Erstes Urteil zu Anrechnung von Bonuszahlungen auf den Mindestlohn

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass neben dem Grundlohn auch Bonuszahlungen in die Berechnung der Einhaltung des Mindestlohns einfließen, sofern die Zusatzleistung Entgeltcharakter hat und im Fälligkeitszeitraum des Mindestlohngesetzes (MiLoG) entrichtet wird.

Berlin, 18.09.2015 — Das Urteil des Arbeitsgericht Düsseldorf vom 20. April 2015 - 5 Ca 1675/15ist zwar nicht rechtskräftig, jedoch gibt es klare Hinweise zur Gestaltung von Vergütungsregelungen, die sich aus einem Fixum und einem variablen Bestandteil zusammen setzen.

Leitsatz des Gerichts

1. § 1 Abs. 2 MiLoG ist dahingehend auszulegen, dass auch Bonuszahlungen in die Berechnung der Einhaltung des Mindestlohnes einfließen.

2. Das MiLoG soll die Möglichkeit eines angemessenen Lebensunterhaltes durch das eigene Einkommen herbeiführen. Daher kommt es auf die Höhe der Zahlung selbst an und nicht darauf, worauf diese beruht.

3. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist für eine Anrechnung aber erforderlich, dass es sich um "Lohn im eigentlichen Sinne" handelt. Es werden nur Zahlungen erfasst, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter jeweils im gesetzlichen Fälligkeitszeitraum nach § 2 Abs. 1 MiLoG ausgezahlt werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist seit Anfang November 2013 bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag betrug der Grundlohn der Klägerin 8,10 € brutto pro Stunde. Zudem sah der Vertrag vor, dass die Beklagte nach ihrer jeweiligen Bonusregelungeine freiwillige Bonuszahlung von 1,00 € pro Stunde zahlte.

Anlässlich der Einführung des MiLoG bot die Beklagte der Klägerin im Wege einer Vertragsänderung an, dass sich die Grundvergütung auf 8,50 € brutto pro Stunde erhöhe, zugleich aber die Bonuszahlung auf 0,60 € reduziert werde. Diese Vertragsänderung nahm die Klägerin nicht an.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die ursprünglichen Vertragsbedingungen weiter gelten sollten, allerdings mit der Maßgabe, dass in Bezug auf die Bonuszahlung 0,40 € fix gezahlt würden. Die von der Klägerin im Januar 2015 geleisteten 169,63 Zeitstunden rechnete die Beklagte mit 8,10 € brutto ab und zahlte der Klägerin darüber hinaus einen Bonus in Höhe von 1,00 € pro Stunde.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Bonuszahlung dürfe nicht zur Berechnung der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohnes herangezogen werden. Dementsprechend verlangt sie mit ihrer Klage den Differenzbertrag zwischen dem Grundlohn und dem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 67,97 €. Im Wege eines zusätzlichen Feststellungsantrags begehrt die Klägerin zudem die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr in Zukunft einen Grundlohn von 8,50 € pro Stunde zu zahlen.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sowohl die Leistungs- als auch die Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin stehe kein zusätzlicher Vergütungsanspruch zu. Die Beklagte habe an die Klägerin für den Monat Januar 2015 ein Entgelt von insgesamt 9,10 € pro Stunde gezahlt und damit den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschritten.

Nach Auffassung der Kammer kann § 1 Abs. 2 MiLoG nicht dahingehend ausgelegt werden, dass vom gesetzlichen Mindestlohn allein der Grundlohn erfasst werde. Dies lasse sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des MiLoG entnehmen. Der gesetzliche Mindestlohn solle nach dem Willen des Gesetzgebers jedem Arbeitnehmer einen angemessenen Monatslohn garantieren. Dabei sei neben der Höhe des Zeitlohnes auch dessen Zahlungszeitpunkt von entscheidender Bedeutung. Mithin komme es allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen tatsächlich geleisteter Arbeitszeit an. Unerheblich sei hingegen, auf welcher Basis und mit welcher Anrechnungsmethode der dann tatsächlich an den Arbeitnehmer ausbezahlte Lohn ermittelt wurde.

Bei seiner Begründung orientiert sich das Gericht an der Rechtsprechung des EuGH. Der Mindestlohn sei als "Mindestlohnsatz" im Sinne der Entsenderichtline 97/71/EG anzusehen. Der EuGH habe in diesem Zusammenhang betont, dass die Frage, ob ein Gehaltsbestandteil als Lohn im eigentlichen Sinne handelt, nach dem nationalen Recht richte. Dementsprechend seien Zahlungen mindestlohnwirksam, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter im jeweils gesetzlichen Fälligkeitszeitraum nach § 2 Abs. 1 MiLoG ausgezahlt würden.

Bewertung / Folgen der Entscheidung

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass eine Zahlung mit Entgeltcharakter regelmäßig auf den Mindestlohn angerechnet werden kann. Entscheidend ist, dass die Zahlung mit der Arbeitsleistung in einem unmittelbaren Zusammenhang steht und im Fälligkeitszeitraum geleistet wird. Nach der Entscheidung kommt es dennoch nicht auf die Bezeichnung als "Grundlohn" an. Leistung und Gegenleistung müssen vielmehr in einem Austauschverhältnis stehen.

Seite drucken

Ansprechpartner

Judith RöderDER MITTELSTANDSVERBUND
Judith Röder Geschäftsführerin Mehr Infos
DER MITTELSTANDSVERBUND
E-Mail schreiben
Zurück zur Übersicht