Arbeitsstättenverordnung kommt doch

Nachdem die geplante Änderung der Arbeitsstättenverordnung auf unbestimmte Zeit verschoben worden war, kommt nach zwei Jahren Bewegung in die Sache.

Berlin, 29.09.2016 – Seit fast zwei Jahren lag das Projekt auf Eis - die neue Arbeitsstättenverordnung von Bundesarbeitsministerin Nahles war 2014 auf breite Kritik gestoßen. Doch nun haben sich Bundesarbeitsministerium und Bundeskanzleramt auf einen Kompromiss Arbeitsstättenverordnung geeinigt, in dem wichtige Kritikpunkte der Wirtschaft aufgegriffen wurden. Bereits am 23. September stimmte der Bundesrat dem unmittelbaren Erlass der Verordnung durch die Bundesregierung zu. Die Bundesregierung kann nun die geänderte Arbeitsstättenverordnung ohne weitere Zwischenschritte und auch nur ohne weitere Änderungen erlassen.

Der Verordnungsentwurf enthält deutliche Verbesserungen gegenüber dem Diskussionsstand aus dem Jahr 2014. Besonders hinweisen möchten wir auf folgende Punkte:

1. Telearbeit (§§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 7)

Bislang war in Bezug auf Telearbeit vorgesehen, dass eine Vielzahl von Telearbeitsplätzen neu in den Anwendungsbereich der Arbeitsstättenverordnung gefallen wäre. In der Folge hätte der Arbeitgeber beurteilen müssen, ob der Bildschirmarbeitsplatz im häuslichen Bereich ("Homeoffice") sicher und geeignet für die Art der Tätigkeit ist. Als Telearbeitsplatz im Sinne der Verordnung sollte jeder vom Arbeitgeber eingerichtete Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten gelten.

Es hätte in der betrieblichen Praxis zu einem unverhältnismäßigen Aufwand geführt, bei Telearbeitnehmern "im häuslichen Bereich" die Einhaltung aller Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu überwachen. Es war auch nicht ersichtlich, wie Arbeitgeber in betriebswirtschaftlich vertretbarer Weise hätten die Einhaltung verschiedenster Arbeitsschutzvorgaben in der Wohnung des Arbeitnehmers gewährleisten sollen.

Nunmehr ist eine weitaus engere Definition, wann ein Telearbeitsplatz vorliegt, vorgesehen. Die Regelungen wurden so geändert, dass die Verordnung nur in sehr begrenztem Umfang auf Telearbeitsplätze Anwendung finden wird. Insbesondere reicht es aus, die erforderliche Gefährdungsbeurteilung nur bei der erstmaligen Einrichtung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber durchzuführen. Sie kann auch dann entfallen, wenn der Telearbeitsplatz nicht von dem im Betrieb abweicht.

Nach der jetzt vorgesehenen Definition ist ein Telearbeitsplatz außerdem nur ein vom Arbeitgeber fest eingerichteter Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit dem Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Eingerichtet ist ein Telearbeitsplatz vom Arbeitgeber erst dann, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar und Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber (oder eine beauftragte Person) im Privatbereich bereitgestellt und installiert wurde.

2. Definition des Arbeitsplatzes (§§ 2 Abs. 4, 8 Abs. 2)

Bislang war eine Neudefinition des Begriffs des Arbeitsplatzes vorgesehen, bei der es nicht mehr darauf ankommt, ob sich Beschäftigte dort nur vorübergehend oder auch länger aufhalten. In der Folge hätten zahlreiche Vorgaben, die in Arbeitsstättenregeln (ASR) geregelt sind, auch für Orte gegolten, an denen sich Beschäftigte nur wenige Minuten aufhalten. Auch an diesen Orten hätten dann alle für Arbeitsplätze geltenden Regelungen eingehalten werden müssen. Zum Beispiel hätte in jeder Abstellkammer eine gleichmäßige Beleuchtung und auch auf noch so weitläufigen Firmengeländen in max. 100 m Entfernung eine Toilette gewährleistet werden müssen. Solche Verschärfungen des Arbeitsstättenrechts wären nicht sinnvoll gewesen und sie waren auch - nach der Begründung des Verordnungsentwurfs - nicht gewollt.

Nunmehr soll zwar an der geplanten Neudefinition von Arbeitsplätzen festgehalten werden. Allerdings soll ergänzend geregelt werden, dass bei der Anwendung von Arbeitsstättenregeln bis auf Weiteres die bisherige Arbeitsplatzdefinition zugrunde zu legen ist. Für die Praxis wird die vorgesehene Neudefinition des Arbeitsplatzes damit auch keine Änderung bringen - so wie dies nach der Begründung des Verordnungsentwurfs auch gewollt, aber durch den Verordnungstext bislang nicht erreicht wurde.

