Arbeitsmarktreform benachteiligt Mittelstand

Arbeitsministerin Nahles hat die Reform der Werkverträge und Zeitarbeit entschärft. Dennoch sieht DER MITTELSTANDSVERBUND weiteren Handlungsbedarf. Einige Eckpunkte sind nicht praxistauglich.

Berlin, 27.04.2016 — Es ist eines der letzten Großprojekte der Bundesarbeitsministerin vor der Bundestagswahl. Mit dem "Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze" will Andrea Nahles den Missbrauch bei Werkverträgen und Zeitarbeit verhindern.

Doch das Vorhaben stößt auf Kritik. Denn das Ministerium schießt mit seiner Reform weit über die Vorgaben des Koalitionsvertrages hinaus. DER MITTELSTANDSVERBUND hatte deshalb bereits im Vorfeld vor neuen bürokratischen Hürden und im Wirtschaftsleben unübliche Vorgaben gewarnt.

Nun hat die Ministerin die geplante Reform entschärft. In den Änderungen sind einige Forderungen des Verbandes weitgehend berücksichtigt. Dennoch sieht die geplante Arbeitsmarktreform eine klare Belastung mittelständischer Unternehmen vor. In einer Stellungnahme fordert der Spitzenverband des kooperierenden Mittelstandes deshalb weitere Änderungen.

Ausnahmen für Leiharbeit – aber nicht für alle

Laut Referentenentwurf sollen tarifgebundene Unternehmen von der Überlassungshöchstdauer befreit werden. Derzeit liegt die maximale Dauer bei 18 Monaten. Ein ähnliches Recht räumt der Entwurf auch nicht tarifgebundenen Unternehmen ein, die durch Bezugnahme auf den Tarifvertrag befreit werden können. Allerdings sieht das geplante Gesetz hier nur eine Höchstdauer von 24 Monaten vor.

DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert, dass nicht tarifgebundene Unternehmen, die auf der Grundlage eines Tarifvertrags mit ihrem Betriebsrat von der vorgesehenen Überlassungshöchstdauer abweichen wollen, hier deutlich benachteiligt werden.

"Das geplante Vorhaben ist dem deutschen Arbeitsrecht fremd", kritisiert Judith Röder, MITTELSTANDSVERBUND-Geschäftsführerin. Aus Sicht des Spitzenverbandes sei deshalb auch eine Auffanglösung über Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche denkbar.

Mogelpackung Arbeitsentgelt?

Auch beim sogenannten "Equal Pay", der Gleichstellung hinsichtlich des Arbeitsentgeltes schießt die Reform der Arbeitsministerin über die Ziele des Koalitionsvertrages hinaus. Die Vereinbarung der Regierungskoalition sieht vor, Leiharbeiter spätestens nach neun Monaten mit dem Entgelt der Stammmitarbeiter gleichzustellen. Abweichungen sollen zwar in Branchen mit entsprechender Tarifregelung möglich sein, bei den Verbundgruppen ist eine solche jedoch nicht absehbar.

Nach dem Willen des Arbeitsministeriums geht das aber noch nicht weit genug. Deshalb bezieht der Referentenentwurf neben dem Arbeitsentgelt auch die "wesentlichen Arbeitsbedingungen" für eine Gleichstellung mit ein. "Ein Blick in die Zeitarbeitsrichtlinie macht deutlich, dass hier beispielsweise Arbeitszeit, Überstunden, Ruhezeiten und Urlaub gemeint sein könnten", so Röder. Welche konkreten Aspekte nach neun Monaten mit Stammmitarbeitern gleichgestellt werden sollen, lässt der Entwurf allerdings offen.

Praxisuntaugliche Vorgaben

"Wie eine Gleichbehandlung bei so vielschichtigen Themen und jeweils unterschiedlichen arbeitsvertraglichen Regelungen bei Stammbelegschaft und Zeitarbeitnehmern festgestellt werden kann, bleibt unklar", kritisiert die Arbeitsmarktexpertin des Verbandes. Auch fehle es den Einsatzbetrieben an Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten.

"Unternehmen, die Zeitarbeit einsetzen, können nicht die Arbeitsverträge jedes einzelnen Zeitarbeiters prüfen und detailliert mit denen der Stammbelegschaft abgleichen", so Röder. Das geplante Gesetz schreibe an dieser Stelle Bedingungen vor, die im Wirtschaftsleben schlicht untauglich sind. DER MITTELSTANDSVERBUND fordert deshalb eine Klarstellung, dass eine Gleichstellung nur hinsichtlich des Entgeltes gemeint ist und welche Komponenten hier einbezogen werden müssen Der Verband drängt damit auf die Umsetzung der im Koalitionsvertrag geregelten Eckpunkte.

Streikeinsatzverbot geht an Realität vorbei

Besonders scharf kritisiert DER MITTELSTANDSVERBUND das geplante Streikeinsatzverbot von Leiharbeitern. Der Entwurf sieht vor, Unternehmen den Einsatz von Zeitarbeitskräften bei einem Streik der Stammbelegschaft zu verbieten.

"Diese Regelung ist Irrsinn", betont Röder. "Bundesministerin Nahles tritt Zeitarbeitskräften damit das Recht ab, selbst zu entscheiden, ob man sich am Streik beteiligen möchte". Auch sei es möglich, dass die Stammbelegschaft sich dem Streikaufruf verweigert und damit nur die Zeitarbeiter gezwungen sind, den Streik für andere zu führen – obwohl sie der Tarifkonflikt gar nicht betrifft.

Nahles verletzt Neutralitätsgebot

Hinzu kommt, dass der Entwurf auch auf Arbeitgeberseite nicht haltbar ist. "Vielen Unternehmen wird damit das letzte Mittel genommen, um sich gegen Streikmaßnahmen zu verteidigen", so die Geschäftsführerin des MITTELSTANDSVERBUNDES. Das habe gerade für das Geschäft mittelständischer Unternehmen verheerende Folgen.

Der Spitzenverband fordert deshalb, dass der Einsatz von Zeitarbeitskräften während eines Arbeitskampfs weiter möglich ist. Zumindest müsse der Einsatz von Zeitarbeitern in nicht bestreikten Abteilungen möglich sein und bereits vor dem Arbeitskampf eingesetzte Zeitarbeiter müssten weiter tätig sein dürfen. DER MITTELSTANDSVERBUND warnt deshalb vor dem Eingriff in das staatliche Neutralitätsgebot.

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