BAG: Geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei einer Stellenbesetzung

Laut Bundesarbeitsgericht ist eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorgetragen werden, die eine solche Benachteiligung vermuten lassen. An diesen Vortrag seien jedoch keine strengen Anforderungen zu stellen

In seinem Urteil vom 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass eine geschlechtsspezifische Benachteiligungglaubhaft gemacht wurde, wenneine Arbeitnehmerinaußer der Schwangerschaft und der Stellenbesetzung mit einem männlichen Bewerber weitere Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

I. Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten in ihrem Fachbereich als eine von drei Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des für den Fachbereich zuständigen Vizepräsidenten der Beklagten frei. Die Beklagte besetzte diese Stelle mit einem männlichen Kollegen und nicht mit der schwangeren Klägerin.

Diese begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts. Sie habe die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten. Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden. Die Beklagte behauptet, für die getroffene Auswahl sprächen sachliche Gründe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.

II. Entscheidungsgründe

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Er hat angenommen, die Klägerin habe Tatsachen vorgetragen, die ihre geschlechts- spezifische Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 BGB (gültig bis 17.°08.°2006; jetzt §°7°Abs.°2°AGG) vermuten lassen können.

So habe die Beklagte die Schwangerschaft der Klägerin gekannt. Die weiteren Behauptungen der Klägerin, sie sei Vertreterin des E. gewesen und dieser habe ihr auch seine Nachfolge in Aussicht gestellt, muss das Landesarbeitsgericht ebenso berücksichtigen wie die Behauptung der Klägerin, sie sei bei der Mitteilung ihrer Nichtberücksichtigung damit getröstet worden, dass sie sich auf ihr Kind freuen solle.

Die Arbeitnehmerin habe eine geschlechtsspezifische Benachteiligung bereits dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft und der Stellenbesetzung mit einem männlichen Bewerber weitere Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

III. Bewertung

Obwohl dieses Urteil noch zu § 611a Abs. 1 BGB (gültig bis 17.°08.°2006) getroffen wurde, ist es auf die inzwischen geltenden Vorgaben des AGG übertragbar.

Die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen, die zu besetzende Stelle sei ihr von dem damaligen Stelleninhaber in Aussicht gestellt worden und man habe sie anlässlich der Neubesetzung auf Ihre Schwangerschaft angesprochen, stellen nach Ansicht Indizien dar, die zu einer Beweislastumkehr nach §°22°AGG führen. Nunmehr muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass eine geschlechtsbezogene Benachteiligung nicht stattgefunden hat. Ob ihm das gelingt, muss das nun mit der Sache befasste Landesarbeitsgericht beurteilen.

Das Urteil des BAG kann erhebliche Auswirkungen auf die Kommunikationskultur in den Unternehmen haben, denn diesen ist zu empfehlen, in der internen und externen Kommunikation größte Vorsicht walten zu lassen. Nicht nur bei Stellenbesetzungen, sondern auch bei der Vergabe von Zusatzleistungen (Dienstwagen, Boni, etc.) sollte nach sachlichen Kriterien vorgegangen werden und allein diese sollten kommuniziert werden.

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