MITTELSTANDSVERBUND kritisiert Reform der Gleichbehandlung

Die Reformvorschläge des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes sehen schärfere Kontrollen und Zwangsmaßnahmen vor. DER MITTELSTANDSVERBUND wendet sich gegen die Vorschläge.

Berlin, 26.08.2016 – Seit zehn Jahren sorgt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für weniger Diskriminierung in den Betrieben. Aus Anlass des Jubiläums hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nun eine Evaluation des Gesetzes vorgenommen.

Die neuen Vorschläge, die am 9. August vorgestellt wurden, sehen vor allem Verschärfungen und Zwangsmaßnahmen vor. Das durchführende Institut, das Büro für Recht und Wissenschaft GbR, übermittelt mit der Evaluation zugleich konkrete Empfehlungen an den Gesetzgeber zur umfassenden Überarbeitung des AGG. DER MITTELSTANDSVERBUND kritisiert die Empfehlungen. Bei den konkreten Vorschlägen handelt es sich dabei um folgende Punkte:

  • Erweiterung des Begriffs "Behinderung":
    Der Begriff der "Behinderung" in § 1 AGG sollte entsprechend der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention weit gefasst werden. Dabei sollte auch klargestellt werden, dass das Versagen sog. angemessener Vorkehrungen, z. B. die Schaffung eines barrierefreien Arbeitsplatzes, für Menschen mit Behinderung eine Diskriminierung darstellt.
  • Einsatz von Fremdpersonal:
    Der Anwendungsbereich des AGG sollte auf Fremdpersonaleinsatz und Solo-Selbstständige auf Grundlage eines selbstständigen Werk- oder Dienstvertrages erweitert werden.
  • Dreieckskonstellationen im Arbeitsverhältnis:
    Der Gesetzgeber sollte eine Regelung in das AGG aufnehmen, in der klargestellt wird, dass Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sind, wenn die Diskriminierung entweder durch Beschäftigte, die im Namen des Arbeitgebers gegenüber anderen Beschäftigten Weisungen erteilen dürfen, in Ausübung dieser Befugnisse oder durch sonstige Beschäftigte oder Dritte erfolgt ist und der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus § 12 AGG verletzt hat. Ebenso sollten die sich aus § 12 Abs. 4 AGG ergebenden Verpflichtungen für Arbeitgeber konkretisiert werden.
  • Verlängerung von Fristen:
    Die in §§ 15 Abs. 4 und 21 Abs. 5 AGG geregelten zweimonatigen Anzeigefristen sollten auf sechs Monate verlängert werden. In jedem Fall sollte § 15 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AGG, wonach die Frist mit dem Zugang der Ablehnung beginnt, dahingehend korrigiert werden, dass es auch hier auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Benachteiligung ankommt.
  • Erweiterung der Beweislasterleichterung:
    Der Gesetzgeber sollte klarstellen, dass sich die Beweislasterleichterung des § 22 AGG nicht allein auf die Kausalität zwischen einer Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund bezieht, sondern auch die Darlegung der Benachteiligung selbst umfasst. Die Parteivernehmung und die Berücksichtigung von Statistiken sollten zulässige und im Einzelfall ausreichende Beweismittel sein. Außerdem sollte ein Auskunftsanspruch im Arbeitsrecht eingeführt werden, um die Beweiserhebung abgelehnter Bewerber zu erleichtern.
  • Verbandsklagerecht:
    Das AGG sollte um eine Prozessstandschaft und ein Verbandsklagerecht für qualifizierte Antidiskriminierungsverbände ergänzt werden.
  • Stärkung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes:
    Die Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollten von einem Recht zur Beratung im Einzelfall, über die Unterstützung bei Klagen durch Stellungnahmen und einem umfassen Auskunfts-, Beanstandungs- und Beteiligungsrecht bis hin zu einem Klagerecht in grundlegenden Fällen erweitert werden. Dazu sollte die Antidiskriminierungsstelle mehr Personal und Ressourcen erhalten.

Kostenintensive und aufwendige Praxis für Unternehmen

DER MITTELSTANDSVERBUND bedauert, dass sich die Evaluation - entgegen der eigenen Zielsetzung - nicht darauf konzentriert, die rechtliche Entwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes und seine praktische Wirksamkeit zu untersuchen und darzustellen, sondern konkrete rechtliche Vorschläge zur Verschärfung auflistet. Das führe zu einer noch aufwendigeren und kostenintensiveren Praxis für die Unternehmen, erklärt Judith Röder, MITTELSTANDSVERBUND-Geschäftsführerin.

Daneben sind viele Vorschläge schlicht praxisfremd. So ist bspw. die Zwei-Monats-Frist (§ 15 Abs. 4 S. 1 AGG) aus Sicht des Spitzenverbandes angemessen. Sie gewährleistet ausreichend, dass die Betroffenen Ansprüche nach § 15 AGG geltend machen können. „Eine Ausdehnung dieser Frist ist nicht zweckmäßig. Für den Arbeitgeber ist es bereits heute schwierig, z. B. zwei Monate nach einer angeblichen sexuellen Belästigung am Arbeitplatz die einzelnen Umstände der Geschehnisse aufzuarbeiten und (angebliche) Versäumnisse von Mitarbeitern bzw. des Arbeitgebers selbst nachzuvollziehen“, so Röder.

Ebenso ist die Systematik der (Ent-)Haftung in § 12 AGG folgerichtig ausgestaltet: Der Arbeitgeber haftet z. B. für die sexuelle Belästigung durch Mitarbeiter und Dritte nur dann, wenn ihm eigenes Verschulden zur Last fällt. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, den Arbeitgeber unabhängig von seinem Verschulden haften zu lassen.

Auch im Sinne der Arbeitgeber ist es sinnvoll, dass in den Betrieben Vielfalt und Toleranz gelebt wird. Diskriminierung hat hier keinen Platz. Ein diskriminierungsfreies Miteinander im Betrieb beeinflusst schließlich Betriebsklima und Arbeitsweise der Beschäftigten positiv. Zwangsmaßnahmen und immer schärfere gesetzliche Kontrollmechanismen, wie sie in der Evaluation vorgeschlagen werden, helfen aus Sicht des MITTELSTANDSVERBUNDES allerdings kaum, Haltungen zu verändern.

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