Pflegezeitgesetz tritt in Kraft

Ab dem 01.07.2008 müssen Arbeitgeber das neue Pflegezeitgesetz mit seinen arbeitsrechtlichen Fußangeln beachten.

Ab dem 01.07.2008 müssen sich Arbeitgeber neuen Herausforderungen im Betrieb stellen, das das im Rahmen der Pflegereform verabschiedete Pflegezeitgesetz (PflegeZG) Änderungen im Arbeitsrecht mit sich bringt.So werdenzwei verschiedene Freistellungsansprüche zur Pflege naher Angehöriger geschaffen: die kurzzeitige Arbeitsverhinderung (bis zu 10 Arbeitstage) und die Pflegezeit (bis zu 6 Monate).

Anspruchsberechtigt sindArbeitnehmer, Auszubildende sowie Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Der Begriff der „nahen Angehörigen" erfasst die Großeltern, Eltern und Pflegeeltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft und Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder sowie die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners sowie Schwiegerkinder und Enkelkinder. Pflegebedürftig im Sinne des Pflegezeitgesetzes sind Personen, die die Voraussetzungen nach dem § 14 und 15SGB XI erfüllen (mind. Pflegestufe 1)bzw. in akut auftretenden Pflegesituationen voraussichtlich erfüllen.

Freistellungsanspruch bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung

Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen (§ 2 PflegeZG). Die Beschäftigten sind verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Auf Verlangen ist dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der Freistellung vorzulegen.

Der Arbeitgeber ist für diesen Zeitraum zur Fortzahlung der Vergütung nur verpflichtet, soweit sich eine solche Verpflichtung aus anderen gesetzlichen Vorschriften (beispielsweise 616 BGB) oder aufgrund einer Vereinbarung ergibt. In den meisten Manteltarifverträgen der Verbundgruppen sind Regelungen enthalten, die eine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung in diesen Fällen ausschließen (Übersicht zum download für Mitglieder hier).

Pflegezeit

Danebenkönnen Beschäftigte auch eine sogenannte Pflegezeit in Anspruch nehmen. Sie dient dazu, einem pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Die Beschäftigten haben in diesem Fall einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung für maximal 6 Monate; dieser Anspruch besteht allerdings nicht gegenüber Arbeitgebern mit i. d. R. 15 oder weniger Beschäftigten!

Die Beschäftigten habendie Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Wie bei der Elternzeit muss dem Arbeitgeber die Pflegezeit vor Beginn schriftlich angekündigt werden. Im Gegensatz zur Elternzeit hat dies nicht 7 Wochen, sondern spätestens 10 Tage vor Beginn zu erfolgen. Gleichzeitig muss erklärt werden, für welchen Zeitraum und welchen Umfang die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll. Wenn nur teilweise Freistellung in Anspruch genommen wird, ist auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben.

Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen längstens sechs Monate (Höchstdauer). Nimmt der Beschäftigte zunächst einen kürzeren Zeitraum in Anspruch, kann er die Pflegezeit bis zur Höchstdauer verlängern, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Ist der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich (Todesfall) oder unzumutbar, endet die Pflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Dem Arbeitgeber ist über die veränderten Umstände unverzüglich durch den Beschäftigten Nachricht zu geben. Im Übrigen kann die Pflegezeit nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.

Besonderer Kündigungsschutz

Sowohl für den Fall der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung als auch für den Fall der Pflegezeit sieht das Gesetz einen besonderen Kündigungsschutz vor. Wie bei der Elternzeit darf der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit nicht kündigen. Der Kündigungsschutz gilt auch für Beschäftigte, die ansonsten keinen Kündigungsschutz hätten, z. B. weil die Wartezeit bis zum Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht vorüber ist oder aus anderen Gründen der allgemeine Kündigungsschutz nicht greifen würde. Ausnahmsweise kann eine Kündigung in besonderen Fällen von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde für zulässig erklärt werden.

OffeneFragen

Das Gesetz lässt zahlreiche Fragen offen. So ist z.B. ungeklärt, ob der Beschäftigte mehrmals im Jahr bis zu 10 Arbeitstagen der Arbeit fernbleiben kann, wenn akute Pflegesituationen auftreten. Offen ist auch, ob sich Pflegezeiten addieren, wenn zwei Pflegebedürftige nahe Angehörige zeitgleich gepflegt werden; daneben ergeben sich noch eine Reihe weiterer Fragen, die der Gesetzgeber oder ggf. die Rechtsprechung klären muss.

Fraglich ist auch, inwieweit die Pflegezeit Einfluss auf den gesetzlichen Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz hat. Es muss davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche bzw. tarifliche Urlaubsanspruch unabhängig von einer Inanspruchnahme einer Pflegezeit bestehen bleibt, so dass der Rest jedenfalls bis zum Jahresende genommen werden kann.

Der Gesetzentwurf zum Pflegezeitgesetz geht davon aus, dass es pro Jahr ca. 200.000 kurzfristige Freistellungen geben wird. Zur Zeit gibt es ca. 1,45 Mio. Pflegebedürftige, die ambulant versorgt werden. Davon werden ca. 980.000 Pflegebedürftige allein durch die Angehörigen versorgt. Damit wird deutlich, wie groß die Anzahl der möglichen und potentiellen Nutzer des Pflegezeitgesetzes sein kann. Da der Anspruch auf kurzfristige Arbeitsverhinderung alle Betriebe betrifft, ist dies ein Thema für alle Betriebsgrößen, während die Pflegezeit nur für Betriebe mit mehr als i. d. R. 15 Beschäftigten gilt.

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