Möglichkeiten der Unterschreitung tariflicher Ausbildungssätze

Die Voraussetzungen zur Unterschreitung tariflicher Vergütungsvorgaben hat das BAG in einer Entscheidung vom 8. Mai 2003 konkretisiert.

Die Voraussetzungen zur Unterschreitung tariflicher Vergütungsvorgaben hat das BAG in einer Entscheidung vom 8. Mai 2003 (Aktenzeichen 6 AZR 191/02) konkretisiert. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der mit dem ZGV kooperierende Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie hatte zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze die Gründung eines gemeinnützigen Vereines initiiert. Dieser Verein war nicht tarifgebunden. Die praktische Berufsausbildung sollte in Betrieben der Verbandsmitglieder, welche allerdings tarifgebunden waren, durchgeführt werden. Die den Auszubildenden gezahlte Vergütung wurde aus Spenden des VBM und Beiträgen der Vereinsmitglieder finanziert. Geklagt hatte ein Auszubildender, dessen Auszubildendenvergütung bei Berücksichtigung aller in den Tarifverträgen für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie geregelten Leistungen etwa 72 % der tariflichen Vergütung erreichte. Die praktische Ausbildung des Klägers wurde in einem tarifgebundenen Unternehmen durchgeführt, welches dem Kläger einen über den eigentlichen Bedarf hinausgehenden Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt hatte.

Die Vergütung hielt der Auszubildende für zu gering und rügte einen Verstoß gegen § 10 Berufsbildungsgesetz, wonach eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. Das BAG hat hierzu festgestellt, dass eine Vergütung immer dann angemessen ist, wenn sie hilft, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten und zugleich eine Mindestentlohnung für die Leistungen des Auszubildenden darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist eine vereinbarte Ausbildungsvergütung in der Regel dann nicht mehr angemessen im Sinne des § 10 Berufsbildungsgesetz, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelte Vergütung um mehr als 20 % unterschreitet. In diesen Vergleich sind alle in den einschlägigen Tarifverträgen geregelten Leistungen einzubeziehen. Diese Regel, nach der eine Unterschreitung der tariflichen Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % als unangemessen gilt, erfährt nach der Entscheidung des BAG jedoch eine Ausnahme. Sofern die Ausbildung teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert wird und für den Ausbilder mit keinerlei finanziellen Vorteilen verbunden ist, kann die Ausbildungsvergütung auch bei Unterschreiten der 20 %-Grenze noch angemessen sein. In einem solchen Fall rechtfertige die Begrenztheit der öffentlichen Mittel und das vom Staat zu verfolgende gesamtgesellschaftliche Interesse, möglichst vielen arbeitslosen Jugendlichen die Möglichkeit einer qualifizierten Berufsausbildung zu verschaffen, ein Unterschreiten der tariflichen Ausbildungssätze auch unter 20%. Dieser Grundsatz gelte auch für eine durch Spenden Dritter finanzierte Ausbildungsvergütung. Der Ausbilder müsse allerdings darlegen, dass die Abwägung der Interessenlagen beider Vertragspartner und die Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles eine solche Beurteilung rechtfertigen. Vorliegend fiel besonders ins Gewicht, dass der Kläger ohne die Initiative des VBM keinen Ausbildungsplatz erhalten hätte. Zudem habe die Vergütung auch fühlbar zu den Lebenshaltungskosten beigetragen.

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