Keine Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern - auch bei Befristungen

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass auch Arbeitsverhältnisse mit Betriebsratsmitgliedern sachgrundlos befristet werden können. Lehnt dieser jedoch den Abschluss eines Folgevertrages wegen der Betriebsratstätigkeit ab, kann dies zu Schadensersatz, und damit doch zum Folgevertrag führen.

Berlin, 23.10.2015 — Das Bundesarbeitsgericht hatte mitUrteil vom 25. Juni 2014 - 7 AZR 847/12 - über den Fall eines Betriebsratsmitgliedes, dem nach Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages ein Folgevertrag verweigert wurde, entschieden.


  1. Leitsatz des Gerichts

    Benachteiligt ein Arbeitgeber ein befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied, indem er wegen dessen Betriebsratstätigkeit den Abschluss eines Folgevertrags ablehnt, hat das Betriebsratsmitglied gemäß § 78 S. 2 BetrVG iVm. § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz. Dieser ist im Wege der Naturalrestitution auf den Abschluss des verweigerten Folgevertrags gerichtet.

  2. Sachverhalt 

    Die Klägerin war bei der Beklagten als Chemielaborantin im Rahmen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags für die Dauer eines Jahres beschäftigt. Während dieser Zeit wurde sie in den Betriebsrat gewählt. Später vereinbarten die Parteien die Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags um ein weiteres Jahr. Kurz vor Ablauf des Jahres teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie sie nach Auslaufen des Arbeitsvertrags nicht weiter beschäftigen könne. Die Klägerin erhob Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht geendet habe. Sie machte geltend, dass die sachgrundlose Befristung eines Betriebsratsmitglieds nicht zulässig sei. Hilfsweise verlangte sie den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags im Anschluss an das befristete Arbeitsverhältnis. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

  3. Entscheidungsgründe

    Das BAG hat zunächst seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach Arbeitsverhältnisse mit Betriebsratsmitgliedern sachgrundlos befristet und verlängert werden können (BAG, Az.: 7 AZR 698/11 vom 5. Dezember 2012). Der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 TzBfG sei weder aus Gründen des nationalen Rechts noch aus unionsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen. Auch aus dem Sonderkündigungsschutz des § 15 KSchG ergebe sich keine Unzulässigkeit einer Befristung des Arbeitsvertrags mit einem Betriebsratsmitglied. Werde die Befristung des Arbeitsverhältnisses während der Amtszeit vereinbart, könne die Befristungsabrede unwirksam sein, wenn dem Betriebsratsmitglied allein wegen seiner Betriebsratstätigkeit nur ein befristetes und kein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten werde.

    Im vorliegenden Fall waren keine Anhaltspunkte für eine derartige Benachteiligung erkennbar.

    Schadensersatz im Falle einer Benachteiligung

    Ein Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags folge nicht aus § 78 S. 2 BetrVG iVm. § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB. Hierzu müsse der Arbeitgeber den Vertragsschluss gerade wegen der Betriebsratstätigkeit des Arbeitnehmers verweigern. Der Schaden einer solchen Benachteiligung sei im Wege der Naturalrestitution auszugleichen.

    Verteilung der Darlegungs- und Beweislast

    Das Betriebsratsmitglied trage für eine Benachteiligung die Darlegungs- und Beweislast. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach die Entscheidung eines Arbeitgebers, mit einem befristet beschäftigten Betriebsratsmitglied keinen Folgevertrag zu schließen, auf dessen Betriebsratstätigkeit beruht. Es sei aber dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei der behaupteten Benachteiligung um eine in der Sphäre des Arbeitgebers liegende "innere Tatsache" handelt, die einer unmittelbaren Wahrnehmung durch Dritte nicht zugänglich ist. Der klagende Arbeitnehmer könne seinen Vortrag daher auf Indizien stützen, die auf das Vorliegen einer Benachteiligung schließen lassen. Ein solches Indiz könne etwa der Umstand sein, dass der Arbeitgeber allen anderen Arbeitnehmern Folgeverträge angeboten hat. Der beklagte Arbeitgeber kann seinerseits Gründe offenlegen, die für ihn maßgeblich waren, mit dem befristeten Arbeitnehmer keinen Folgevertrag zu schließen, um die Hilfstatsachen zu entkräften.

  4. Bewertung/Folgen der Entscheidung

    Das BAG hat klargestellt, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, ein Betriebsratsmitglied in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen oder dessen befristetes Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung des Mandats zu verlängern. Es kann also ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied nach § 14 Abs. 2 S. 1 HS 2 TzBfG verlängert werden oder auch auslaufen.

    In Einzelfällen kann dem Betriebsratsmitglied jedoch ein Anspruch auf Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Befristung hinaus oder auf Abschluss eines Folgevertrages zustehen, wenn der Arbeitgeber allein wegen der Betriebsratstätigkeit kein unbefristetes Arbeitsverhältnis anbietet und damit gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG verstößt.

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