BMAS legt Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vor – MITTELSTANDSVERBUND fordert Nachbesserungen insbesondere bei Vertrauensarbeitszeit

Verspätet und dennoch unausgereift: Der für das erste Quartal 2023 angekündigte Gesetzentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes liegt vor. Die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichtes werden darin zwar aufgegriffen; eine echte Reform des Arbeitszeitgesetzes ist es aber (bis jetzt) noch nicht. Und noch wichtiger: Das Modell der Vertrauensarbeitszeit ist in Gefahr.

Berlin, 18.04.2023 – Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 13. September 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Der Arbeitgeber sei bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Dabei bezog sich das BAG auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019, welches die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie der Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie) betrifft. Die bisherige Regelung in § 16 Abs. 2 ArbZG, nach der lediglich der Umfang der werktäglichen Arbeitszeit, die über acht Stunden hinausgeht, sowie die gesamte Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufzuzeichnen ist, genüge den Vorgaben des BAG und des EuGH nicht.

Nach Ansicht des BAG ist das Urteil des EuGH aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes bereits heute von den Arbeitgebern in Deutschland zu beachten. Damit hat das BAG die Frage des „Ob“ der Arbeitszeitaufzeichnung entschieden. Bezüglich des „Wie“ der Aufzeichnung bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten; es sei Aufgabe des Gesetzgebers diese Unsicherheiten zu klären. Der EuGH habe in seinem Urteil nicht nur die für erwachsene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltende Arbeitszeitrichtlinie ausgelegt, sondern seine Entscheidung auch auf die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie sowie auf Artikel 31 Absatz 2 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union gestützt, die sowohl für Erwachsene als auch für die Beschäftigung Jugendlicher gelten. Die Aufzeichnung der Arbeitszeit sei somit auch im Jugendarbeitsschutzgesetz zu regeln.

Wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfs

Im neuen Arbeitszeitgesetz sowie Jugendarbeitsschutzgesetz werden die Entscheidungen des EuGH und des BAG zur Arbeitszeiterfassung umgesetzt. Der Arbeitgeber wird danach verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der beschäftigten Jugendlichen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Je nach Größe des Unternehmens sollten unterschiedlich lange Übergangsfristen gelten:

  • Übergangsweise für die Dauer eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes soll die Arbeitszeit auch in nichtelektronischer Form aufgezeichnet werden dürfen.
  • Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern soll diese Ausnahme bis zu zwei Jahre,
  • für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern bis zu fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten.
  • In Kleinunternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmern soll die Arbeitszeit unbefristet in nichtelektronischer Form aufgezeichnet werden können. Gleiches soll für Hausangestellte in Privathaushalten gelten.

Klarstellend wird auch geregelt, dass die Aufzeichnung durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Jugendlichen selbst oder durch einen Dritten (zum Beispiel einen Vorgesetzten oder eine Meisterin) erfolgen kann. Aber auch in diesem Fall soll der Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich bleiben. Gerade bei der Arbeitszeitaufzeichnung biete sich die Vorgabe einer elektronischen Erfassung an. Das Formerfordernis könne mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden. Durch die elektronische Aufzeichnung werde dem Arbeitgeber die Kontrolle der aufgezeichneten Arbeitszeit (beispielsweise durch bessere Lesbarkeit und IT-gestützte Auswertung der Unterlagen) erleichtert.

Geregelt werden auch Informationspflichten des Arbeitgebers in Bezug auf die Arbeitszeitaufzeichnungen. Er hat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die beschäftigten Jugendlichen oder ihre Personensorgeberechtigten jeweils auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren. Außerdem hat er auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen der Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen.

Vertrauensarbeitszeit

Nach Auffassung des BMAS wird die Möglichkeit von Vertrauensarbeitszeit durch die Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nicht beeinträchtigt. Mit Vertrauensarbeitszeit wird im Allgemeinen ein flexibles Arbeitszeitmodell bezeichnet, bei dem der Arbeitgeber auf die Festlegung der Lage (also Beginn und Ende) der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet. Der Arbeitgeber „vertraut“ dabei darauf, dass die Arbeitnehmerin beziehungsweise der Arbeitnehmer ihrer beziehungsweise seiner vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt. Die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes (insbesondere zur täglichen Höchstarbeitszeit und zu Ruhezeiten) dienen dagegen der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und sind auch bei Vertrauensarbeitszeit heute schon einzuhalten. Vertrauensarbeitszeit unter Beachtung dieser Vorgaben sei daher auch weiterhin möglich. Der Arbeitgeber habe aber auch bei Vertrauensarbeitszeit sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.

DER MITTELSTANDSVERBUND mahnt

Eine der wichtigsten Herausforderungen der neuen Arbeitswelt ist die flexible Gestaltung von Arbeitszeit. Dort, wo es betrieblich möglich ist, wird schon heute mit Instrumenten wie Arbeitszeitkonten die Arbeitszeit flexibel aufgeteilt. Ein richtig reformiertes Arbeitszeitgesetz könnte diese Ausgestaltung sinnvoll unterstützen. Dazu könnten flexible Wochen- statt Tageshöchstarbeitszeiten und mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei den Ruhezeiten gehören.

Besonders die Abstimmung von Vertrauensarbeitszeit ist ein geeignetes und praxiserprobtes Instrument moderner Arbeitsbeziehungen. Sie ist ein notwendiger Beitrag, um mobiles Arbeiten oder Außendiensttätigkeiten zu ermöglichen. Die jetzt im Referentenentwurf aufgenommene Regelung zur Vertrauensarbeitszeit wird aber dem Bedarf an Flexibilität nicht gerecht, denn auch bei einer Vereinbarung zum Verzicht der Aufzeichnung der Arbeitszeit bleibt der Arbeitgeber verantwortlich und muss ein System schaffen, welches Überstunden erkennt und anmahnt. Damit wird aber eine flexible Ausgestaltung der Arbeitszeit gerade unmöglich gemacht.

Im neuen Arbeitszeitgesetz sollten alle Spielräume genutzt werden, die der EuGH und das BAG ausdrücklich für die Umsetzung eines modernen Systems zur Arbeitszeiterfassung eingeräumt haben.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahren für eine grundlegende Überarbeitung des Referentenentwurfs einsetzen.

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