Kein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Fahrerkarte für digitale Tachografen

BAG (Urteil vom 16.10.2007 - 9 AZR 170/07): Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Erstattung der Kosten einer Fahrerkarte für digitale Tachografen ist grundsätzlich nicht gegeben

Leitsätze des Gerichts:

1. Die für das Führen von Lastkraftwagen nach § 2 FPersV erforderliche Fahrerkarte ist kein vom Arbeitgeber zu beschaffendes Betriebsmittel.

2. Beantragt ein als Kraftfahrer beschäftigter Arbeitnehmer auf Aufforderung seines Arbeitgebers bei der zuständigen Behörde nach § 4 FPersV die Ausstellung der Fahrerkarte, so besteht kein Anspruch, entsprechend § 670 BGB den Ersatz der Kosten verlangen zu können, die im Zusammenhang mit der Beschaffung der Fahrerkarte entstehen.

I. Sachverhaltsdarstellung

Der Kläger wirdvon der Beklagten als Kraftfahrer in ihrem Transportunternehmen beschäftigt. Zum Betrieb des ab 1. 5. 2006 erforderlichen digitalen Aufzeichnungsgeräts ist neben einer Unternehmerkarte auch eine Fahrerkarte erforderlich, in der die persönlichen Daten des Fahrers gespeichert sind. Die entsprechende Chipkarte wird vom Kraftfahrt-Bundesamt gegen eine Gebühr von 38 € erstellt. Die Karte steht im Eigentum des Fahrers und ist nicht an ein bestimmtes Fahrzeug gebunden.

Der Kläger verlangt die Erstattung der angefallenen Auslagen für die Karte, für Passfotos sowie für die Meldebescheinigung i. H. von insgesamt 58 €. Er meint, die Fahrerkarte müsse als Arbeitsmittel vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Die entsprechende Zahlungsklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

II. Rechtliche Würdigung

Ein tariflicher Kostenerstattungsanspruchkam nicht in Betracht. In den einschlägigenTarifverträgen sind keine Regelungen getroffen, die den Arbeitgeber verpflichten, die Kosten der Beschaffung einer Fahrerkarte zu tragen.Eine Bestimmung des Tarifvertrages regeltnach ihrem Wortlaut ausschließlich die Kostenerstattung für die Gesundheitsuntersuchung sowie die Verlängerung der Fahrerlaubnis für bestimmte Arbeitnehmer, besagt nichts darüber, wer die Kosten einer Fahrerkarte zu tragen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung eine allgemeine Erstattungspflicht für behördlich erforderliche Dokumente des Arbeitnehmers vereinbaren wollten, hat das Gericht nicht erkannt.

Dem Kläger ist nach Ansicht des BAG auch keine Kostenerstattung im Wege der Gesamtzusage zugesagt worden. Eine Gesamtzusage ist eine an alle Arbeitnehmer oder an abgrenzbare Gruppen von Arbeitnehmern in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Der Arbeitnehmer erwirbt dann einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Eine ausdrückliche Annahmeerklärungwird nicht erwartet.
Die Beklagteweise sie lediglich darauf hin, dass mit der rechtsverbindlichen Einführung digitaler Tachografen für Neufahrzeuge ab Anfang Mai 2006 zu rechnen ist und dass bei Inanspruchnahme von Mietfahrzeugen sowie im Fall der Ersetzung defekter analoger Tachografen zeitnah Fahrzeuge mit digitalem Tachografen zum Einsatz kommen könnten. Die Fahrer wurden deshalb angewiesen, sich unverzüglich die Fahrerkarte zu besorgen. Irgendein Hinweis dahingehend, die Beklagte werde die Kosten für die Beschaffung der Fahrerkarte erstatten,war nicht erkennbar. Der Hinweis der Beklagten, die Fahrerkarte gehöre zum Führerschein, wurde vom BAG dahingehend verstanden, dass der Fahrer die Kosten für die Beschaffung der Fahrerkarte ebenso zu tragen habewie für die Beschaffung des Führerscheins.

Der Kläger hat nach AUffassung des BAGgegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus analoger Anwendung von § 670 BGB. Zwar hat der Arbeitgeber die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendigen Betriebsmittelzur Verfügung zu stellen.

ImFall der Fahrerkarte besteht jedochein beiderseitiges Interesse der Arbeitsvertragsparteien an der Beschaffung. Auch bei typisierender Betrachtung kann nicht festgestellt werden, dass das Interesse des Arbeitgebers so weit überwiegt, dass allein der Arbeitgeber die Kosten tragen soll. Vielmehr ist die Frage, wer die Fahrerkarte zu beschaffen hat, eindeutig geregelt: Antragsberechtigt für die Erteilung der Fahrerkarte ist nur der Inhaber der Fahrerlaubnis, somit allein der Arbeitnehmer. Dies spricht dafür, dass derVerordnungsgeber die Interessen so bewertet hat, dass der Fahrer die Kosten für die Erteilung der Fahrerkarte auch dann tragen soll, wenn er Arbeitnehmer ist.
Zwar könne der Arbeitnehmer regelmäßig darauf verweisen, dass er die Fahrerkarte auf Wunsch des Arbeitgebers und allein für einen Einsatz im Rahmen des Arbeitsverhältnisses beschafft hat, andererseits hat der Arbeitnehmer auch ein eigenes Interesse an der Erlangung der Fahrerkarte.Außerdem könne die Beschaffung einer Fahrerkarte für Arbeitnehmer, die als LKW-Fahrer angestellt sind, als Teil der selbstverständlichen Einsatzpflicht angesehen werden. Die Fahrerkarte ist zudem kein Bestandteil eines Tachografen und muss deshalb auch nicht als Arbeitsmittel vom Arbeitgeber bereitgestellt werden.Sie bleibtim Besitz des Arbeitnehmers,derwährend der fünfjährigen Laufzeit für beliebig viele Arbeitgeberbzw. als SelbständigerLKW-Fahrten durchführen kann.

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