Reizthema "Insolvenzanfechtung" - MITTELSTANDSVERBUND setzt sich für Gesetzesänderung ein

Für Verbundgruppen und ihre Anschlusshäuser besteht oft das Risiko, wegen des Abschlusses einer Ratenzahlungsvereinbarung oder einer Rücklastschrift durch den (späteren) Insolvenzverwalter des Kunden auf Rückzahlung in Anspruch genommen zu werden. Und das bis zu zehn Jahre nach Erhalt der Gelder. Nach Ansicht des MITTELSTANDSVERBUNDES ein unhaltbarer Zustand.

Berlin, 24.04.2013 — Mit Einführung der Insolvenzordnung (InsO) sind die Voraussetzungen für die Vorsatzanfechtung erleichtert worden. Nach der aktuellen Gesetzesformulierung des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Daran anknüpfend hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) weitere Erleichterungen der Beweisführung geschaffen.

Weil Verbundgruppen und deren Anschlusshäuser häufig bei der Erschließung von Beschaffungsmärkten für Rohstoffe, Halbfabrikate, Fertigwaren, Verpackungsmaterialien und Investitionsgüter in die Lieferkette eingebunden sind (so in zahlreichen Fachgroßhandelssystemen wie z.B. BÄKO, hagebau, Eurobaustoff etc.), besteht das latente Risiko, wegen des Abschlusses von Ratenzahlungsvereinbarungen oder sonstigen kenntnisvermutenden Umständen im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO durch den (späteren) Insolvenzverwalter auf Rückzahlung der vereinnahmten Gelder in Anspruch genommen zu werden. Und das bis zu 10 Jahre nach Erhalt der Gelder.

Dabei stützen sich die Insolvenzverwalter häufig lediglich auf die Existenz einer Ratenzahlungsvereinbarung oder eine Rücklastschrift, um systematisch alle damit zusammenhängenden Rechtshandlungen bis zu 10 Jahre rückwirkend anzufechten.

Noch ein weiterer Punkt ist bei den Verbundgruppenzentralen zu berücksichtigen: Viele Verbundgruppen sind als Genossenschaft organisiert und damit dem in § 1 GenG festgelegtem Förderauftrag verpflichtet. Dies bedeutet, dass der Zweck der Genossenschaft darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Aber auch nicht genossenschaftlich organisierte Verbundgruppen haben in der Regel diesen Förderauftrag im Gesellschaftsvertrag verankert. So übernehmen Verbundgruppen gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Verantwortung gegenüber ihren Anschlusshäusern und unterstützen diese – auch finanziell. Dabei handelt es sich um eine Grundaufgabe der Verbundgruppen. Für die Überwachung der Unterstützungsmaßnahmen gibt es bewährte Rating- und Debitorenmanagement-Programme, die über ein rein betriebliches Controlling hinausgehen. Eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen konnte so erhalten werden.

Es ist deshalb besonders unverständlich für Verbundgruppen, wenn sie – Ihrem (gesetzlichen) Förderauftrag nachkommend – die ihnen angeschlossenen Unternehmen unterstützen und sodann im Rahmen der Insolvenzanfechtung "zur Kasse gebeten" werden. Dieser Zustand ist für die beteiligten Unternehmen in höchstem Maße unbefriedigend, von Planungs-, Kalkulations- oder Rechtssicherheit ganz zu schweigen.

Aus diesem Grund setzt sich DER MITTELSTANDSVERBUND für eine Änderung der Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung ein. Dreh- und Angelpunkt der Problematik ist aus unserer Sicht die für die Anfechtung von Zahlungen erforderliche Kenntnisvermutung auf Seiten des Gläubigers (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO). Es genügt die Kenntnis der Umstände, aus denen auf die drohende Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde oder der Schuldner sich in einer Mahnstufe befindet.

In seinem Urteil vom 30.06.2011 hat der BGH sich zu diversen Beweisanzeichen geäußert, aus denen auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann:
  • tatsächliche Nichtzahlung
  • Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit
  • schleppende Zahlungen
  • Vollstreckungsversuche
  • geplatzte Schecks
  • geschlossene Ratenzahlungsvereinbarungen
Bereits aus der Nichtzahlung erheblicher fälliger Forderungen schließt der Bundesgerichtshof auf die Zahlungsunfähigkeit, die daher auch dem Anfechtungsgegner bekannt ist.

Diese Anfechtungsvoraussetzungen müssen nach Ansicht des MITTELSTANDSVERBUNDES dringend konkretisiert werden. Die Kriterien müssen dabei dem Umstand Rechnung tragen, dass eine Rechtshandlung es nicht verdient, über 10 Jahre hinweg rechtsunsicher zu bleiben. Die Kriterien sollten daher klar zum Ausdruck bringen, dass es sich um die Sanktion eines kriminellen Verhaltens handelt, nicht um den Versuch, im Rahmen eines Förderauftrages ein Mitglieds-Unternehmen zu unterstützen.

Die Finanzierung von Unternehmen durch Ratenzahlungs-, Stundungs- und Verzichtsvereinbarungen muss privilegiert werden. Verbundgruppen, deren Anschlusshäuser und andere Gläubiger erfüllen dadurch eine volkswirtschaftlich wichtige Aufgabe, insbesondere im Bereich mittelständischer Strukturen. Andernfalls droht den Firmen und deren Arbeitnehmern gleichermaßen Schaden.

Darüber hinaus sollte auch im Bereich der Vorsatzanfechtung eine Privilegierung der Bargeschäfte nach § 142 InsO erfolgen, wie dies bei §§ 130, 131 InsO schon heute der Fall ist. Es gehört in vielen Branchen u.a. im Groß- und Fachhandel zur gängigen Praxis, Zwischenfinanzierungen zu organisieren oder saisonale oder witterungsbedingte Einflüsse in Abstimmung mit den Auftragnehmern zu meistern. Die Refinanzierungsform z.B. des Lieferantenkredites oder der Nutzung von Zahlungszielen ist neben der Refinanzierung durch Finanzinstitute ein flexibles, kurzfristig genutztes Instrument, dem gerade im Mittelstand eine hohe Bedeutung zukommt und insgesamt volkswirtschaftlich eine wichtige Aufgabe.

DER MITTELSTANDSVERBUND schlägt daher vor, § 133 wie folgt zu ändern:


§ 133 Vorsätzliche Benachteiligung

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diese im Antrag mit der Absicht, ausschließlich seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung die Absicht des Schuldners kannte.


Durch den neuen Begriff "Absicht" wird deutlich, dass die Benachteiligung der anderen Gläubiger Ziel des Handelns sein muss. Darüber hinaus halten wir es für dringend geboten, dass in § 142 InsO (Bargeschäft) eine Anfechtung nach § 133 InsO ebenfalls ausgeschlossen wird. Der diesbezügliche Vorbehalt in § 142 InsO ist daher zu streichen.

DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich bei dem zuständigen Bundesjustizministerium sowie insgesamt bei der Politik für dieses den Mittelstand betreffende Thema einsetzen.

Das vollständige Forderungspapier des MITTELSTANDSVERBUNDES können Sie hier herunterladen.

Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen informieren.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an: RA Dr. Marc Zgaga, Tel: (0221) 35537-139, E-Mail:m.zgaga@mittelstandsverbund.de

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