BAG-Urteil zum Anspruch auf Teilzeitarbeit vom 30.09.2003 – 9 AZR 665/02 -

Es kann einen entgegenstehenden betrieblichen Grund darstellen, der zur Ablehnung eines Teilzeitarbeitsverlangens nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG berechtigt, wenn der Arbeitgeber möglichst jeden Kunden nur von einem Verkäufer bedienen lassen möchte.

Es kann einen entgegenstehenden betrieblichen Grund darstellen, der zur Ablehnung eines Teilzeitarbeitsverlangens nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG berechtigt, wenn der Arbeitgeber möglichst jeden Kunden nur von einem Verkäufer bedienen lassen möchte. Ein solcher Grund liegt jedoch nicht vor, wenn sich die Öffnungszeiten eines Verkaufsgeschäftes von der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit einer Vollzeitkraft deutlich unterscheiden.

Das Begehren der Arbeitnehmerin - Verkäuferin von Teppichverlegware – nach Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit hatte die Arbeitgeberin mit der Begründung abgelehnt, dass die kontinuierliche Anwesenheit der Verkäufer während der Ladenöffnungszeiten von ca. 60 Stunden wöchentlich zur serviceorientierten und durchgehenden Kundenbetreuung notwendig sei.

Das BAG sah darin keinen dem Teilzeitanspruch entgegenstehenden betrieblichen Grund. Zwar würden grundsätzlich rational nachvollziehbare Gründe ausreichen. Diese müssten jedoch hinreichend gewichtig sein. Die Arbeitgeberin könne daher die Ablehnung nicht allein mit einer abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der "richtigen" Arbeitszeitverteilung begründen.

Nach dem Organisationskonzept der Arbeitgeberin, so das BAG, konnte nicht sichergestellt werden, dass ein Kunde nur durch einen Verkäufer betreut wurde. Die Filiale der Arbeitgeberin sei mindestens 62 Stunden in der Woche geöffnet. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit einer Vollzeitkraft von nur 37,5 Stunden unterschreite die Öffnungszeiten damit deutlich. Deshalb müsse die Arbeitgeberin damit rechnen, dass ein Kunde bei einem zweiten Aufsuchen der Verkaufsräume nicht den selben Verkäufer antrifft und entsprechende Vorsorge treffen.

Das Bestreben der Arbeitgeberin, die Chance zu erhöhen, dass ein Kunde kontinuierlich nur mit einem Verkäufer zu tun hat, sei zwar als servicefreundliches Organisationskonzept anzuerkennen. Dieses werde jedoch durch das Teilzeitverlangen der Arbeitnehmerin nicht wesentlich beeinträchtigt. Zwar verringere sich durch die Erfüllung des Teilzeitverlangens die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde, der zuerst mit der Arbeitnehmerin Kontakt hatte, diese später im Betrieb erneut antreffe. Dies habe jedoch nur sehr begrenzte Auswirkungen. Zum einen könnten sich z. B. bereits beim ersten Verkaufsgespräch alle Kontakte mit dem Verkäufer erledigt haben, zum anderen könne die Arbeitnehmerin auch im Verkaufsgespräch auf ihre Arbeitszeiten hinweisen und den Kunden bitten, sie innerhalb dieser anzurufen. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Organisationskonzepts fehle nicht zuletzt deswegen, weil sich ein Wechsel im Kundenkontakt angesichts der Diskrepanz von den Ladenöffnungszeiten einerseits und der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von Vollzeitkräften andererseits nicht vermeiden lasse. Daraus ergebe sich, dass die Arbeitgeberin ihr Ziel einer Kundenbetreuung jeweils nur durch einen Verkäufer nicht zu einem unverzichtbaren Bestandteil ihres Konzepts gemacht hat. Die Möglichkeit des Wechsels im Kundenkontakt könne praktisch nicht ausgeschlossen werden.

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