Gelb-grünes Duell für den Mittelstand

Unter dem Motto „Mittelstand trifft Politik“ lud die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand am 25. April zum traditionsreichen Parlamentarischen Abend.

Berlin, 04.05.2017 - Unter dem gewölbten Glasdach der Deutschen Zentral-Genossenschaftsbank versammelten sich Dienstagabend Spitzenvertreter der Politik und Repräsentanten von fünf Millionen Unternehmern, darunter immerhin 1300 Weltmarktführer, so genannte „Hidden Champions“.

Die Präsidenten der zehn Wirtschaftsverbände der AG Mittelstand, darunter MITTELSTANDSVERBUND-Präsident Günter Althaus (l.), mit den Spitzenkandidaten der FDP, Christian Lindner, und der Grünen, Cem Özdemir, am 25. April beim parl. Abend in Berlin.Gemeinsam lauschte man zunächst der kleinen Elefantenrunde, die eigentlich gar keine sein sollte – weil, so der pfiffige Moderator, Elefanten als behäbig und maulfaul gelten. Die beiden Spitzenpolitiker jedoch, die sich einem zwar aufschlussreichen aber unkontroversen Zwiegespräch stellten, erwiesen sich als das Gegenteil:

Beweglich und beredt bezogen die beiden gelb-grünen Duzfreunde, Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir und FDP-Chef Christian Lindner, Stellung zu den brisantesten Themen des deutschen Mittelstandes, wie etwa zum Protektionismus, zum Fachkräftemangel, und zu den Herausforderungen der digitalen Infrastruktur.

Özdemir und Lindner bekennen sich transatlantischen Beziehung

Auf Özdemirs Warnung, Trump sei „immens gefährlich“, antwortete Lindner, er finde es auch „beknackt“, was der Trump da anstelle. Jedoch dürfe man keinesfalls die guten transatlantischen Beziehungen gefährden. Der „Globalisierung“, wie er die Gefahr des Protektionismus umschrieb, müssten jedoch Regeln gegeben werden. „Selten“, verkündete er, „kommt es vor, dass ich Frau Merkel lobe“. Ihre USA-Reise jedoch sei gut gewesen – wenn auch spät.

So glimpflich ließ er Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles nicht davonkommen. Indem er ihre Finger als klebrig bezeichnete, erteilte er der SPD offenbar eine Koalitionsabsage. Wie er – vor dem Hintergrund der geringsten Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa – mit den Flüchtlingen verfahren wolle? Die Perspektive könne nicht die Deckung von Fachkräftebedarf sein, erklärte der jetzt gerade einmal 39-jährige Westfale (und damit vor Rösler jüngster Parteichef der FDP-Geschichte) den rund 170 geladenen, fast durchgehend älteren, Gästen. Wer hier bleiben wolle, müsse bestimmte Auflagen erfüllen, etwa Sprachkenntnisse vorweisen und damit auch Interesse an unserer Kultur signalisieren.

Digitalisierung erfordert Qualifizierungsoffensive

MITTELSTANDSVERBUND-Präsident Günter Althaus im Gespräch mit Cem Özdemir, Parteichef von Bündnis 90/ Die Grünen beim parlamentarischen Abend der AG Mittelstand am 25. April in Berlin.„Bildungserfolg“, ergänzte sein 51-jähriger Dialogpartner, dem man die Anstrengungen des Wahlkampfes noch weniger ansah, müsse jedoch grundsätzlich von der Herkunft abgekoppelt werden“. In diesem Kontext beeindruckte Özdemir mit einem selbst verordneten Wirtschaftswissenschaftsnachhilfeunterricht, den er in Form regelmäßiger mehrtägiger Praktika in mittelständischen Unternehmen absolviere, wo man immer wieder allerhand lernen könne.

Zum Thema der Digitalisierung prognostizierte der bekennende Realschüler beeindruckende Daten: 65 Prozent der jetzigen Grundschüler werden in Berufen arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt. Es bedürfe also auch einer Qualifikation der Lehrer, betonte der gelernte Erzieher und Grünen-Chef, damit die Schüler ihnen nicht überlegen seien und den Respekt nicht verlören.

Auch zu diesem Thema vertraten die beiden mehr oder weniger einander ergänzende Standpunkte. Daten, so der FDP-Prinzipal, seien in erster Linie ein „Rohstoff“. Um den wertschöpfend zu nutzen, müsse es vor allem ein „Datensouveränitätsrecht“ geben. „Wer glaubt, den letzten digitalen Exhibitionisten bei Facebook schützen zu müssen, liegt falsch!“

Wie die beiden sich den Ausbau der digitalen Infrastruktur konkret vorstellen, denn die Autobahnen der Zukunft werden die Datenautobahnen sein, verrieten sie leider nicht mehr. Schließlich sollten auch die anderen Gäste noch genügend Gelegenheit bekommen, einander auszutauschen.

Und das taten die dann auch. Und so wurde es, wie in der Einladung verheißen, ein Abend der „guten Gespräche“, der noch lange nachwirke – was sicherlich auch durch den Eindruck der fulminanten Location (des von Stararchitekt Gehry entworfenen Atriums der direkt neben dem Wahrzeichen Berlins gelegenen viertgrößten Bank Deutschlands) noch kräftig verstärkt wurde.

Zu den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, einem Zusammenschluss von zehn mittelstandsorientierten Wirtschaftsverbänden, zählen DER MITTELSTANDSVERBUND, der Bundesverband der Freien Berufe (BFB), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA), der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV), der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der Handelsverband Deutschland (HDE) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

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