehörde überschritten wurden und der Antrag nicht explizit abgelehnt wurde. Zweitens, um die Effizienz zu steigern, durchgängige und vor allem ressortübergreifende digitale Lösungen für sämtliche Verwaltungsdienstleistungen und Interoperabilität mit allen verbundenen Unternehmensprozessen. Drittens, die Schaffung klarer und verständlicher Richtlinien und Standards, um Unsicherheiten zu minimieren und langfristige Planungen zu erleichtern.”

Die Arbeitswelt unterlag schon immer einem kontinuierlichen Wandel, aber noch nie vollzog sich dieser so schnell wie im Zeitalter der Digitalisierung. Wie unterstützt DER MITTELSTANDSVERBUND bei diesem Thema konkret?

Eckhard Schwarzer:  “Wir schaffen Zugang zu innovativen Technologien. Insbesondere über Projekte wie das Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe oder gezielte Qualifizierungsinitiativen wie #ZUKUNFiT. Außerdem befassen wir uns im Rahmen wissenschaftlicher Studien zur Zukunftsfähigkeit von Verbundgruppen mit den Herausforderungen für Verbundgruppenzentralen und deren Anschlusshäuser. Auf dieser Grundlage bieten wir spezifische Fördermaßnahmen an. Über den MITTELSTANDSVERBUND hinaus bietet hierzu auch unsere Schwestergesellschaft ServiCon eG etwa im Rahmen des Future Campus Formats zukunftsweisende Lösungen an. Hierbei spielen die Vernetzung unter den Verbundgruppen und der Knowhow-Austausch eine zentrale Rolle.”

DER MITTELSTANDSVERBUND ist jetzt 75 Jahre alt. Wofür steht der Verband heute und was ist von damals geblieben?

Eckhard Schwarzer:  “DER MITTELSTANDSVERBUND steht für eine gemeinsame Interessenvertretung von rund 230.000 kleinen und mittleren Unternehmen und 45 Branchen. Er verkörpert das Prinzip der Stärke durch unseren Leitspruch “Zusammen Geht Vieles” und bietet eine Plattform für den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Lösungen in der Verbundgruppenszene. Die Klammer über die Zeit ist die genossenschaftliche Idee, die unabhängig von der Rechtsform der unbestrittene Erfolgsgarant für weite Teile des Mittelstandes in Deutschland ist. Denn auf diese Weise werden die größenbedingten Nachteile in immer komplexeren Märkten ausgeglichen, ohne die unternehmerische Selbständigkeit aufgeben zu müssen. Dass dieses Modell aufgeht, beweisen erfolgreiche Unternehmensnetzwerke, die seit mehr als einem Jahrhundert bestehen – beispielsweise bei unseren Mitgliedern wie EDEKA, REWE oder BÄKO.”

Welche langfristigen strategischen Ziele und Visionen hat der Verband, um den Mittelstand in den kommenden Jahren zu unterstützen und zu stärken?

Eckhard Schwarzer:  “Die Kooperationsidee sollte noch stärker genutzt werden, um für den Mittelstand die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit effektiv voranzutreiben. Es gibt große Erwartungen seitens der Mitglieder der Kooperationen, dass ihre Zentralen diese Zukunftsthemen auch systematisch besetzen und passende Dienstleistungen für Unternehmen bereithalten. Dazu wird DER MITTELSTANDSVERBUND immer wieder sensibilisieren und die entsprechende Qualifizierung voranbringen müssen – hier gibt es mit unserer Bildungsinitiative #ZUKUNFiT schon vielversprechende Ansätze. Außerdem wird der Verband noch stärker bestimmte Zielgruppen in den Fokus nehmen, die bislang noch unterrepräsentiert sind. Hierbei denke ich insbesondere an Frauen im Management und an junge Menschen, die die Potenziale der Genossenschaftsidee und der Unternehmenskooperationen möglicherweise noch nicht für sich entdeckt haben. Zudem werden Kooperationen in Zukunft noch stärker Innovationstreiber sein – so, wie wir das in unserem Whitepaper “Mission Mittelstand 2025” schon vor einigen Jahren prognostiziert haben unter dem Kapitel “Die neue Rolle der Verbundgruppe”.

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