Leiharbeit: Streikeinsatzverbot teilweise entschärft

Die seit November 2015 vorliegenden Arbeits- und Referentenentwürfe zur Neuregelung von Werkverträgen und Leiharbeit sind in einen Kabinettsentwurf gemündet. Das geplante Streikeinsatzverbot wurde teilweise entschärft.

Berlin, 02.06.2016 – Die geplanten Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz haben das Ziel, den Schutz von Leiharbeitnehmern zu stärken und zu verhindern, dass dauerhafte Arbeitsplätze durch den Einsatz von Leiharbeit abgebaut werden. Gleichzeitig soll Unternehmen die Flexibilität erhalten bleiben, bei Auftragsspitzen und zu Vertretungszwecken Leiharbeitnehmer einzusetzen.

Nach mehrmaligen Nachbesserungen hat sich die Bundesregierung am 1.6.2016 auf einen Gesetzentwurf verständigen können. Die Änderungen sollen zum 1. Januar 2017 in Kraft treten, so dass mit einem schnellen Gesetzgebungsverfahren ohne nennenswerte weitere Änderungen zu rechnen ist.

Zu den geplanten Neuregelungen im Einzelnen:

Überlassungshöchstdauer

Vorgesehen ist die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten. Diese soll nach dem arbeitnehmerbezogen sein. Demnach darf ein Leiharbeitnehmer zukünftig nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Unternehmen überlassen werden.

Einsatzzeiten vor dem 1. Januar 2017 bleiben hierbei unberücksichtigt. Der Leiharbeitnehmer kann auch dann nicht länger überlassen werden, wenn er bei demselben Unternehmen auf einem anderen Arbeitsplätz eingesetzt wird. Eine vorherige Überlassung durch denselben oder einen anderen Verleiher wird vollständig angerechnet, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

Der Einsatz eines anderen Leiharbeitnehmers auf demselben Arbeitsplatz bleibt aber ohne Einschränkung möglich. Der Entleiher kann daher nach Ablauf der 18 Monate einen anderen Leiharbeitnehmer für die gleiche Tätigkeit einsetzen, ohne dass eine Anrechnung erfolgt.

Eine längere Überlassungsdauer kann durch Tarifvertrag der jeweiligen Einsatzbranche festgelegt werden, wobei keine gesetzliche Höchstdauer vorgegeben ist. Diese liegt im Geltungsbereich einer tariflichen Regelung allein im Ermessen der Tarifvertragsparteien. Sofern der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen enthält, können auch nicht tarifgebundene Unternehmen der Branche eine längere Überlassungshöchstgrenze mit ihrem Betriebsrat vereinbaren, allerdings nur bis zu einer Höchstdauer von 24 Monaten. Diese Grenze gilt nicht, wenn der Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen ausdrücklich eine längere Überlassungsdauer anordnet. Der zugrundeliegende Tarifvertrag, der dies ermöglicht, muss für den jeweiligen Geltungsbereich repräsentativ sein.

Bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer ist als gesetzliche Sanktion vorgesehen, dass zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zustande kommt, sofern der Leiharbeitnehmer dem nicht widerspricht.

Equal Pay

Der Grundsatz des Equal Pay, also die gleiche Entlohnung von Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern, wird gesetzlich verschärft. Equal Pay soll nach spätestens neun Monaten zwingend gelten.

Soweit für das Arbeitsverhältnis ein (Branchen-)Zuschlagstarifvertrag gilt, der bereits eine stufenweise Heranführung des Arbeitsentgelts vorsieht, besteht der gesetzliche Anspruch auf gleiche Bezahlung erst nach einer Einsatzdauer von 15 Monaten. Solche Tarifverträge existieren bislang in nur wenigen (Industrie-)Branchen.

Einsatzzeiten vor dem 1. Januar 2017 bleiben auch hinsichtlich Equal Pay unberücksichtigt. Ebenfalls muss eine Unterbrechungsdauer von mehr als drei Monaten vorliegen, damit die Zeiträume für die Ermittlung des Anspruchs auf gleiche Bezahlung neu zu laufen beginnen.

