Entgeltgleichheit: Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat das Thema Entgeltgleichheit in das parlamentarische Verfahren eingebracht. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert über die wichtigsten Änderungen.

Berlin, 13.01.2017 – Lange Zeit wurde das Thema Entgeltgleichheit in der Großen Koalition diskutiert. Bis zuletzt war nicht klar, ob das Vorhaben noch vor der Bundestagswahl zum Abschluss kommt.

Nun hat das Bundeskabinett am 11. Januar den Entwurf eines „Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ beschlossen. Für den Mittelstand sieht der neue Entwurf gegenüber den Entwürfen aus dem Dezember 2015 und Oktober 2016 einige Verbesserungen vor. DER MITTELSTANDSVERBUND informiert über die konkreten Maßnahmen:

Allgemeine Vorschriften:

  • Der Titel des Artikelgesetzes lautet nicht mehr "Lohngerechtigkeitsgesetz", sondern "Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen". Artikel 1 heißt "Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern", kurz "Entgelttransparenzgesetz" (EntgTranspG).
  • Es ist eine ausdrückliche Angemessenheitsvermutung für tarifvertragliche Entgeltregelungen vorgesehen (§ 4 Absatz 5). Das soll eine Gleichwertigkeitsprüfung bei Arbeitgebern mit Tarifvertrag verhindern.
  • Das Gesetz erstreckt sich nicht mehr auf Zeitarbeitnehmer im Entleihbetrieb und nicht mehr auf arbeitnehmerähnliche Personen.
  • Individuelle und tarifvertragliche Ausschlussfristen können weiter wirken.
  • Es ist nicht mehr vorgesehen, dass Vertraulichkeitsabreden zu Gehältern zwingend unwirksam sind (in vorherigen Entwürfen in § 8 geregelt). Informationen aus dem Auskunftsverlangen sind nur noch zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des Gesetzes zu nutzen.
  • Die Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts in Stellenausschreibungen entfällt.
  • Die Ergänzung des Betriebsverfassungsgesetzes und die Einbeziehung von § 23 BetrVG sind entfallen.
  • Ebenso entfallen ist die Änderung des SGB III zur Umschulungsförderung (inkl. Belastung der Arbeitslosenversicherung).

Auskunftsanspruch:

  • Die Anhebung des Schwellenwerts auf Unternehmen mit 200 Beschäftigten stellt eine Entlastung für kleine und mittlere Unternehmen dar (§ 12 Absatz 1). Im ersten Arbeitsentwurf bestand der Auskunftsanspruch noch für Unternehmen jeder Größe.
  • Ursprünglich bezog sich die Auskunft auf alle Entgeltbestandteile, nun sind es bis zu zwei Entgeltbestandteile neben dem Grundentgelt.
  • Für tarifanwendende Arbeitgeber und für Betriebe mit Betriebsrat gibt es Erleichterungen (§§ 14 und 15). Der Arbeitgeber hat ein Wahlrecht, ob er den Auskunftsanspruch selbst wahrnimmt oder durch den Betriebsrat. Besteht kein Betriebsrat, kann dies über Vertreter der Tarifpartner erfolgen. Betriebsrat und Vertreter der Tarifvertragsparteien können die Auskunftsübernahme zurückweisen. Dann muss der Arbeitgeber übernehmen.
  • Die Frist der erneuten Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs ist jetzt in einem komplizierten Stufenmodell geregelt (§§ 10 Absatz 2, 25): Es besteht eine Zweijahresfrist, wenn sich nicht vorher etwas wesentliches verändert hat. Ausnahmsweise besteht eine Dreijahresfrist, wenn der Auskunftsanspruch innerhalb von drei Kalenderjahren nach Inkrafttreten und Übergangsfrist erstmals geltend gemacht wird. Eine weitere Ausnahme besteht, wenn der/die Beschäftigte darlegt, dass sich die Voraussetzungen wesentlich verändert haben.
  • Für den Fall, dass die mit einer vergleichbaren Tätigkeit befasste Gruppe aus weniger als sechs Personen des anderen Geschlechts besteht, ein Auskunftsverweigerungsrecht des Arbeitgebers festgeschrieben (§ 12 Absatz 3).

Prüfverfahren:

  • Es gibt keine Verpflichtung mehr zur Durchführung von Entgeltprüfverfahren (§ 17 ff). Die noch im Referentenentwurf vom Oktober 2016 festgeschriebenen Fristen, der vorgegebene Prüfzeitraum und die Pflicht zur betriebsinternen Veröffentlichung wurden gestrichen.
  • Der Arbeitgeber hat ein Wahlrecht bei den Analysemethoden und Arbeitsbewertungsverfahren (§ 18 Absatz 2). Die Vorgabe, dass nur von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zertifizierte Verfahren zugelassen sind, wurde gestrichen.
  • Es gibt eine Klarstellung, dass bei Arbeitgebern mit Tarifvertrag keine Verpflichtung zur Überprüfung von Tarifverträgen, insbesondere mit Blick auf die Gleichwertigkeit von Tätigkeiten, erfolgt (§ 18 Absatz 3).
  • Die Rechtsfolge zur Beseitigung von Entgeltbenachteiligungen wurde deutlich vereinfacht (§ 19), sollte aber in Hinblick auf das ohnehin geltende AGG vollständig gestrichen werden.
  • Der Betriebsrat hat kein Beratungsrecht mehr, sondern die Unterrichtung über das betriebliche Prüfverfahren genügt (§ 20 Absatz 1).

