Warum der Betriebsrat keinen eigenen Internetzugang braucht

Wird der Betriebsrat im Internet durch den Arbeitgeber überwacht? Selbst wenn, darf er dennoch keinen separaten Internetzugang haben. Das entschied nun das Bundesarbeitsgericht.

Berlin, 8.9.2016 - Was im Internet passiert, bleibt nie geheim. Das hat sich auch ein Betriebsrat der M-AG gedacht und wollte vorbeugen. Mit einem eigenen, vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang sollte die Überwachungsmöglichkeit des Arbeitgebers beseitigt werden. Doch die Rechnung ging nicht auf. Mit Urteil vom 20. April hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Forderung unzulässig sei.

Ein separater Internetzugang sei nicht allein deshalb erforderlich, weil über den zentral vermittelten Internetzugang technisch die Möglichkeit besteht, die Internetnutzung und den E-Mail-Verkehr zu überwachen. Außerdem habe der Betriebsrat grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Einrichtung eines eigenen, von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschlusses. Der Arbeitgeber kann seine Verpflichtung nach § 40 Abs. 2 BetrVG vielmehr dadurch erfüllen, dass er dem Betriebsrat über einen Nebenstellenanschluss eine uneingeschränkte Telekommunikation ermöglicht.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat einen separaten Telefon- und Internetanschluss einschließlich eines unkontrollierbaren E-Mail-Verkehrs zur Verfügung zu stellen. Die beteiligte Arbeitgeberin gehört zum Konzern der M-AG und unterhält einen Betrieb mit etwa 65 Arbeitnehmern, für den der antragstellende Betriebsrat gebildet ist.

Das Büro des Betriebsrats ist mit einem PC sowie mit einem Laptop ausgestattet. Wie für alle anderen dem Betrieb angehörenden Personen mit Zugriffsberechtigung zum Internet wird auch der Internetzugang für den Betriebsrat über den sogenannten Proxy-Server der Konzernmutter M-AG vermittelt. Über den Proxy-Server ist es technisch möglich, User- und IP-Adressen sowie die URLs der Browserzugriffe zu protokollieren und personen- bzw. betriebsratsbezogen auszuwerten. Die E-Mail-Postspeicher einschließlich der gelöschten E- Mails können von Administratoren gelesen werden. Die dort eingesetzten Telefonanlagen lassen technisch die Einstellung zu, dass die Verkehrsdaten mit vollständigen Zielnummern gespeichert und personenbezogen ausgewertet werden können. Das Betriebsratsbüro ist dabei mit einem Nebenstellenanschluss ausgestattet.

Der Betriebsrat vertritt die Auffassung, ihm stehe ein separater Internetzugang einschließlich eines unkontrollierbaren E-Mail-Verkehrs zu, der nicht über den Proxy-Server der Konzernmutter vermittelt werde. Außerdem habe er Anspruch auf einen Telefonanschluss, der von der Telefonanlage der Arbeitgeberin unabhängig sei. Aufgrund der abstrakten Möglichkeit einer Kontrolle der Internetnutzung, des E-Mail-Verkehrs sowie der Telekommunikation durch die Arbeitgeberin dürfe er einen separaten Zugang zum Internet und einen eigenen Telefonanschluss für erforderlich halten.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats als unbegründet zurückgewiesen.

Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang unter anderem sachliche Mittel sowie Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist, obliege dabei dem Betriebsrat. Dabei habe dieser jedoch die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gegeneinander abzugrenzen.

Es wird vorgebracht, dass alle Mitglieder des Betriebsrats nach Eingabe eines einheitlichen Passworts Zugriff auf das Internet hätten und recherchieren sowie per E-Mail kommunizieren könnten. Es bestünde auch keine unzulässige Beeinträchtigung der Betriebsratsarbeit durch etwaige Sperrungen über den Proxy-Server. Der Betriebsrat dürfe einen separaten, vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang nicht allein deshalb für erforderlich halten, weil über den zentral vermittelten Internetzugang technisch die Möglichkeit besteht, die Internetnutzung und den E-Mail-Verkehr zu überwachen, sonst aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine derartige Überwachung vorliegen.

Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) stehe der Vermutung entgegen, dass ein Arbeitgeber von den technischen Überwachungsmöglichkeiten der Internetnutzung in unzulässiger Weise Gebrauch macht und er insbesondere Inhalte der vom Betriebsrat versandten oder an den Betriebsrat gerichteten E-Mails zur Kenntnis nimmt und ggf. auswertet. Der Betriebsrat habe vor diesem Hintergrund die Sicherheitsinteressen der Arbeitgeberin nicht ausreichend berücksichtigt. Es liege im berechtigten Interesse der Arbeitgeberin, dass der Betriebsrat Internetrecherchen und seinen E-Mail-Verkehr über das von ihr geschützte technische Netzwerk durchführt, um den von ihr für erforderlich gehaltenen Sicherheitsstandard der IT-Systeme zu gewährleisten. Anderenfalls entstünde eine nicht notwendige Sicherheitslücke, die der Arbeitgeber nicht hinzunehmen habe.

Der Betriebsrat dürfe grundsätzlich auch einen von der Telefonanlage des Arbeitgebers unabhängigen Telefonanschluss nicht als erforderlich ansehen, wenn er über einen Nebenstellenanschluss die Möglichkeit einer uneingeschränkten Telekommunikation hat. Es bestünden auch hier keine konkreten Anhaltspunkte für etwaige Überwachungsaktivitäten der Arbeitgeberin.

Bewertung/Folgen für die Praxis

Der vorliegende Beschluss stellt eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung dar. In der Vergangenheit hatte sich das BAG lediglich mit der generellen Erforderlichkeit eines Zugangs zum Internet für den Betriebsrat auseinandergesetzt. Nun verneint eshier richtigerweise die Erforderlichkeit eines vom Arbeitgeber unabhängigen Internet- und Telefonanschlusses für den Betriebsrat.

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