Sanktionierung "verdeckter" Arbeitnehmerüberlassung

Um die Folgen einer illegalen Überlassung abzuwenden, wurde bislang häufig im Grenzbereich zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk-/Dienstvertrag vorsorglich eine Überlassungserlaubnis beantragt. Eine solche "verdeckte" Überlassung über Scheinwerkverträge mit vorsorglicher Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wird zukünftig der Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis gleichgestellt: In beiden Fällen kommt ein Arbeitsverhältnis zum vermeintlichen Werkbesteller zustande - dieser haftet dann als Arbeitgeber für die Beiträge zur Sozialversicherung und Lohnsteuer.

Nur wenn bei vorliegender Erlaubnis die Überlassung auch eindeutig als solche kenntlich gemacht und bezeichnet wird, bleibt diese Rechtsfolge aus. Der Verleiher muss den Leiharbeitnehmer zudem vor jeder Überlassung darüber informieren, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird.

Streikeinsatzverbot von Leiharbeitern

Ist ein Betrieb unmittelbar vom Arbeitskampf betroffen, ist die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern mit Tätigkeiten, die andernfalls von einem Streikenden wahrgenommen würden, gesetzlich verboten. In diesem Punkt enthält der Gesetzentwurf eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den vorherigen Plänen, nach denen in bestreikten Betrieben jeglicher Einsatz von Leiharbeitern verboten werden sollte. DER MITTELSTANDSVERBUND begrüßt diese Entschärfung ausdrücklich.

Nach bisheriger Gesetzeslage gibt es lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Leiharbeitnehmers, über das der Verleiher informieren musste. Die aktuellen DGB-Tarifverträge der Zeitarbeit sehen allerdings bereits jetzt vor, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich nicht in bestreikten Betrieben eingesetzt werden dürfen.

Das "Konzernprivileg" wird durch die Neuregelung nicht eingeschränkt. Erlaubnisfreie Zeitarbeit unter Konzernunternehmen bleibt demnach auch im Streikfall möglich. Ebenso können Betriebe, die nur mittelbar vom Streik betroffen sind, weiterhin ohne Beschränkungen Leiharbeitnehmer einsetzen.

Werkverträge

Die zur Verhinderung von "Scheinwerkverträgen" zunächst vorgesehene gesetzliche Festschreibung von acht Kriterien zur Unterscheidung von Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertragsverhältnissen wird nicht umgesetzt. Stattdessen soll in § 611 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Arbeitnehmerbegriff auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erstmals gesetzlich definiert werden. In der Praxis wird diese Änderung kaum zu anderen Ergebnissen bei der Beurteilung des Arbeitnehmerstatus führen.

Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats

Der Entwurf sieht eine allgemeine Unterrichtungspflicht des Betriebsrats bei Werkverträgen vor, die sich auf "den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen" erstreckt. Zu den vorzulegenden Unterlagen sollen auch die Verträge gehören, die dem Fremdpersonaleinsatz zugrunde liegen.

Schon nach geltendem Recht hat der Betriebsrat Auskunftsansprüche beim Einsatz von Fremdpersonal. Er kann nach der Rechtsprechung insbesondere verlangen, dass ihm Werkverträge vorgelegt werden, um zu prüfen, ob tatsächlich ein Werkvertragsverhältnis oder gegebenenfalls eine mitbestimmungspflichtige Einstellung vorliegt.

Betriebsverfassungsrechtliche Schwellenwerte

Durch die gesetzliche Neuregelung wird festgelegt, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich bei Schwellenwerten der Mitbestimmung zu berücksichtigen sind, wenn die Überlassung sechs Monate übersteigt. Der Koalitionsvertrag hatte sich zunächst auf die betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte beschränkt. Nunmehr wäre auch die Mitbestimmung in anderen Gremien, beispielsweise dem Aufsichtsrat, erfasst.

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