EU-Ratsbeschluss zu Zeitarbeit und Arbeitszeit

Der ZGV begrüßt den Kompromiss und fordert das Europäische Parlament sowie den deutschen Gesetzgeber zu einer Umsetzung ohne weitere Verschärfungen auf.

Nach jahrelangem Tauziehen haben die Arbeits- und Sozialminister der Europäischen Union in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 2008 eine politische Einigung zur Zeitarbeitsrichtlinie und zur Arbeitszeitrichtlinie erzielt. Beide Richtlinienvorschläge waren wie schon unter portugiesischer EU-Ratspräsidentschaftgemeinsam verhandelt worden. Der Rat wird nun im Anschluss an die politische Einigung auf der Grundlage der Kompromisstexte (download hier) seinen Gemeinsamen Standpunkt zu den beiden Richtlinienvorschlägen festlegen. Die Richtlinienvorschläge werdenanschließend an das Europäische Parlament übermittelt.

Der ZGV begrüßt die Kompromisstexte und fordert das Europäische Parlament auf, sie ohne weitere Verschärfungen als Richtlinien zu beschließen.Die Umsetzung innationales Recht würde sich in diesem Fall sehr einfach gestalten, da keine Gesetzesänderungen nötig, einzelne positive Veränderungen (Bereitschaftsdienste) jedoch möglich wären.Ein deutsches "Aufsatteln" auf die europäischen Vorgaben muss vermieden werden.

Zeitarbeitsrichtlinie

Zentraler Punkt der Zeitarbeitsrichtlinie ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wonach ein Zeitarbeitnehmer grundsätzlich entsprechend einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers behandelt werden muss. Dieser Grundsatz ist in Deutschland bereits seit dem 1. Januar 2004 geltendes Recht. Die Möglichkeit, durch tarifvertragliche Vereinbarungendavon abweichen zu können, sieht auch der Richtlinienentwurf unverändert vor. Eine entsprechende Regelung besteht auch im deutschen Rechtund wird von fast allen Zeitarbeitsunternehmen genutzt.Insofern führt die Zeitarbeitsrichtlinie zu keinem Änderungsbedarf im deutschen Recht.

Zu kritisieren ist jedochdie Neuformulierung der Ausnahmeregelung im Artikel 5 Absatz 4, mit dem der britische Kompromiss zur Zeitarbeit umgesetzt wurde. Die bisher an dieser Stelle geplante allgemeine Schwellenfrist von 6 Wochen soll entfallen. Der neue Ausnahmetatbestand wird nur greifen, wenn kein System der Allgemeinverbindlicherklärung oder Ähnliches besteht.Damit kann er lediglich in Großbritannien und ggf. wenigen anderen Ländern, jedoch nicht in DeutschlandAnwendung finden.
Es besteht damit keine gesicherte Rechtsgrundlage mehr für die im AÜG vorgesehene Möglichkeit, Zeitarbeitnehmer, die aus der Arbeitslosigkeit in die Zeitarbeit übernommen werden, 6 Wochen auf Arbeitslosengeldniveau zu beschäftigen. Ob diese Regelung des AÜG auf die allgemeine Bestimmung in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie gestützt werden kann (keine Anwendung der Richtlinie bei geförderten beruflichen Ausbildungs-, Eingliederungs- und Umschulungsprogrammen) erscheint fraglich.

Positiv hervorzuheben ist im Übrigen, dass die Zeitarbeitsrichtlinie in den Erwägungsgründen die Zeitarbeit in den Zusammenhang mit dem Flexicurity-Grundsatz stellt und anerkennt, dasssie im beiderseitigen Interesse von Unternehmen und Arbeitnehmern liegt. Eine Einschränkung der Zeitarbeit soll nur noch unter engen Voraussetzungen aus Gründen des Allgemeininteresses möglich sein (Artikel 4).

Arbeitszeitrichtlinie

Die geplanten Regelungen zur Bereitschaftszeit, nach denen u.a.(inaktive Zeit der Bereitschaftszeit ist grundsätzlich keine Arbeitszeit) sind zu begrüßen. Damit könnten die Regelungen im deutschen Arbeitszeitgesetz, nach denen seit 2004 auch die inaktiven Phasen der Bereitschaftszeit Arbeitszeit sind, wieder zu Gunsten der Arbeitszeitflexibilität geändert werden.

Die durchschnittliche maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden muss über einen Bezugszeitraum von 12 Monaten sichergestellt werden. Im Vergleich zum deutschen Arbeitszeitgesetz stellt das keine Verschärfung der Rechtslage dar.
Es istzu begrüßen, dass an der Möglichkeit des „Opt-out“ (Ausdehnung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit ohne Ausgleich der mehr gearbeiteten Zeit) festgehalten wird und dies auch nicht automatisch nach einer bestimmten Zeit ausläuft. Im deutschen Arbeitszeitgesetz ist das „Opt-out“ in § 7 Absatz 2a iVm. Absatz 7 verankert und wird in der Praxis, insbesondere in Tarifverträgenauch genutzt.
Allerdings wird die Anwendung des „Opt-out“ als rein individualrechtliche Variantedurch zahlreiche zusätzliche Vorgaben im Kompromisstext erheblich verkompliziert. Es wird dadurch in der Praxis schwerer werden, vom rein individualrechtlichen„Opt-out“ in fehlerfreier Weise Gebrauch zu machen. So gilt beispielsweise die Zustimmung des Arbeitnehmers für höchstens ein Jahr und die Zustimmung darf nicht bei Abschluss des Arbeitsvertrags eingeholt werden.

Neu eingefügt sind zwei Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Mitgliedstaaten sollen die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten frühzeitig über Änderungen der Arbeitszeitmodelle oder der Arbeitsorganisation informieren. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber ermutigen, dass die Wünsche der Beschäftigten nach Änderungen ihrer Arbeitszeiten und Arbeitszeitmodelle geprüft werden, um dem Bedürfnis der Beschäftigten nach Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit Rechnung zu tragen. Ein Arbeitgeber kann bereits nach geltendem Recht seine Arbeitszeitorganisation wegen der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 2 und 3 BetrVG nicht „über Nacht“ ändern. Eine Regelung zur Änderung der Arbeitszeit gibt es bereits in § 8 TzBfG. Regelungen zur Änderung von Arbeitszeitmodellen gibt es zudem im Einzelfall. Insofern dürfte die Einfügung dieser Regelungen zu keinem Änderungsbedarf in Deutschland führen.

Seite drucken

Zurück zur Übersicht
Weitere Artikel