Berichtspflichten:

  • Berichtspflichten bestehen nur für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigte, die einen Lagebericht nach dem Handelsgesetzbuch abgeben müssen, und nicht für alle Unternehmen ab 500 Beschäftigten (§ 21 Absatz 1).
  • Die Berichtspflicht zu Entgeltregelungen und Arbeitsbewertungsverfahren sowie umfangreiche statistische Angaben wurden gestrichen. Die Berichtspflichten beschränken sich nun auf Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und zu Maßnahmen zur Herstellung der Entgeltgleichheit sowie auf nach Geschlecht aufgeschlüsselte Angaben zur Gesamtzahl der Beschäftigten und zur durchschnittlichen Zahl der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten (§ 21 Absatz 1 und 2).
  • Positiv ist auch, dass der Bericht dem Lagebericht als Anlage beizufügen ist und nicht in den Lagebericht selbst integriert werden soll (§ 22 Absatz 4).
  • Trotz der im Laufe der verschiedenen Entwurfsstadien erreichten Verbesserungen sind weitere Änderungen und Anpassungen im parlamentarischen Verfahren erforderlich. Dies gilt z. B. für folgende wichtige Punkte:
  • Die Möglichkeit, zwei zusätzliche Entgeltbestandteile zu erfragen, die über das Grundentgelt hinausgehen (§ 10 Abs. 1), muss gestrichen werden. Die Umsetzung wäre sehr aufwendig und ein Einfallstor, um Unfrieden in den Betrieb zu bringen. Sie ist weder im Koalitionsvertrag noch in den Eckpunkten vorgesehen.
  • Der Betriebsrat soll den Arbeitgeber in anonymisierter Form über die Auskunftsbegehren informieren (§ 14 Absatz 1). Dies ist bürokratisch und widerspricht der vorgesehenen Möglichkeit des Arbeitgebers, die Auskunft in bestimmten Fällen selbst zu übernehmen. Dazu muss der Name der oder des Auskunftsersuchenden bekannt sein.
  • Besteht kein Betriebsrat, soll der Arbeitgeber die Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Tarifvertragsparteien über seine Antwort zu den Auskunftsverlangen informieren (§ 14 Absatz 3). Diese Informationspflicht ist nur bürokratisch und bietet keinen Mehrwert.
  • Die Verpflichtung zu "vorbeugenden Maßnahmen" zum Schutz vor Benachteiligungen beim Entgelt wegen des Geschlechts (§ 6 Absatz 2) birgt das Risiko einer Pflicht zu Prüfverfahren durch die Hintertür. Sie muss gestrichen werden.
  • Bei der vorgesehenen Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers (§ 15 Absatz 5) handelt es sich um eine Ausnahme von dem rechtlichen Grundsatz, dass jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnormen trägt. Zumindest sollte daher klargestellt werden, dass der Arbeitgeber die Beweisverteilung durch eine nachträgliche Auskunft wieder herstellen kann.
  • Zwar werden alle privaten Arbeitgeber ab 500 Beschäftigte lediglich „aufgefordert“, regelmäßig ein Prüfverfahren durchzuführen (§ 17 Absatz 1). Die Vorgaben, dass ein Prüfverfahren „regelmäßig“ durchgeführt werden soll und die Ergebniszusammenfassung betriebsintern veröffentlicht werden kann, passen jedoch nicht zur Freiwilligkeit und sollten auch noch gestrichen werden.
  • Die statistischen Angaben bei der Berichtspflicht sollten gänzlich gestrichen werden (§ 21 Absatz 2).
  • Zeitarbeitnehmer müssen zudem aus der Gesamtzahl der Beschäftigten herausgenommen werden.

MITTELSTANDSVERBUND kritisiert Bürokratie

Trotz der genannten Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen kritisiert DER MITTELSTANDSVERBUND weiterhin: Das geplante Gesetz ist mit neuem Auskunftsanspruch, Regelungen über Prüfverfahren, Berichtspflichten, neuen Verfahren für den Betriebsrat und die Tarifvertragsparteien bürokratisch und erreicht sein Ziel nicht. Mehr Karriere und mehr Entgelt für Frauen sind vor allem mit einem bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung, einer klischeefreien Berufsorientierung und anderen Anreizen bei familienpolitischen Leistungen zu erreichen.

Seite drucken

Zurück zur Übersicht