3. Unterweisung der Beschäftigten (§§ 6, 9 Nr. 9)

Bislang war vorgesehen, dass die bestehende Pflicht zur Dokumentation der jährlichen Arbeitsschutzunterweisung der Beschäftigten deutlich aufgebläht werden sollte. Während bislang für die Dokumentation das Ausfüllen von zwei Zeilen in einem Bogen der Berufsgenossenschaften ausreicht, sollte die künftig verlangte Dokumentation auch den Inhalt der Unterweisung umfassen, zu der verpflichtend zahlreiche Informationen gehören.

Nunmehr soll auf diese zusätzliche Dokumentationspflicht, die sowohl über das europäische Arbeitsstättenrecht als auch über die von den Berufsgenossenschaften erlassenen Vorgaben hinausgeht, ersatzlos verzichtet werden. Außerdem entfällt die Bußgeldbewährung in Bezug auf die Einhaltung der inhaltlichen Vorgaben und der Dokumentation der Unterweisung (§ 9 Nr. 9).

4. Abschließbare Kleiderablage (Anhang 3.3)

Bislang war vorgesehen, dass der Arbeitgeber jedem Beschäftigten "mindestens eine abschließbare Kleiderablage", sprich einen Kleiderschrank, zur Verfügung stellen muss.

Diese Vorgabe hätte in vielen Fällen zu einem kostenträchtigen Nachrüstungsaufwand geführt. Bereits unmittelbar ab dem Tag des Inkrafttretens hätten viele Arbeitsräume nachträglich mit Kleiderschränken bzw. Spinden ausgestattet werden müssen.

Nunmehr soll der Passus, dass die Kleiderablage abschließbar sein muss, gestrichen werden. Damit würde es an dieser Stelle bei der geltenden Arbeitsstättenverordnung bleiben.

5. Tageslicht/Sichtverbindungen nach außen (Anhang 3.4)

Bislang war im Entwurf eine deutliche Verschärfung im Hinblick auf die Notwendigkeit von Tageslicht und einer Sichtverbindung nach außen bei Arbeitsräumen, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen und Unterkünften vorgesehen. Nur für einzelne Räume (z. B. Fotolabore, unterirdische Verkaufsräume) waren Ausnahmen vorgesehen. Für bereits bestehende Arbeitsstätten, die die höheren Anforderungen nicht erfüllen würden, war kein Bestandsschutz vorgesehen.

Nunmehr sind zahlreiche Verbesserungen vorgesehen. So muss das Tageslichterfordernis - wie im geltenden Recht - nur "möglichst" eingehalten werden.

Die Ausnahmeregelungen für Arbeitsräume, die nicht über möglichst ausreichend Tageslicht und eine Sichtverbindung nach außen verfügen müssen, wurden deutlich erweitert. Ausgenommen sind nun auch Arbeitsräume, in denen produktions- oder bautechnische Gründe, Tageslicht oder eine Sichtverbindung nach außen nicht zulassen, nur kurzzeitig benutzte Räume wie z. B. Teeküchen, Tiefgaragen und kulturelle Einrichtungen unter Erdgleiche sowie Räume in Bahnhöfen oder Flughafenhallen. Bei Räumen mit einer Grundfläche von mindestens 2000 qm soll es künftig ausreichen, dass durch bauliche Vorrichtungen Tageslicht in den Raum gelenkt wird. Nicht mehr verlangt werden soll hingegen in diesen Fällen (weil auch nicht erreichbar), dass hierdurch eine "gleichmäßige Beleuchtungsstärke im Raum" geschaffen wird.

Für Kantinen wurde die Muss-Vorgabe, über ausreichend Tageslicht zu verfügen, dahingehend abgeschwächt, dass Kantinen nur noch möglichst ausreichend Tageslicht haben sollen.

Für bestehende Räume soll eine Bestandsschutzregelung gelten. Räume, die bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung eingerichtet worden sind oder mit deren Einrichtung begonnen worden war und die die Anforderungen in Bezug auf Tageslicht und eine Sichtverbindung nach außen nicht erfüllen, genießen Bestandsschutz, bis sie wesentlich erweitert oder umgebaut werden.

6. Schutz gegen Abstürze auf Baustellen (Anhang 5.2 Abs. 2)

Bislang war vorgesehen, dass künftig an allen Verkehrswegen auf Baustellen mit mehr als 1m Absturzhöhe Schutzvorrichtungen vorhanden sein müssen. Diese Vorgabe, die auf einer Änderung des Bundesrates beruhte, wäre eine deutliche Verschärfung der bestehenden Vorgaben gewesen. Nach der Arbeitsstättenregel A2.1 sind bei Verkehrswegen erst ab einer Absturzhöhe von 2 m Schutzvorrichtungen erforderlich.

Nunmehr sollen bei Verkehrswegen Schutzvorrichtungen gegen Abstürze, soweit keine besondere Gefährdung vorliegt (z. B. bei freiliegenden Treppenläufen), weiter erst ab einer Absturzhöhe von 2 m verlangt werden.

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